Elektrosmog und Verhaltensstörungen bei Kindern

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Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Die Fragen um die Auswirkungen von Handys auf die Gesundheit sind ein Dauerbrenner und die Diskussion um „Elektrosmog“ hat schon zu mancher Verschwörungstheorie geführt, die einige wohl schon zur Benutzung von Kupfertapete zur Abschirmung verleitet hat. Das Blog Science Based Medicine thematisiert eine neue Studie zu den Auswirkungen von der Benutzung von Mobiltelefonen auf die Gesundheit. Der Neurologe Steven Novella kommentiert im aktuellen SBM-Artikel „Cell Phones and Behaviour“ die Beobachtungsstudie, die eine Korrelation zwischen Mobilfunknutzung durch schwangere Frauen und Verhaltensauffälligkeiten bei deren Kindern findet. 

Die erwähnte Studie fand eine Steigerung der Verhaltensauffälligkeiten der 7-jährigen Kinder von 2% auf 3%. Wie Novella im verlinkten Artikel anmerkt, wird dieser geringe, aber statistisch signifikante Effekt die Diskussion von Neuem befeuern, und wird wohl eher unkritisch aufgenommen werden. Ich kann mir die Schlagzeilen bei Bild und SPON schon gut vorstellen …

Es gibt aber ein paar Dinge, die man im Hinterkopf behalten sollte, wenn man diese Ergebnisse zitiert: Der Effekt ist klein, und die Daten wurden mit Befragungen erhoben, sind also grundsätzlich subjektiv beeinflusst. So ist die Untersuchung keine experimentelle, sondern eine reine Beobachtungsstudie, sodass keine Schlüsse hinsichtlich von Ursache und Wirkung gezogen werden können – die Autoren der Studie spekulieren auch gar nicht erst über einen Mechanismus. Die Studie hat eine frühere Studie repliziert und nun ein paar neue Faktoren einberechnet, die die Ergebnisse beeinflusst haben könnten. So hat etwa eine Einbeziehung des sozialen Status und Verhaltensparameter der Mütter die Effekte verringert. Die Autoren spekulieren auch, dass sie Ergebnisse auch durch den reporting bias, also ein Verzerrung der Erinnerung bei der Beantwortung der Fragen, verfälscht werden könnten – in diesem Fall wäre der Effekt nur ein Artefakt der Befragung. Andere Confounder-Variablen wie die verringerte Aufmerksamkeit der telefonierenden Mütter gegenüber ihrer Kinder werden ebenfalls diskutiert. Diese Art von Studien ist äußerst kompliziert, da man die Ergebnisse für eine unbekannte Zahl von Verfälschungen  korrigieren muss. Eine Population von Menschen ist einfach keine kontrollierte experimentelle Umgebung und alles Mögliche kann Einfluss auf die untersuchten Faktoren haben. Eine statistische Signifikanz muss gar nichts bedeuten.

Es gibt bislang kaum Hinweise darauf, dass das Telefonieren mit dem Handy wirklich gesundheitsschädlich ist – der Effekt beschränkt sich auf das Erwärmen von wasserhaltigen Gewebe durch die ausgesendeten Mikrowellen. Die Strahlungsleistung ist im Allgemeinen viel zu niedrig, um z.B. Schäden an der DNA zu verursachen und Krebs auszulösen. Eine biologische Wirkung über die lokale Erwärmung hinaus ist schlicht unplausibel. Aber Plausibiltät hin oder her, auch durch andere Studien wurde gezeigt, dass sich das Hirntumorrisiko in der Tat bei der Nutzung von Handys nicht ändert.

Die Studie ändert an diesen Gegebenheiten nichts und liefert auch keine überzeugenden Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Gesundheitsschäden und Mobiltelefonen. Die mit Sicherheit bald auftauchenden Panikmeldungen kann man also ignorieren.

Hier geht’s zum SBM-Artikel im Original:
Steven Novella: „Cell Phones and Behaviour“ in Science Based Medicine.

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.

7 Kommentare

  1. Nachtrag

    Zum Faradayschen Käfig sollte man noch erwähnen, dass alles was an elektromagnetischer Strahlung drinnen erzeugt wird, auch drinnen bleibt, und einige male hin und her reflektiert wird.

  2. @Gunnar: So, wie ich’s verstanden hab, schützt der Aluhut nicht vor Handystrahlung, sonern nur vor Gedankenkontrolle. Und ja nicht unter dem Aluhut telefonieren, sonst gibt’s Hirnsuppe (siehe oben, interne Reflektion der Todeswellen)!

  3. Pingback:Quantenquark und Heilsversprechen – die Fußnoten | Nullius in Verba

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