Schülerlabor HannoverGEN wird neu aufgelegt

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Nachdem die rot-grüne Landesregierung Niedersachsens im vergangenen Jahr unter massiver Kritik das ausgezeichnete Schülerlabor „HannoverGEN“ abgeschossen hatte, ersteht aus seiner Asche das „Life Science Lab“. Der Unterschied zum Vorgängerprojekt laut der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung:

Diese „grüne Gentechnik“ soll – so die Maßgabe der Politik – künftig außen vor bleiben. […] Pflanzen, die es auch in genveränderter Form gibt, sollen in den Arbeitsblättern nicht mehr auftauchen. „Dabei haben wir nie gentechnisch veränderte Pflanzen untersucht. Das dürfen wir gar nicht“, sagt Krausse-Opatz. Dafür konnten die Schüler mehrfach Spuren von gentechnisch verändertem Mais in Chips aus den USA nachweisen – und fanden das besonders spannend.

Man versucht also, ganz fest die Augen zu schließen, und sich zu wünschen, dass es gar keine grüne Gentechnik gebe. Dass weltweit auf großen Flächen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, soll wohl ignoriert werden. Für eine demokratische Meinungsbildung in der Bevölkerung benötigt man Bildung und informierte Bürger/innen. Informationen ganz nach Fahrenheit-451-Manier aus den Büchern zu tilgen, ist wohl kaum der richtige Weg.

[Die Projektleiterin] sieht nun auch praktische Probleme, denn Gentechnik in der Landwirtschaft und ihre ethische Bewertung gehört weiter zum Lehrplan. Lehrer anderer Schulen fragen das Thema weiter an, wenn sie sich nach Labortagen erkundigen. „Die Schüler müssen doch wissen, was da passiert. Wir bringen Schülern ja auch andere Dinge bei, ohne dass wir sie indoktrinieren“, sagt Marietta Vollmer-Schöneberg, Biologielehrerin und Konrektorin der Wilhelm-Raabe-Schule.

Bildungspolitik an den Bedürfnissen und Vorgaben vorbei – das ist genau das, was wir brauchen.

Weiterlesen in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 17.03.2014.

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

5 Kommentare

  1. Hier müsste man sogar fragen wieweit sich die Politik in die Vermittlung von Bildung einmischen soll. Genügt es nicht grobe Lehrziele vorzugeben, was in der Biologie bedeuten könnte, dass die Schüler in die Genetik eingeführt werden? Soll der Lehrplan oder das Laborprojekt zudem noch genau festlegen, welche Teile der Genetik gelernt werden sollen und welche eher nicht?
    Vielleicht sind viele deutsche Bürger zuwenig kritisch gegenüber der Politik. Kritisch sind sie sicher in der Mehrheit gegenüber der Finanz- und Geschäftswelt, dem “neoliberalen” Markt und Raubtierkapitalismus. Doch sie sehen nicht, dass die Politik nicht nur vor Gefahren schützt sondern auch einen Teil der Lebenswelt der Bürger in Beschlag nimmt. Einen Teil der eigentlich vom mündigen Bürger – hier beispielsweise in Form des Lehrers oder Laborleiters – zur freien Gestaltung offenstehen sollte und nicht der Politikerin, die Politikerin geworden ist um alles zu gestalten.

  2. Danke für den treffenden Kommentar. Mitten in der HannoverGen-Schließung und der dazugehörigen absurden Argumentation im letzten Jahr, fühlte ich mich wie in “1984” hineinversetzt. Aber Fahrenheit 451 trifft es auch ganz gut.
    Wenn man über die Gentechnik nicht mehr spricht, übernimmt der “mündige Bürger” dann einfach die Meinung von Saatzuchtunternehmen bzw. Greenpeace (je nachdem von welcher Perspektive man es betrachten möchte). Eine eigene differenzierte Meinung scheint man Schülern der Oberstufe gar nicht zuzutrauen. Und Lehrern unterstellt man sowieso, sie können das Thema nicht behandeln ohne zu indoktrinieren.
    Dabei steht im niedersächsischen Kerncurriculum (Lehrplan) für die gymnasiale Oberstufe: “Die Erkenntnisse der Biowissenschaften führen zu Perspektiven und Anwendungen, die uns Menschen als Teil und als Gestalter der Natur betreffen. Zunehmend beeinflussen sie auch politische Entscheidungen und berühren und verändern damit individuelle und gesellschaftliche Werte. Ein wesentliches Ziel des Biologieunterrichts ist es, den Schülerinnen und Schülern diese Erkenntnisse und Entwicklungen durchschaubar und verständlich zu machen. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für die aktive Teilhabe eines jeden Einzelnen an gesellschaftlicher Kommunikation, Meinungsbildung und Entscheidungsfindung über naturwissenschaftliche Forschung und ihre Anwendung.”
    Kurios, dass die Landesregierung diese Ansprüche Lehrern und Schüler gar zutraut.

  3. “Genügt es nicht grobe Lehrziele vorzugeben, was in der Biologie bedeuten könnte, dass die Schüler in die Genetik eingeführt werden?” – Ja, werden Sie – ich weiß ja nicht ob sie sich an die Mendelschen Regeln erinnern – aber das ist halt Gentechnik 1.0 – sollte JEDER in dieser Republik in der Schule gehabt haben… Und ja, “kenne deinen Feind” mögen viele Genkritiker hier einwerfen, aber ernsthaft: der Mensch macht seit tausenden von Jahren Gentechnik (man braucht sich bloß die unterschiedlichsten Hunderassen anzusehen, oder sind Rosenzüchter etwa “böse kriminelle” Genveränderer?^^) ohne sich Gedanken drüber zu machen – nur ist jetzt bei einer “technischen” Züchtung auf einmal der Kopf anscheinend außerstande das noch zu rekapitulieren.
    Das Problem der Gentechnik ist somit eigentlich eher ein Verständnisproblem des Menschen und eine grundsätzliche Kritik an der Gentechnik läuft sich bei mir angesichts eines Pekinesen und einer dänischen Dogge irgendwie am Strand der historischen Ignoranz tot. Genkritiker halten es gerne mit schwarz/weiß, können diese Zustände aber nicht einmal grundlegend definieren – faszinierend (oh, und ja, ich bin gegen gentechnisch veränderten Mais – weil alle dagegen sind..)

  4. Erinnert mich irgendwie ein wenig an die Kreationismus-in-Schulbüchern-Debatte aus den USA… Eigentlich arm, wenn die Politik vorschreibt, über was nachgedacht werden soll und über was nicht. Aber durch das Unwissen der Bevölkerung kann man eben die eigenen Ziele besser verkaufen. Das hat eigentlich in einem demokratischen Umfeld nichts zu suchen. Die Gedanken sind frei!

  5. Was nicht in die Ideologie passt … darf (kann) nicht sein … und wenn es für Tausende von Kindern eine Hilfe sein kann (“Golden Rice”). Da bleibt nur zu hoffen, dass diejenigen, die die Bevölkerung “dumm” halten wollen, dafür eines Tages die Wählerquittung erhalten.

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