Séralini und das Kreuz mit der Unabhängigkeit von Gentechstudien

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Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Zwei französische Wissenschaftler, die jeweils zwei Lobbygruppen angehören, bekriegen sich vor Gericht. Professor Gilles-Eric Séralini von der gentechnikkritischen CRIIGEN sah seinen Ruf durch eine „Schmierenkampagne“ der Gentechnikbefürwortergruppe AFBV bedroht. Diese hätte Séralinis Arbeiten in Presseschreiben als unwissenschaftlich beschrieben. Prof. Marc Fellous von AFBV meinte, dass Séralini „in erster Linie Aktivist“ sei und er keine unabhängige Forschung betreiben würde: Immerhin würde ein Teil seiner Arbeit von Greenpeace finanziert werden und damit seine Unabhängigkeit fragwürdig. Dagegen zog Séralini vor Gericht.

Das Gericht befand im Januar 2011, dass die Aussage, dass Séralinis „intellektuelle Integrität“ durch die Abhängigkeit zu Greenpeace beeinträchtigt würde, in der Tat diffamierend sei. Die restlichen Vorwürfe seien allerdings Teil der „wissenschaftlichen Debatte“. Fellous bzw. AFVB müssen 1000 Euro Strafe zahlen, haben aber das Recht, Berufung einzulegen.

Die Studien – wirklich kein Interessenskonflikt?

Um welche Studien handelt es sich überhaupt? In den Jahren 2007 und 2009 veröffentlichte Séralini zwei Studien, die teilweise durch Greenpeace finanziert worden sind [1,2]. Dabei ging es um die Neu-Bewertung von Daten aus einer Fütterungsstudie an Ratten, die im Rahmen des Zulassungsverfahrens zu transgenem Mais von Monsanto erhoben wurden. Diese eigentlich vertraulichen Daten wurden im Jahr 2005 durch ein Gerichtsverfahren in Deutschland freigeklagt und Séralini wurde von Greenpeace ermuntert, diese Daten neu auszuwerten. Man muss dabei natürlich nicht lange rätseln, welche Ergebnisse Greenpeace am Ende gern gesehen hätte – und vielleicht auch, weshalb die Wahl dabei auf Séralini fiel.

In den Acknowledgements, in denen meist die Verbindungen und Finanziers der Arbeit dargelegt werden, sieht man folgendes:

This work was supported by Greenpeace Germany who, in June 2005, won the Appeal Court action against Monsanto, who wanted to keep the data confidential. [2]

und

Greenpeace contributed to the start of the investigations by funding first statistical analyses in 2006, the results were then processed further and evaluated independently by the authors. [1]

Mag sein, dass wirklich keine finanzielle Abhängigkeit von Greenpeace vorlag, aber zumindest eine ideologische scheint es doch zu geben. Séralini ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der bereits erwähnten Lobbyorganisation CRIIGEN. Diese lief Anfang des Jahres Sturm gegen einfache Gentechnik-Experimente in französischen Klassenzimmern [3] – man hatte dort Angst, dass die Technologie „trivialisiert würde“. Seralini foderte jedenfalls ein Moratorium gegen die trivialen Experimente mit ungefährlichen Organismen und hatte keinerlei Argumente vorzuweisen. Es wurden damit nur Ängste vor der neuen Technologie geschürt. Lars Fischer von nebenan bescheinigte den Initiatoren „wissenschaftsfeindlichen Fundamentalismus“ [4] – zu Recht.

In den Publikationen der letzten Jahre zeigte Seralini immer wieder, dass etwa das Pestizid Glyphosat oder eben gentechnische veränderte Pflanzen schädlich für die Gesundheit seien, offenbar im Gegensatz zu dem herrschenden Konsens.

In der europäischen Zulassungsbehörde EFSA lägen laut CRIIGEN außerdem zu viele personelle Interessenskonflikte vor. Die EFSA sei nicht unabhängig genug. Der EFSA eine zu laxe Zulassungspraxis vorzuwerfen, scheint aber ziemlich vermessen zu sein: Die Zulassungsforderungen der EU zählen als die strengsten weltweit, und im Gegensatz zu den USA sind gentechnisch veränderte Pflanzen ziemlich unpopulär. Für mich passt hier die Realität mit den Vorwürfen nicht so recht zusammen.

Validität der Ergebnisse

Aber ganz abgesehen von den möglichen Interessenskonflikten und ideologischen Eventualitäten ist an den fraglichen Arbeiten von 2007 und 2009 offenbar nicht viel dran. Es scheint, als hätte Seralini Monsantos Daten so lange mit statistischen Methoden geschunden, bis er ein statistisch signifikantes Ergebnis in der Hand hielt. Mir fehlt aber das statistische Handwerkszeug, seine Ergebnisse wirklich bewerten zu können.

Statistische Signifikanz hat auf jeden Fall nicht unbedingt eine praktische Bedeutung, so viel ist klar. Die Relevanz von Séralinis Ergebnissen wurde deshalb von vielen Seiten angezweifelt. Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sah keinen Anlass für eine Neubewertung:

Nach der Erfahrung des BfR sind Veränderungen und natürliche Schwankungsbreiten, wie sie in der in Rede stehenden 90-tägigen Fütterungsstudie aufgetreten sind, grundsätzlich nicht ungewöhnlich. Außerdem zeigten die bei den Blut- und Urinanalysen beobachteten statistisch signifikanten Unterschiede kein konsistentes Muster, insbesondere hinsichtlich einer Dosis-Abhängigkeit.

Eine „hepatorenale Toxizität“ von dem Mais MON863 würde die Neuanalyse nicht ergeben, befand nicht nur Monsanto selbst, sondern auch die australisch-neuseeländischen Zulassungsbehörde FSANZ (hier die Stellungnahme zur 2009er-Studie), und die europäische EFSA. In Blogs wie Academics Review und GMO Pundit wurden die Ergebnisse auch ordentlich auseinandergenommen.

Statistische Signifikanz ist eben nicht dasselbe, wie „praktische Signifikanz“ [5]. Statistische Signifikanz bedeutet in der Biologie nichts ohne den jeweiligen biologischen Kontext. Ein P-Wert sagt ohne eine Einordnung in das Große Ganze® nichts darüber aus, wie relevant die Ergebnisse im echten Leben sind. Ioannidis [6] und Goodman [7] haben einige lesenswerte Dinge zu diesem Thema geschrieben, Goodman im Hinblick auf medizinische Studien, was der Sache aber keinen Abbruch tut.

Dazu kommt, dass die Gültigkeit eines publizierten Ergebnisses mit seiner Reproduzierbarkeit steht und fällt. Soweit es meine Recherchen ergeben haben, sind keine derartigen Effekte nochmals publiziert worden. [Frage an die Leser: Wisst ihr mehr?] Eher im Gegenteil: es gab weitere Fütterungsstudien mit den von Seralini et al. untersuchten transgenen Maissorten, wie ich bei Academics Review [8] lesen konnte. Diese dort genannten Studien stammen allerdings von Monsanto.

Es scheint, als wäre Séralini entweder „Überzeugungstäter“ oder ein Whistleblower, der sich mit einer weitgehend bezahlten Wissenschaft anlegt. Egal, welches Bild nun wirklich besser zutreffen sollte, es ist klar, welches das populärere ist.

Das Kreuz mit der Unabhängigkeit

Ich finde die Auseinandersetzung insgesamt sowieso ziemlich albern. Denn ich halte es für zweitrangig, ob Ergebnisse nun unabhängig erlangt worden sind, oder eben nicht. Die Wissenschaft ist ein langfristig selbstreinigender Prozess, und Daten fälschen oder erfinden darf selbst die Industrie nicht – das ist zu plump und würde jedem, der versucht, die Ergebnisse nachzuvollziehen, sofort auffallen. Umgekehrt ist wissenschaftliche Unabhängigkeit auch im Gentech-Bereich noch lange kein Garant für hochwertige Ergebnisse, wie man an der kontroversen Pusztai-Studie gesehen hat. Pusztai hatte seine Versuchstiere fehlernährt und versuchte dann, die Effekte auf das Transgen zu schieben.

Natürlich hat die Pharma- und Gentechnikindustrie einen gewissen Spielraum, um zu tricksen, schließlich will man die teuer entwickelten Produkte nicht gleich auf den Müll werfen. Experimente kann man zum Beispiel einfach abbrechen, wenn man die gewünschten Resultate hat, obwohl diese sich im späteren Versuchsverlauf ja noch ändern könnten. Man kann diese positiven Ergebnisse dann geschickt mehrmals an mehreren Stellen veröffentlichen, um das Gesamtbild der Publikationen zu verzerren. Oder man publiziert nur noch solches, was das gewünschte Resultat erbracht hat und lässt negative Ergebnisse einfach in der Schublade.

Bedenkt man, dass Séralinis gefundene Signifikanzen wohl keine biologische Relevanz haben, kann man ihm vorwerfen, das gemacht zu haben, was „die Industrie“ auch gern macht: eine Überhöhung der Ergebnisse. Die Daten geben in diesem Fall gar nicht her, was man in der Diskussion so schön ausgeschmückt hat. Hier zeigt sich besonders deutlich, ob der Versuchsleiter mit Vorurteilen an die Untersuchung heran gegangen ist, finde ich

Schlusswort

Jemand, der allen anderen Abhängigkeit durch Interessenskonflikte vorwirft, kann mit diesem Vorwurf selbst nicht umgehen und muss seine „Wissenschaftlerehre“ durch ein Gerichtsverfahren wiederherstellen lassen? Muss das denn sein?

Ich bleibe jedenfalls skeptisch und traue Séralinis Unabhängigkeit mit Gerichts-Gütesiegel immer noch nicht über den Weg. Denn schaut man in eine seiner 2010 erschienenen Veröffentlichungen, in der er ein paar Kritikpunkte zu diskutieren scheint, fällt mir auf, dass schon seine Prämissen für die Notwendigkeit umfassender Tests ziemlich zweifelhaft sind:

Nutritional tests with weight, bone mass, and for instance milk or meat production are available, as well as acute toxicological tests with recombinant proteins, in vitro digestibility of transgenic proteins, and limited compositional analysis among other data. However, the possible chronic side effects of pesticide residues are not scientifically assessed, whereas these edible GMOs were modified in order to either tolerate or produce such residues in the first place. In addition, unpredictable metabolic effects, such as metabolic interferences, or direct or indirect insertional mutagenesis consequences cannot be excluded. […] The frequency of such events in comparison to classical hybridization is by nature unpredictable and new proteomic technologies have shown to be effective in evaluating the potential collateral effects due to insertional mutagenesis.

Also auch wenn man das neue, rekombinante Genprodukt toxikologisch getestet habe, seien bestimmte Wechselwirkungen mit Pestiziden irgendwie nicht ausgeschlossen, und sowieso seien die disruptiven Effekte auf das Pflanzengenom unvorhersehbar.

Das ist hanebüchener Unsinn: Nicht alle GMOs werden gemacht, um ohne Ende mit Pestiziden besprüht zu werden. Und die Gefahr, die von einem transgenen Organismus ausgeht, hängt in allererster Linie von seinem Transgen ab. Ein Apfel, der ein Gen für ein hochtoxisches Protein enthält, ist fraglos gefährlicher, als etwa ein Apfel, der ein Gen für die Farbstoffproduktion in seinem Fruchtfleisch von einer anderen Apfelsorte bekommen hat.

Der letzte Punkt in dem obigen Zitat bezieht sich darauf, dass Gentechnik per se invasiver sein müsste, als etwa normale Züchtungsmethoden. Die genannten „Kollateraleffekte“ durch die Integration des fremden Gens in das eigene Genom an zufälliger Stelle erscheinen geradezu lächerlich, wenn man sich überlegt, wie Pflanzen in der Mutationszüchtung malträtiert werden. Zudem haben Proteomanalysen gezeigt, dass „genetische Manipulation“ weniger invasiv sind, als Züchtung oder sogar Umwelteinflüsse.

Und der Ruf nach immer mehr, immer umfangreicheren, und vor allem immer längeren Langzeitstudien ist uns eigentlich schon von den Impfgegnern und anderen Aktivistengruppen bekannt. Die wollen am liebsten Langzeitstudien über mehrere Jahrhunderte. Dabei ist es viel wichtiger, dass man vernünftige Standards zur Risikobewertung etabliert und auch einhält. Die Monsanto-Studie scheint sich an diese Standards gehalten zu haben.

Literatur und Links

[1] de Vendômois, J. S., Roullier, F., Cellier, D., & Séralini, G. (2009). A comparison of the effects of three GM corn varieties on mammalian health. International journal of biological sciences, 5(7), 706-726. PMID: 20011136

[2] Séralini, G., Cellier, D., & de Vendômois, J. S. (2007). New analysis of a rat feeding study with a genetically modified maize reveals signs of hepatorenal toxicity. Archives of environmental contamination and toxicology, 52(4), 596-602. doi:10.1007/s00244-006-0149-5

[3] Barbara Casassus, Transgenic bacterium sparks row in French schools. Nature News doi:10.1038/news.2011.61

[4] Lars Fischer, Gentechnik in die Schule! SpektrumDirekt, 03.02.2011

[5] David Tribe, GMO statistics Part 10: The King of Hearts is NOT equivalent to the King of England.

[6] Ioannidis, J. P. A. (2005). Why Most Published Research Findings Are False. PLoS Medicine, 2(8), e124. doi:10.1371/journal.pmed.0020124

[7] Goodman, S. N. (1999). Toward evidence-based medical statistics. 1: The P value fallacy. Annals of internal medicine, 130(12), 995-1004. PMID: 10383371

[8] Academics Review.com: 1.3—Bt Corn Statistics Don’t Lie

[9] de Vendômois, J. S., Cellier, D., Vélot, C., Clair, E., Mesnage, R., & Séralini, G. (2010). Debate on GMOs health risks after statistical findings in regulatory tests. International journal of biological sciences, 6(6), 590-598. PMID: 20941377

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

13 Kommentare

  1. klingt interessant

    ‘Zudem haben Proteomanalysen gezeigt, dass „genetische Manipulation“ weniger invasiv sind, als Züchtung oder sogar Umwelteinflüsse.’

    Leider verstehe ich gar nichts davon. Meine Lainenhafte Intuition sagt mir: Wenn man Gene gezielt manipuliert, verändert man weniger am Gen als wenn man mit der Schrotflinte irgendwo draufhält und anschliessend schaut was rauskommt?

    Wozu soll sich der Durchschnittsverbraucher um Details kümmern?
    Der deutsche Terminus „genetische Manipulation“ in Verbindung mit dem gelegentlichen Konsum von B-Klasse (Science)Fiction Filmen und dem ‘Wissen’ um die allgegenwärtigen skrupellose Großindustrie reicht ihm ja völlig aus um sich ein abschließendes Urteil zu bilden. Werbung (‘garantiert nicht genmanipuliert’) Greenpeace Experten und so mancher Politiker tun ihr Übriges.

    Warum gibt es keine Produkte mit der Aufschrift: Minimale Giftbelastung durch genetische Resistenz gegen Schädlinge?
    Würde ich kaufen.
    Stattdessen werde ich von Ökotest gelegentlich darüber informiert, dass die Weintrauben die ich letzte Woche gegessen habe den zulässigen Schadstoffwert um das hundertfache überschritten haben.

  2. Warum gibt es keine Produkte mit der Aufschrift: Minimale Giftbelastung durch genetische Resistenz gegen Schädlinge?
    Würde ich kaufen.

    Ich auch! Gerade Bt-Mais ist ja angeblich viel weniger mit krebserregenden Fumonisinen belastet. Das ist doch durchaus ein Argument für die Gentechnik.

  3. Naivität im Quadrat?

    Also der obige Artikel von Martin versucht ja noch möglichst neutral zu sein, seine Meinung sagt Martin trotzdem deutlich – und zeigt damit seine Naivität. Der Kommentar von RD wird dann jedoch geradezu lächerlich, wenn er schreibt “dem ‘Wissen’ um die allgegenwärtigen skrupellose Großindustrie reicht ihm ja völlig aus um sich ein abschließendes Urteil zu bilden.”.

    Ich nehme an, dass die meisten der Diskutanten hier eine Universtätsbildung genoßen haben. Wahrscheinlich jedoch in Naturwissenschaften – nicht in Wirtschaftswissenschaften, nicht in Politikwissenschaften und nicht in Geschichte. Dies zeigt sich deutlich daran, dass a) der Autor Martin oben davon ausgeht, dass in den europäischen Behörden schon alles mit Rechten Dingen zugeht und man dort ja sowieso recht genkritisch sein, z.B. im Vergleich zu den USA, sowie b) in dem untenstehenden Kommentar von RD.

    Daher möchte ich einmal ein wenig aufklären: Im Laufe der Geschichte hat es keine unabhängigen Entscheidungen gegeben und bei so einem kontroversen Thema, gibt es praktisch keine unabhängigen Studien.

    Die EFSA mag im Vergleich zu amerikanischen Überwachungsbehörden (bezügl. Demokratie und Unabhängigkeit) harmlos aussehen. In den USA geht es ja soweit, dass die USA z.B. den spanischen Botschafter einbestellten, weil Spanien irgendein Gentechnikzeug nicht zulassen wollte. Doch in Europa ist nicht alles besser. Hier läuft das ganze “leiser” ab, abseits der öffentlichen Wahrnehmung. Laut einigen Studien ist Brüssel inzwischen zur meist-lobbyierten Stadt vor Washington geworden. Natürlich gilt die Lobbyaktivität aber auch für EU-Behörden, die nicht in Brüssel sitzen (wie die EFSA), die in den Medien insbesondere durch ihre Revolving Doors Problematik negativ aufgefallen ist. Aktuelles Beispiel: Die bisherige Vorsitzende des Verwaltungsrats der EFSA Diana Banati ist im Mai zurückgetreten um wieder (!) in einem Ernährungsindustrie-Lobbyverband zu arbeiten. Anderes Beispiel: Das momentane Verwaltungsratsmitglied Milan Kovác war bis Juli 2011 Vorstandsmitglied eines Lobbyverbandes. Einen Überblick über die zahlreichen personellen und sonstigen Verflechtungen von Genindustrie und EFSA zeigt diese Seite: http://lobbypedia.de/index.php/EFSA

    Hier ist sogar noch ein Bericht, wo sich das Europäische Parlament besorgt über die Unabhängigkeit der EFSA zeigt: http://corporateeurope.org/…lure-revolving-doors

    Die EFSA hat also keineswegs, die weiße Weste, in der Autor sie sieht. Vielmehr ist GERADE bei europäischen Behörden immer von massivem Lobbyzwang auszugehen.

    Und dann schreibt der Autor Martin ja selbst, dass die veröffentlichten Studien, die NICHT zum gleichen Ergebnis kommen, von Monsanto sind/finanziert sind. Es ist ja hinlänglich bekannt wie DAS läuft: Unternehmen wie Monsanto geben solange Studien in Auftrag, bis das richtige Ergebnis herauskommt. Die “falschen” Studien verschwinden in der Schublade, die “richtigen” (mit pos. Ergebnissen) werden publiziert. Da ist es doch gerade zu ironisch, dass Herr Séralini Abhängigkeit vorgeworfen wird, wo (fast?) alle anderen Studien doch von Gentechnikkonzernen finanziert werden.

    Ich hoffe, dass das etwas zu denken gibt, insbesondere der Part über den Lobbyismus bei der EFSA. Mir fällt immer wieder auf, dass gerade Naturwissenschaftler hier geradezu blauäugig sind, weil sie annahmen, dass die eigenen hohen wissenschaftlichen Standards auch von allen Kollegen getragen und umgesetzt werden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Geld regiert die Welt, und wer das nicht glaubt, der muss das nicht glauben, dem empfehle ich aber dringend, sich in Wirtschafts-, Politik- und Geschichtswissenschaften fortzubilden.

    Meine Meinung zu Gentechnikstudien zuletzt:
    Es gibt keine unabhängigen. Alle Studien sind entweder von Befürwortern oder Gegnern. Daher kann ich mir als Laie – obwohl ich die ganze Sache durchaus sehr kritisch sehe – leider keine abschließende Meinung bilden. Im Zweifel vertraue ich aber eher Greenpeace, als Monsanto, ein Unternehmen, dass z.B. in der Dritten Welt schon durch “Versklavungs-Marketing” (so nenne ich es jetzt mal) aufgefallen ist. Ich habe länger für eine Entwicklungshilfe-NGO gearbeitet, die sich damit intensiv beschäftigt hat.

  4. @Björn

    Ich glaube, du hast mich falsch verstanden, oder ich habe das in dem Artikel nicht klar genug herausgearbeitet: Es geht um ein grundsätzliches Vertrauen in die Zuverlässigkeit der wissenschaftlichen Methode. Seralini vertritt ganz klar eine Außenseitermeinung.

    Meine Meinung zu Gentechnikstudien zuletzt:
    Es gibt keine unabhängigen. Alle Studien sind entweder von Befürwortern oder Gegnern. Daher kann ich mir als Laie – obwohl ich die ganze Sache durchaus sehr kritisch sehe – leider keine abschließende Meinung bilden. Im Zweifel vertraue ich aber eher Greenpeace, als Monsanto

    Klar: Wenn du in den wissenschaftlichen Prozess an sich kein Vertrauen hast, kommt es letztlich nur darauf an, mit wem du sympathisierst. Das ist letztlich überall so.

  5. Wissenschaftlicher Prozess

    Naja, ich bin oben vorallem auf das Vertrauen in die Behörden eingegangen.

    zum wissenschaftl. Prozess:
    In gewissen Bereichen kann man (bis zu einem gewissen Grad) sicherlich Vertrauen haben, aber wo es um soviel Geld geht und NUR um knallharte Interessen (anders als z.B. in der Grundlagenforschung der Physik), finde ich kann man das nicht. Als Geisteswissenschaftler frage ich bei jeder Studie: Wer hat die gemacht? Was sind seine Interessen? Wer sind die Finanziers? Ich finde, das sollte jeder tun.

  6. @Björn

    Natürlich gibt es zwangsläufig immer Probleme und Interessenskonflikte, wo Menschen an Entscheidungsprozessen beteiligt sind. Das ist auch nicht anders bei den Zulassungsbehörden.

    Die Unterstellung, als NaWi wäre man unfähig, “cui bono” zu fragen, empfinde ich als ziemlich beleidigend. Mag sein, dass man als Geisteswissenschaftler tendenziell weniger das Gesamtbild im Kopf hat, aber Forschung an gentechnisch veränderten Organismen ist mhr als nur Bt-Mais von Monsanto. Es ist eben nicht nur “knallhartes Geschäft” o.ä., sondern vor allem unabhängige Arbeit an vielen Unis und Forschungsinstituten, finanziert durch Steuerzahler, Stiftungen und NGOs. Als Beispiel will ich nur die Millionen an Steuergeldern, die von Seiten der EU in die Risikoforschung geflossen sind (nachzulesen im Bericht der EU-Kommission “A decade of EU-funded GMO reserach”), oder die zahlreichen Biofortifikationsprojekte wie Golden Rice oder BioCassavaPlus nennen.

    Aber hier geht es ja um gesundheitliche Effekte durch GM-Pflanzen. Seralini behauptet seit Jahren Dinge, die einfach nur lächerlich sind. Niemand nimmt diesen Typen ernst, weil seine Voreingenommenheit einfach so offensichtlich ist.

  7. @Martin

    Also erstmal, es tut mir leid, wenn das so rübergekommen, dass Nawis generell “unfähig” wären, das zu hinterfragen. Das wollte ich keineswegs ausdrucken. Sorry dafür! Es ist nur so, dass ich im Realleben mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass es bei Nawis häufig (nicht immer!), durchaus so ist.

    Dann zu den 2 Themen, die du ansprichst:
    a) Seralini
    b) knallhartes Geschäft oder nicht/EU funded GMO research
    ___________________
    a) Grundsätzlich ist meine Meinung: Außenseitermeinungen haben sich in der Wissenschaft sehr häufig am Ende doch durchgesetzt. Daher tue ich Seralinis Studien nicht ganz ab. Aber am Ende kann ich dazu nichts sagen. Weder kann ich diese Studien besser als ein Laie bewerten, noch habe ich mich intensiv mit Seralini beschäftigt. Da müsste ich jetzt erstmal länger rumgooglen, sowie seine Studien und die seiner Gegner im Original lesen. Und wie gesagt, selbst dann bleibe ich Laie.

    b) Ich habe in den Report “A decade of EU-funded GMO reserach” mal reingeschaut. Interessant.

    Man könnte jetzt wieder darüber diskutieren, inwiefern die EU-Akteure durch die Industrie beeinflusst werden. Für mich ist auch das sehr offensichtlich. Aber lassen wir das.

    Mit knallhartes Geschäft meine ich eben vorallem die Thematik Food Safety. Forschung z.B. im Bereich -Auswirkungen auf das Ökosystem- oder -Food Safety Grundlagenforschung- (siehe der EU Report) ist schön und gut, aber Food Safety auf ein spezfisches Produkt bezogen ist dann doch der entscheidende Punkt für Unternehmen wie Monsanto: Dürfen wir das Ding, an dem wir jahrelang geforscht haben, jetzt auf die Massen loslassen, oder nicht? Wie bei Pharmaunternehmen besteht durch die hohen Forschungskosten ein enormer Druck, alles daranzusetzen, dass ein Produkt den Segen vom Staat erhält und auf den Markt gebracht werden kann.

    Zu Golden Rice empfehle ich diese Lektüre: http://www.gmfreecymru.org/…_Notice14mar2009.htm

    PS: Übrigens, auch wenn es den Eindruck erweckt, ich bin nicht grundsätzlich gegen Gentechnik als Technologie. Schaue ich mir a) jedoch die reale Verwendung der Gentechnik durch Konzerne wie Monsanto in Entwicklungsländern an und die Auswirkungen auf die dortigen Bauern und b) das generelle wirtschaftliche Gefüge der Gentechnikindustrie, dann bin ich gegen Gentechnik. Das Problem ist aber wie gesagt für mich weniger die Technologie an sich, als deren Verwendung in der Realität.

  8. @Björn:

    Danke für deine Entschuldigung. Das zeigt mir, dass du hier nicht einfach herumpoltern wolltest und wirklich an einem Austausch interessiert bist 😉

    Es ist nur so, dass ich im Realleben mich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass es bei Nawis häufig (nicht immer!), durchaus so ist.

    Deckt sich nicht unbedingt mit meinen Erfahrungen. Die meisten sind brutal kritisch mit der Arbeit anderer, was auch notwendig ist.

    Was das Funding angeht: die Finanzierung durch eine Firma nimmt nicht automatisch jedem Ergebnis seine Validität. Auch pharmafinazierte Studien sind in der Regel nicht “ungültig”, man muss sie nur sehr, sehr vorsichtig lesen. Selbst Seralini kann seine Ergebnisse nicht direkt fälschen, sondern malträtiert seine Daten so lange, bis hinten etwas herausfällt oder publiziert Ergebnisse nur selektiv. Dass diese weltweit praktisch einzigartig sind und überhaupt nicht ins Gesamtbild passen, scheint ihn nicht zu stören. Siehe dazu auch diese Einschätzung von Lars Fischer. Wären die Effekte wirklich so drastisch, wie er behauptet, dann ist es doch eigenartig, dass zB die Amerikaner nicht sterben wie die Fliegen.

    Grundsätzlich ist meine Meinung: Außenseitermeinungen haben sich in der Wissenschaft sehr häufig am Ende doch durchgesetzt. Daher tue ich Seralinis Studien nicht ganz ab.

    Jaja, das gute alte Galileo-Gambit 😉

    Natürlich hat jede neue Hypothese zum Zeitpunkt ihrer Entstehung den Status einer Außenseitermeinung, insofern trifft diese Feststellung sicher zu. Entscheidend ist aber, ob die neue Theorie nun experimentelle Befunde besser erklärt, als alte Theorien und damit zwangsläufig angenommen werden muss, oder ob Befund und Hypothese nicht zusammenpassen. Seralinis Argumente und Pseudo-Ergebnisse machen so wenig Sinn, wie die der Klimaleugner und Kreationisten. Diesen Außernseitern bringt man ja (glücklicherweise) nicht so viel Vertrauen entgegen, zumindest hierzulande. Nur weil es eine Außenseitermeinung ist, muss man ihr nicht mehr Vetrauen entgegenbringen, als sie es verdient hat.

    Man könnte jetzt wieder darüber diskutieren, inwiefern die EU-Akteure durch die Industrie beeinflusst werden. Für mich ist auch das sehr offensichtlich. Aber lassen wir das.

    Nein, lass uns das ruhig ansprechen: Es mag sein, dass es mitunter Interessenskonflikte auf allen Ebenen gibt, aber die Projekte dort werden mit EU-Mitteln und unabhängig durchgeführt. Die Wissenschaftler profitieren nicht – weder direkt, noch indirekt – von Ergebnissen, die zugunsten der GMOs ausfallen.

    Food Safety auf ein spezfisches Produkt bezogen ist dann doch der entscheidende Punkt für Unternehmen wie Monsanto: Dürfen wir das Ding, an dem wir jahrelang geforscht haben, jetzt auf die Massen loslassen, oder nicht?

    Ich finde es ziemlich amüsant, dass das Thema “Food Safety” im Zusammenhang mit GMOs überhaupt noch diskutiert wird. Wenn es um Medikamente (Insulin, Antikörper), Nahrungsergänzungsmittel (Vitamine), oder Enzyme in Lebensmittelherstellung geht, kräht danach seit zwanzig Jahren kein Hahn mehr. Wenn es zB Zucker aus GM-Zuckerrüben ist, soll auf einmal alles ganz anders sein? Das ist doch lächerlich.

    Die Unternehmen müssen ihre hohen Investitionen wieder reinbekommen, und beschreiten dafür mitunter moralisch fragwürdige Wege. Man könnte, um dem entgegenzuwirken, die Zulassungskosten drücken und mehr als dreißig Jahre nach der Konferenz von Asilomar zugeben, dass die Technologie an sich nicht gefährlicher ist, als konventionelle Züchtung.

    Zu Golden Rice empfehle ich diese Lektüre: http://www.gmfreecymru.org/…_Notice14mar2009.htm

    Irre Schlammschlacht, das schadet der Glaubwürdigkeit auf beiden Seiten.

    Schaue ich mir a) jedoch die reale Verwendung der Gentechnik durch Konzerne wie Monsanto in Entwicklungsländern an und die Auswirkungen auf die dortigen Bauern und b) das generelle wirtschaftliche Gefüge der Gentechnikindustrie, dann bin ich gegen Gentechnik.

    Ich glaube, dann bist du gar nicht gegen Gentechnik, sondern gegen Monopole, Genpatente oder mangelhafte Aufklärung von Bauern oder allgemein gegen Kapitalismus. Das hat im Grunde alles herzlich wenig mit der Technologie zu tun, die hier als Sündenbock herhalten muss.

    Die Sache ist doch die: Wenn man die Merkmale mit konventioneller Züchtung erzeugen könnte, dann würde man sie genauso vermarkten, mit den selben Konsequenzen, die du ansprichst. Nur hätten die Interessengruppen dann keine ideologische Keule mehr, die sie dagegen auspacken könnten.

  9. Teilweise richtig

    In gewisser Weise richtig, aber ich kann die real existierende Nutzung von Gentechnik nicht von der Technologie trennen.

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  11. Die Wissenschaft ist ein langfristig selbstreinigender Prozess, und Daten fälschen oder erfinden darf selbst die Industrie nicht – das ist zu plump und würde jedem, der versucht, die Ergebnisse nachzuvollziehen, sofort auffallen.

    “But what they found was startling: Of the 53 landmark papers, only six could be proved valid.

    http://touch.latimes.com/#section/-1/article/p2p-77934247/

    Es wird trotzdem gemacht. Und langfristig heisst im Zweifel 70 Jahre+x gibt’s falsche Grundlagen.

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