Abgetaucht

BLOG: Detritus

Gedanken, biologisch abgebaut
Detritus

Heute ist es Zeit für ein wenig weinerliche Introspektive: Warum ist es hier eigentlich so ruhig? Vor ein paar Monaten hat es noch zu meinem Alltag gehört, Wissenschaftsnachrichten und meine Twitter-Timeline nach Interessantem und Verwertbarem zu scannen und mir Artikelthemen zu überlegen. Das ist alles ziemlich eingeschlafen, und ich kann nicht einmal genau sagen, weshalb. Ich weiß nur, dass mir schwer fällt, wieder in den Blog-Alltag zurückzufinden.

Eine Doktorarbeit und ein aktives Familienleben unter einen Hut zu bekommen, ist schon schwer genug – die Zeit für alles andere ist in letzter Zeit immer knapper geworden. Die letzten Artikel des letzten Jahres habe vornehmlich nachts geschrieben, später habe ich meine Prioritäten anders gesetzt. Aber der Zeitmangel ist nicht der einzige Grund für die Flaute hier bei Detritus.

Die größte Hürde habe ich mir vielleicht selbst gebaut, als ich im Frühjahr beschloss, an kontroverse Themen anders herangehen zu müssen. Wie ich bei der Recherche für einen Vortrag auf der re:publica ’14 gelernt habe, bewirkt zusätzliche Information bei emotional besetzten Themen lediglich eine Verfestigung der eigenen Meinung. Jahrelang bin ich dem Irrtum aufgegesessen, dass man nur genug Fakten und Hintergrund liefern, also Aufklärungs- und Widerlegungsarbeit leisten müsse, um einen positiven Beitrag zu Kontroversen zu liefern. Natürlich sind Themen wie Alternativmedizin, Gentechnik oder pseudowissenschaftlicher Kundennepp in dieser Hinsicht besonders dankbare Themen. Auch wenn ich hier vor allem aus Spaß an der Freude geschrieben habe, wollte ich auch in irgendeiner Form Gutes bewirken. Das sah ich ich nun infrage gestellt – konnte es sein, dass meine Beiträge mehr schaden als nutzen?

Wie in dem Vortrag angesprochen, sollte man bestimmte Dinge beachten. So ist es etwa sinnvoll, Artikel nicht mit dem zu widerlegenden Fakt zu beginnen, weil das diesen nur noch tiefer im Gedächtnis verankert. Hier habe ich das „Falsche“ oft schon in der Überschrift wiederholt. Stattdessen sollte man zu Beginn die Richtigstellung unterbringen. Das alles so umzusetzen, ist gar nicht so einfach. Einige Artikel existieren deshalb nur als strukturloses Gerüst oder Ideensammlung.

Obwohl diese Recherche mein vornehmlich als Kommentarspalte gedachtes Detritus in eine Krise stürzte, war ich nicht ganz inaktiv während dieser Zeit. Für das Blog des diesjährigen Nobelpreisträgertreffen habe ich eine Reihe von Artikeln geschrieben:

Ich hoffe, dass ich mir in den nächsten Wochen wieder mehr Zeit für neue Beiträge nehmen kann. Geplant hatte ich eigentlich etwas zu Süßstoffen und Fettleibigkeit, zur Sinnfreiheit von Kinesio-Tapes (da gibt es zwei neue Studien), ein wenig Zitrusgenetik, fragwürdige Nahrungsergänzungsmittel von einer Firma auf dem Campus Buch, etwas zu den Ernährungsmythen “brauner Zucker und Honig sind gesund” und “Himalaysalz nährt mich feinstofflich”, zu Durchbrüchen in der Elektronenmikroskopie, über die Geschichte der falschen Zungenkarte der Geschmackswahrnehmungen, über präzise Gentechnik mit TALENs, über den hohlen Marketing-Gag “BPA-frei”, etwas zu dem inzwischen nicht mehr ganz so neuen Wissensformat “TM Wissen” auf Servus TV und über die Nichtlinearität/Subjektivität/Emotionalität der wissenschaftlichen Arbeit. Ihr seht also, an Ideen mangelt es mir nicht!

Vielleicht habe ich mit diesem Eintrag das Eis gebrochen und ich finde wirklich wieder in einen regelmäßigen Schreibrythmus zurück?

Martin Ballaschk ist promovierter Biologe, aber an vielen anderen Naturwissenschaften interessiert. Das Blog dient ihm als Verdauungsorgan für seine Gedanken. Beruflich ist er als Wissenschaftskommunikator, hier rein privat unterwegs.