Kick it like Einstein: Der Islam in Ghana – Gastbeitrag von Max Heidelberger

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Geschichte und Gegenwart
Der Islam

Den meisten ist Ghana heutzutage vor allem wegen der fussballerischen Leistungen seiner Nationalmannschaft bekannt. Vielleicht war die Weltmeisterschaft 2006 auch für manche ein Anreiz, sich etwas näher mit der Geschichte und den Bewohnern dieses Landes zu beschäftigen.

 

 

Wie in allen Ländern Westafrikas leben auch in Ghana Muslime. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung Ghanas dürfte so an die 16-30 % betragen.

Wie ist aber nun der Islam überhaupt nach Ghana gekommen?

Die Geschichte des Islam in Ghana ist eng mit der Geschichte der verschiedenen Völker Westafrikas, insbesondere muslimischen Völkern wie den Dyula oder den Haussa verbunden. Da diese Völker aus den grossen Reichen im subsaharischen Raum, also nördlich von Ghana, stammten, war auch der Norden Ghanas der Ort, wo der Islam in Ghana seinen Anfang nahm.

So wird vermutet, dass bereits gegen Ende des 14. / Anfang des 15. Jahrhunderts Dyula-Händler aus den Gegenden des heutigen Mali, wo der Islam bereits Fuss gefasst hatte, sich an den Handelswegen, die zu den grossen subsaharischen Handelszentren am Niger führten, niederliessen. Da der Norden Ghanas reich an Goldvorkommen ist (daher auch der Name „Gold Coast“, den die Briten Ghana während der Kolonialzeit gaben), war diese Gegend für Händler sehr attraktiv.

Ein frühes Zentrum der muslimischen Dyula in Ghana wurde die Stadt Begho (nicht weit vom heutigen Nsorkor), welche bis in das frühe 18. Jahrhundert existierte und aus der auch viele spätere muslimische Gemeinden stammten, die sich in späterer Zeit in der Elfenbeinküste und in anderen Gebieten Ghanas ansiedelten, sowie Wa, wo bis heute der Dyula-Mansa, bzw. Shehu Wangara regiert, ein muslimischer Herrscher, der den Titel Amir al-Mu’minin (Befehlshaber der Gläubigen; ein Titel, den in der islamischen Geschichte auch die Kalifen trugen) trägt und der zweiundvierzigste in der Herrscherlinie sein soll.

Die Haussa scheinen zum ersten Mal während des 15. Jahrhunderts von Nordosten aus in das Gebiet des heutigen Ghana vorgedrungen zu sein. Die Städte Salaga und Yendi wurden aber erst im Laufe der Ausweitung des Handels in der Gegend während des 18. Jahrhunderts zu wichtigen Siedlungszentren der Haussa in Ghana.

Während des Endes des 16. Jahrhunderts ist eine neue Entwicklung zu beobachten: während der Islam bis zu jener Zeit auf die Dyula– und Haussa-Gemeinden im Norden Ghanas beschränkt war, begannen nun auch die Anhänger anderer Völker zum Islam zu bekehren: so schafften es der shaykh der Stadt Begho, Ismail, und sein Sohn Muhammad al-Abyad, die Adligen aus Gonja, welche hauptsächlich aus den Völkern der Malinké und Bambara stammten, zum Islam zu konvertieren. Diese Konversion der Bewohner Gonjas ist vor allem auch deshalb so wichtig in der Geschichte der Muslime Ghanas, weil diese Stadt zu jener Zeit dabei war, sich zu einer der mächtigsten Städte im Norden Ghanas zu entwickeln. Es wird vermutet, dass die von Begho ausgehenden Aktivitäten auf den Einfluss des Kadiriyya-Sufiordens zurückgehen, der zu jener Zeit in ganz Westafrika Fuß zu fassen begann. Während des 18. Jahrhunderts folgten weitere wichtige Konversionen, wie z.B. die Konversion des Herrschers Dagombas, Muhammad Zanjina, sowie des Herrschers von Mamprusi, Atabia (gest. um 1741).

Somit hatten während des 18. Jahrhunderts die drei grössten Staaten im Norden Ghanas, Gonja, Dagomba und Mamprusi, einen muslimischen Herrscher. Jedoch kann man, Ghana betreffend, nicht davon sprechen, dass es sich hierbei auch um islamische Staaten, wie es die Staaten Futa Toro und Futa Jalon in der Gegend des heutigen Senegal, Mali und Burkina Faso waren; auch wenn das Oberhaupt der entsprechenden Staaten muslimisch war, existierten die meisten Machtstrukturen aus der vorislamischen Zeit weiter.

Die Entwicklungen während des 19. Jahrhunderts waren um einiges turbulenter: so scheint das Gedankengut der auf Usman dan Fodio zurückgehenden Reformbewegung, welche dazu geführt hatte, dass die Nomaden der muslimischen Fulani in Nordnigeria einige Emirate errichteten, auch in Yendi, der Hauptstadt Dagombas, Anhänger gehabt zu haben.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Nordwesten Ghanas in den Krieg unter der Leitung al-Hadj Mahmud Karantaos aus der Gegend des heutigen Burkina Faso verwickelt, in dessen Heer sich auch einige Kontingente von Dyula und Dagari aus Wa befanden. Die Folge war eine Verstärkung der Ausbreitung des Islam im Nordosten. Etwas später fielen die Gegenden von Wa und der Westen Gonjas unter den Einfluss des Mandinka-Reiches des Samori Turé; im zentralen Norden Ghanas wurde von den vereinten Kräften der Zabarima und den Anhängern Alfa Kazarés, Babatus und Hamarias inmitten des Territoriums der animistischen Grunshi ein kleiner muslimischer Staat gegründet.

Im Kampf gegen die Briten und die Franzosen kam es zu jener Zeit sogar zu einer Allianz der muslimischen Heere Samoris, Babatus und Mukhtar Ibn al-Hadj Mahmud Karantaos mit den animistischen Ashanti, die jedoch von den Kolonialmächten zerschlagen wurde.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beginnt auch im Süden Ghanas der muslimische Einfluss zu wachsen: die missionarischen Aktivitäten des aus dem Norden stammenden malam Abu Bakr und seiner Schüler Benjamin Sam und Mahdi Appah, führten dazu, dass der Islam auch unter den Fanti an Bedeutung gewann.

Das 19. und beginnende 20. Jahrhundert sind von einer verstärkten Einwanderung muslimischer Zabarima, Yoruba und Haussa aus den Nachbarländern geprägt, was schliesslich dazu geführt hat, dass es heutzutage in jeder Stadt in Ghana eine muslimische Gemeinde gibt.

Heutzutage leben die meisten Muslime Ghanas in der Hauptstadt Accra und in Kumari, sowie im Norden Ghanas (Schätzungen des Anteils der Muslime an der Bevölkerung Nordghanas reichen von 15 bis 50%). Die meisten Muslime in Ghana sind Sunniten und richten sich, wie für den Grossteil Nord- und Westafrikas üblich, nach der malikitischen Rechtschule.

Wie in ganz Westafrika sind auch in Ghana Anhänger des Kadiriyya- und des Tidjaniyya-Sufiordens zu finden, welche insbesondere ab dem 19. Jahrhundert verstärkt an Einfluss gewannen.

Zum Teil lässt sich auch in Ghana das für Westafrika typische Phänomen beobachten, dass es eine Vermischung zwischen dem Islam und animistischen Kulten gibt. So ist es für manche Muslime in Ghana kein Widerspruch, in die Moschee zu gehen und gleichzeitig bei Bedarf einen animistischen Priester aufzusuchen, oder am Ahnenkult festzuhalten.

Die Muslime Ghanas sind in zwei grossen Organisationen repräsentiert: der Coalition of Muslim Organisations und dem Ghana Muslim Reprasentative Council. Ausserdem gibt es das Amt des obersten Imam Ghanas, welches meines Wissens nach zur Zeit von Sheikh Usman Nuhu Sharabutu ausgeübt wird.

Ab dem 18. Jahrhundert lässt sich in Ghana auch eine gewisse Tradtion islamischer Gelehrsamkeit feststellen: hiervon zeugen unter anderem das kitab Gundja (arabisch: das Gonja-Buch) aus jener Zeit, eine Chronik über die Geschichte Gonjas, sowie die Werke des al-Hadj Umar b. Abi Bakr aus Salaga und Kete Krachi (geboren ca. 1850; gest. 1934), der ebenfalls über lokale Ereignisse schrieb.

Im Institut für afrikanische Studien der Universität Ghana befindet sich eine Sammlung von Manuskripten in arabischer Schrift, die von ghanaischen Muslimen verfasst wurden; diese sind hauptsächlich auf Arabisch, aber auch auf Haussa, Dagbane, Mamprule und Guan (wie bei den meisten muslimischen Völkern war es auch in Westafrika lange Zeit üblich, die eigene Sprache mit arabischen Lettern zu schreiben – man findet diese Praxis von Westafrika bis zu den muslimischen Minderheiten in Nordchina).

Die traditionellen Moscheen Ghanas sind die für die gesamte Region des Sudan (gemeint ist hiermit Westafrika, nicht das Land Sudan) typischen Lehmbauten. Inzwischen werden sie jedoch von moderneren Betonbauten abgelöst; im Norden Ghanas stehen noch etwa dreißig Moscheen in diesem traditionellen Baustil, von denen die Freitagsmoscheen in Larabanga (die älteste Moschee Ghanas) und Bole (in der Region Gonjas) als besonders sehenswert gelten.

 

 

 

(Die Moschee von Larabanga)

 

Zum Abschluss wünsche ich der ghanaischen Nationalmannschaft auch bei dieser Weltmeisterschaft alles Gute – und dass sie weiterhin den besonderen Platz im Herzen vieler Fussballfans, den sie sich 2006 erspielt hat, behält.

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Hussein Hamdan M.A., geb. 1979 studierte Islam- und Religionswissenschaft sowie Irankunde in Tübingen und schloss sein Studium 2007 mit einem Magister ab. Anschließend folgte, ebenfalls an der Universität Tübingen, die Doktorarbeit über das Wirken der Azhar-Universität im christlichen-islamischen Dialog, die im März 2013 abgeschlossen wurde. Hussein Hamdan war die ersten beiden Jahre seiner Promotion Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, ehe er 2009 für zwei Jahre Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für interkulturelle Kommunikation in Heidelberg wurde. Dort verfasste er u.a. den Band „Muslime in Deutschland. Geschichte, Gegenwart und Chancen“. Aktuell ist er an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart angestellt und für das Projekt „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Junge Muslime als Partner“ verantwortlich. Hussein Hamdan ist Autor und Sprecher der Kolumne „Islam in Deutschland“ (SWR) und Referent zu diversen Themen des Islam. Seine Schwerpunkte sind Muslime in Deutschland, Interreligiöser Dialog, Humor im Islam sowie Einführungen in die Grundlagen, Quellen und Geschichte des Islam. Zudem ist er Mitglied des Runden Tischs Islam von Integrationsministerin Bilkay Öney in Baden-Württemberg. Hamdan hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen des interreligiösen und interkulturellen Dialogs engagiert. Von 2004-2007 moderierte er in Tübingen den Arabisch-Amerikanischen Dialog. Aktuell ist er Vorstandsmitglied des Bendorfer Forums.

7 Kommentare

  1. @ Max Heidelberger

    An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei meinem Gastautoren Max Heidelberger für diesen sehr schönen Artikel bedanken.
    Max Heidelberger ist ebenfalls Tübinger Islamwissenschaftler und promviert zum Thema “Die Kodifizierung des Rechts im osmanischen Reich des 19. Jahrhunderts.”
    Ich hoffe, dass ich dich lieber Max in Zukunft für weitere Gastbeiträge gewinnen kann.

  2. Ghana beim Fußballspielen zuschauen und diesen Text hier lesen. Das paßt gut zusammen.

    Anscheinend können die verschiedenen Religionen in Ghana friedlich nebeneinander existieren. Es gibt ja auch viele Christen dort. Die Mehrheit der Bevölkerung scheint wohl christlich zu sein.

  3. @martin Huhn

    Danke für Das nette Lob.

    Soviel ich weiss, ist die Mehrheit der Ghanaer christlich, gefolgt von den Anhängern von Naturreligionen. Was den Eindruck angeht, dass das Zusammenleben der verschiedenen Religionen in Ghana problemlos abläuft, kann ich darauf verweisen, dass bisher alle Ghanaer, die ich kennengelernt habe, bestätigt haben, dass es in diesem Bereich keine Probleme gibt.

  4. @ Ghana

    Ja, sie hätten es verdient gehabt. Es wäre für ganz Afrika so schön gewesen, wenn sich Ghana fürs Halbfinale qualifiziert hätte. Schade!
    Hoffentlich machen es unsere Jungs heute besser.

  5. Moscheen und Universitäten

    Ein interessanter Artikel von Max Heidelberger, den ich gleich mal “verpingen” werde. Ich habe in meinen Artikel “Die Sankoré-Schriften” etwas über den Islam und die mittelalterliche Sankoré Universität in Timbuktu, Mali geschrieben.

    http://www.wissenslogs.de/…/die-sankor-schriften

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