Islamic Banking (Teil III) Islamische Finanztechniken als wirtschaftsfördernde Instrumente?

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In Teil I und II haben wir uns mit dem riba- bzw. Zinsverbot als Grundlage für die Etablierung eines islamischen zinsfreien Banksystems auseinandergesetzt. Dieser letzte Teil verfolgt das Ziel, die wichtigsten islamischen Finanzinstrumente darzustellen, welche in den Augen der Theoretiker des Islamic Banking als Ersatz für die konventionellen Zinsgeschäfte gelten und eine entscheidende Rolle bei der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung innerhalb islamischer Gesellschaften spielen sollen. Es handelt sich hierbei um mudaraba, muscharaka und murabaha.
Während mudaraba und muscharaka die Elemente des islamischen Grundsatzes  der Gewinn- und Verlustbeteiligung, welches nach der Ägyptischen Studie über islamische Banken den Zins ersetzen soll, darstellen, handelt es sich bei murabaha um das gängigste Finanzierungsinstrument in der Praxis islamischer Banken. Inwieweit wirken islamische Banken durch die Anwendung dieser Finanzinstrumente wirtschaftsfördernd? Schließlich sieht die Ägyptische Studie über islamische Banken – dank der die Idee des Islamic Banking überhaupt umgesetzt wurde – vor, dass islamische Banken eine besondere gesellschaftliche Verantwortung zu tragen haben. Sie sollten nämlich als Schlüssel für die wirtschaftliche Entwicklung islamischer Staaten agieren. Somit haben die islamischen Banken eine von entwicklungspolitischen Aspekten gefärbte Aufgabe zu meistern.    
Mudaraba kann mit „stiller Gesellschaft“ oder „commenda partnership“ übersetzt werden. Die bekanntesten sunnitischen Rechtsschulen beschreiben mudaraba generell als einen Vertrag zwischen zwei Parteien, nämlich dem Investor bzw. Kapitalgeber und dem Unternehmer. Der Investor stellt Kapital zu Verfügung, während der Unternehmer Arbeit, Zeit und Wissen einbringt und das bereitgestellte Kapital in ein unternehmerisches profitbringendes Projekt investiert. Dem islamischen Recht zufolge besteht das essentielle Gepräge eines mudaraba-Vertrages darin, dass zu Beginn der unternehmerischen Aktivität die Parteien einen bestimmten Anteil am eventuellen Gewinn festlegen müssen. Führt das Geschäft hingegen zu finanziellen Verlusten, so sind diese ausschließlich vom Kapitalgeber zu tragen. Die Haftung ist hierbei aber nur auf die Höhe des bereitgestellten Kapitals begrenzt. Der Unternehmer haftet lediglich im Falle, dass die Verluste aufgrund seiner Misswirtschaften oder Fahrlässigkeit entstanden sind. Im Gegensatz zu mudaraba bringen die Vertragsparteien der muscharaka – meistens mit „Gesellschaft“ oder Partnerschaft“ übersetzt – Kapital ein und können zusammen das gemeinschaftliche Unternehmen führen. Prinzipiell verfügen die Gesellschafter nach  den vier sunnitischen Rechtsschulen über eine nahezu unbegrenzte Freiheit bei der Leitung des gemeinschaftlichen Projekts. Unabhängig von ihren Kapitalanteilen können sich die Partner in der Geschäftsführung engagieren. Dabei ist von essentieller Bedeutung, dass dies auf der Grundlage der gegenseitigen Zustimmung zu geschehen hat und dass das Hauptanliegen jedes Gesellschafters sein soll, das kollektive Kapital in islam-konformen produktiven Geschäften zu investieren. Ähnlich wie bei der mudaraba müssen auch hier die Anteile am eventuell erwirtschafteten Gewinn bereits zu Beginn des Projekts prozentual klargestellt werden. Sie dürfen ebenfalls nicht in bestimmten Geldsummen ausgedrückt werden, da diese womöglich den gesamten Gewinn übersteigen. Falls die gemeinschaftliche Aktivität Verluste macht, so sind diese nach den Kapitalanteilen zu tragen.
Zu bemerken ist allerdings, dass sich die Ableitung der Rechtmäßigkeit sowohl der mudaraba als auch der muscharaka aus dem Koran und der Sunna als problematisch erweist. Denn weder der Koran noch die Sunna behandeln in direkter Weise diese beiden Finanztechniken. Ihre Wurzeln liegen vielmehr im Geschäftsleben der Araber vorislamischer Zeit. Beide Finanztechniken wurden damals überwiegend zur Finanzierung des Fernhandels angewendet. Der rechtliche Rahmen, welchem mudaraba und muscharaka seit dem Aufkommen des Islam zu unterliegen haben, wurde erst im Laufe der Entstehung des islamischen Rechtssystems entwickelt.
Nach der Auffassung der klassischen muslimischen Rechtsgelehrten weisen mudaraba und muscharaka eine weitere Gemeinsamkeit auf. In ihrem Wesen sollten sie beide auf dem Prinzip der Treuhänderschaft beruhen, was bedeutet, dass bei der Durchführung von auf solchen Finanzinstrumenten basierenden Transaktionen die Forderung jeglicher Bürgschaften absolut verboten ist. Vielmehr soll dem Unternehmer eines mudaraba-Vertrags und dem Partner in einer muscharaka-Transaktion Freiheit bei der Geschäftsführung gewährleistet werden, da diese schließlich im Sinne des Erzielens von Profit zu handeln haben. Ihnen Bedingungen aufzuerlegen, wird im Sinne des islamischen Rechts prinzipiell als Beeinträchtigung dieses Ziels verstanden.
In der Praxis des Islamic Banking sind mudaraba und muscharaka übernommen worden. Es lässt sich hier allerdings eine Modifizierung zugunsten islamischer Banken feststellen, so dass
nicht mehr von einer vom Ertrag her offenen mudaraba oder muscharaka die Rede sein kann. Bei einer mudaraba nimmt die islamische Bank die Rolle des Kapitalsgebers wahr, während der Bankkunde als Unternehmer bezeichnet wird. Die Bank kann aber auch als Unternehmer agieren, wenn sie in ihrem Passivgeschäft Gelder auf Basis der mudaraba einnimmt. Diese Gelder können von der Bank in Rahmen einer weiteren mudaraba an Dritte bereitgestellt werden. Hierbei fungiert die islamische Bank im Grunde genommen als Vermittler. In solch einer Transaktion darf sich der Vermittler nach der herrschenden Meinung sunnitischer Gelehrter am Gewinn nicht beteiligen, da von ihm weder Kapital noch Arbeit geleistet wird, wodurch sich nach dem islamischen Recht der Anspruch auf die Beteiligung am Gewinn legitimieren lässt. Dennoch kassieren islamische Banken wie selbstverständlich einen Anteil des Gesamtgewinns ein.
Wie bereits erwähnt, sollen nach dem islamischen Recht die Partner einer muscharaka Kapital und Arbeit einbringen und in einem profitbringenden Projekt investieren. In den meisten Fällen stellt allerdings die Bank ihrem Kunden das Kapital, das er für die Durchführung seines geschäftlichen Vorhabens noch benötigt und überlässt ihm vollständig das Unternehmensmanagement. Die aus mudaraba und muscharaka erzielten Gewinne werden jeweils nach vorab vereinbarten Bedingungen verteilt. Im Verlustfall haftet bei der mudaraba allein die Bank als Kapitalgeber, bei der muscharaka sind die Verluste nach den geleisteten Kapitalanteilen zu tragen. Islamischen Banken kalkulieren bereits im Voraus ihre Gewinnanteile an solchen Transaktionen und unternehmen allerdings Vieles, um sich vor eventuellen Verlusten aus solchen Transaktionen zu schützen. So diktieren sie bereits beim Abschluss des Vertrags ihrem Kunden Bedingungen, welche  offensichtlich dazu dienen, die Rückzahlung des bereitgestellten Kapitals sowie auch ihre Gewinnanteile bestmöglich abzusichern. Jedoch beeinträchtigen diese Bedingungen erheblich die Freiheit der Bankkunden, welche ihm das islamische Recht bei der Durchführung der mudaraba und muscharaka theoretisch gewährt.  
Die Ägyptische Studie über Islamic Banking sieht vor, dass islamische Banken durch die Anwendung der mudaraba und muscharaka in der Lage sein werden, wirtschaftsfördernd auf islamische Staaten wirken zu können. Diese Vorstellung ist mit der Wirklichkeit dieser Banken kaum zu vereinbaren. Mudaraba und muscharaka spielen im Aktivgeschäft islamischer Banken eine untergeordnete Rolle. Längst bedienen sich islamische Banken zunehmend anderer Vertragstypen wie der murabaha. Bei solchen Verträgen können die Banken generell einen sicheren Gewinn ohne jegliche Beteiligung am unternehmerischen Risiko erzielen. Zudem werden mudaraba und muscharaka fast ausschließlich zur Finanzierung von kurzfristigen Handelsgeschäften verwendet. Projekte wie im Bereich der Industrie oder der Agrikultur, welche auf die Wirtschaft de facto entwicklungsfördernd wirken können, werden hingegen auf der Basis der mudaraba und muscharaka kaum finanziert. Nicht selten wird dies mit dem Verhalten der Unternehmer begründet. Geschäftsleute und Existenzgründer hätten eine geringe Geschäftsmoral. Ihnen würden daher islamische Banken  nicht trauen. Allein das Verhalten der Banken oder der  Unternehmer hierfür verantwortlich zu machen, wäre sicherlich zu einfach. Denn das Prinzip der Gewinn- und Verlustbeteiligung birgt selbst zahlreiche technische Probleme, die seine Praktizierung als Ersatz für Bankzinsen im Gunde genommen fast unmöglich machen und die teilweise von manchen Theoretikern des Islamic Banking anerkannt werden. Würden sich die islamischen Banken in irgendeiner Weise an der Geschäftsführung der durch das Prinzip der Gewinn- und Verlustbeteiligung finanzierten Projekte beteiligen, so müssten sie unzählige Experten einstellen, die über unternehmerisches Wissen verfügen. Es würden somit zusätzliche Kosten entstehen, die solche Transaktionen unattraktiv machen würden. Primär aus diesem Grund ist eine weitgehende Umsetzung des Prinzips der Gewinn- und Verlustbeteiligung infrage zu stellen. Wenn sich islamische Banken auch tatsächlich für die Teilnahme an der Geschäftsführung produktiver Projekte engagieren und die zusätzlich verursachten Kosten im Kauf nehmen würden, wäre dies dennoch aus Sicht des Unternehmers kaum zu akzeptieren. Denn im Vergleich zum konventionellen Bankensystem müssten nun islamische Banken mehr Informationen über die unternehmerische Aktivität anfordern und würden womöglich Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen ihres Kunden ausüben. Ein solches Verhalten würde die Unternehmer, die in der Regel nach äußerster Freiheit bei der Leitung ihrer durch Fremdkapital finanzierten Geschäfte streben, abschrecken. Zudem verfügt jedes Unternehmen über gewisse schutzwürdige Informationen, die vor allen das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis betreffen. Diese Informationen prägen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und dürfen somit keineswegs der Öffentlichkeit zugänglich sein. Die Beteiligung der Bank an der Geschäftsführung könnte den Schutz derartiger Informationen erschweren, was wiederum den Unternehmern zusätzliche Bedenken bezüglich der Finanzierung ihrer Projekte durch das Prinzip der Gewinn- und Verlustbeteiligung bereiten würde. Ist nun die murabaha, das weitverbreitetste Finanzierungsinstrument in der Praxis islamischer Banken, für Unternehmer attraktiver und kann sie ihre Ansprüche zufrieden stellen?
Murabaha wird meistens mit „doppeltes Kaufgeschäft mit Aufschlag“ übersetzt. Sie wird in den klassischen Rechtskompendien generell als eine Form des Veräußerungsgeschäfts verstanden. Dabei erwirbt Käufer A (meistens im Auftrag des Käufers B) eine bestimmte Ware und verkauft sie an Käufer B mit einem Aufschlag auf den von ihm bereits bezahlten Kaufpreis zurück. Käufer A fungiert somit wie ein Zwischenhändler. Als solche kommt die murabaha weder im Koran noch in der Sunna vor. Dennoch gilt sie nach der überwiegenden Meinung der islamischen Rechtsgelehrten als erlaubt. Dies wird vor allem dadurch legitimiert, dass das Veräußerungsgeschäft bzw. Handel an mehreren Stellen im Koran und in der Sunna erwähnt und gutgeheißen wird. In diesem Zusammenhang wird oft der Vers 2,275: „Gott hat aber das Veräußerungsgeschäft erlaubt und riba verboten“ zitiert. In der Praxis islamischer Banken wird murbaha ähnlich wie in klassischer Zeit praktiziert. Die Bank handelt im Auftrag ihres Kunden. Dieser beschreibt ihr in einer deutlichen Weise die Ware, die er sich auf der Grundlage einer murabaha-Transaktion anschaffen will, und nennt ihr den gewünschten Verkäufer. Daraufhin kauft die Bank die Ware in ihrem Namen beim Verkäufer und verkauft sie an den Kunden inklusive eines vorher mit ihm vereinbarten Gewinnzuschlags. Es gibt jedoch einen konstitutiven Unterschied zwischen der murabaha im klassischen Sinne und der islamischer Banken. Während es dem Käufer B im klassischen murabaha-Modell in erster Linie darum geht, sich des geschäftlichen Geschicks des erfahrenen Käufers A zu bedienen, wendet sich der Kunde an die islamische Bank, weil er offensichtlich die zum Kauf der Ware benötigte Geldsumme nicht besitzt. Letztlich fließt das von der Bank zur Verfügung gestellte Geld nicht unmittelbar nach dem Kauf der Ware zurück, sonder im Regelfall ratenweise.
Murabaha, wie sie von islamischen Banken praktiziert wird, ist unter den muslimischen Gelehrten und den Theoretikern des Islamic Banking hoch umstritten. Der wichtigste Kritikpunkt, welcher in diesem Zusammenhang konstatiert wird, besteht darin, dass der Gewinnaufschlag in der murabaha dem festen konventionellen Zinssatz gleichkommt. Durch murabaha-Transaktionen erzielten islamische Banken sichere Gewinne und gingen dabei keinerlei Risiken ein, welche ihren Gewinnaufschlag rechtfertigten. Die murabaha-Transaktionen der islamischen Banken öffneten somit eine Hintertür zum riba und entsprächen dem herkömmlichen Darlehensgeschäft. Trotz dieser Kritik nimmt die murabaha eine dominierende Position im Aktivgeschäft islamischer Banken ein. Murabaha kann in der Praxis islamischer Banken prinzipiell als Pendant zu konventioneller konsumtiver und produktiver Kreditvergabe betrachtet werden.

Von einer ökonomischen Betrachtungsweise ausgehend, kann die murabaha die gleiche Funktion wie konventionelle Darlehen erfüllen, welche zur Finanzierung von kurz- und mittelfristigen Konsumwünschen der Privathaushalte eingesetzt werden. Die Einschränkungen, die sich für die Muslime aufgrund des absoluten riba- bzw. Zinsverbots ergeben, könnten somit zumindest bei der Finanzierung von Waren, die den Privatkonsum betreffen, vermieden werden. Sie ist allerdings nicht dazu geeignet, den Problemen von Unternehmen gerecht zu werden. Auf der Basis der murabaha kann die Nachfrage der Unternehmen nach Investitionskapital, welches naturgemäß langfristig gebunden ist, nicht befriedigt werden. Unternehmen können von der murabaha höchstens zur Finanzierung ihrer Realkapitalanforderungen Gebrauch machen. Außerdem kann die murabaha ihrer Beschaffenheit halber für Firmen, die ihre Geschäfte im Bereich der Dienstleistung abwickeln, kaum infrage kommen.  

   

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Hussein Hamdan M.A., geb. 1979 studierte Islam- und Religionswissenschaft sowie Irankunde in Tübingen und schloss sein Studium 2007 mit einem Magister ab. Anschließend folgte, ebenfalls an der Universität Tübingen, die Doktorarbeit über das Wirken der Azhar-Universität im christlichen-islamischen Dialog, die im März 2013 abgeschlossen wurde. Hussein Hamdan war die ersten beiden Jahre seiner Promotion Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, ehe er 2009 für zwei Jahre Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für interkulturelle Kommunikation in Heidelberg wurde. Dort verfasste er u.a. den Band „Muslime in Deutschland. Geschichte, Gegenwart und Chancen“. Aktuell ist er an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart angestellt und für das Projekt „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Junge Muslime als Partner“ verantwortlich. Hussein Hamdan ist Autor und Sprecher der Kolumne „Islam in Deutschland“ (SWR) und Referent zu diversen Themen des Islam. Seine Schwerpunkte sind Muslime in Deutschland, Interreligiöser Dialog, Humor im Islam sowie Einführungen in die Grundlagen, Quellen und Geschichte des Islam. Zudem ist er Mitglied des Runden Tischs Islam von Integrationsministerin Bilkay Öney in Baden-Württemberg. Hamdan hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen des interreligiösen und interkulturellen Dialogs engagiert. Von 2004-2007 moderierte er in Tübingen den Arabisch-Amerikanischen Dialog. Aktuell ist er Vorstandsmitglied des Bendorfer Forums.

3 Kommentare

  1. @ Abdelaali

    Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei meinem Gastautoren, Abdelaali El-Maghraoui für diese sehr interessante Artikelreihe herzlich bedanken.
    Ich hoffe, dass auch dieser letzte Teil viele Leser findet.

  2. @ Hussein Hamdan

    Enbenfalls bedanke ich mich ganz herzlich bei dir Hussein dafür, dass du mich in deinem Blog als Gastautor aufgenommen hast.
    Dir alles alles Gute in Kairo; den Lesern wünsche ich viel Spaß beim Lesen.

  3. Interessant, doch nicht am Ziel

    Für mich als Nicht-moslem ein hochinteressanter Text, vielen Dank.

    Die Praxis islamischer Banken, ihre Geschäfte im wesentlichen mit Murabaha zu machen, ist allerdings desillusionierend: Offenbar liegt der volkswirtschaftlich größte Nutzen genau da, wo auch der festverzinste Kredit ansetzt. Es hat keinen Sinn, an dieser Stelle blinde Kuh zu spielen – wie Sie richtig sagen ist das ökonomisch das gleiche wie ein fester Zins.

    Folgende Anregung möchte ich als studierter säularer Jurist mit auf den Weg geben: Die Probleme der Schuldknechtschaft existierten zu Zeiten des Propheten Mohammed in Arabien genau so wie heute auf der ganzen Welt. In modernen Rechtsordnungen “lösen” wir das Problem der Verarmung und Versklavung von Menschen infolge von Schulden durch eine humanere Regelung der Verhältnisse von Schuldner und Gläubiger:

    1) Vollstreckungsrecht
    Anders als im europäischen Mittelalter, wo der säumige Schuldner im “Schuldturm” inhaftiert wurde oder der antiken/vorislamischen Zeit, wo er sogar in die Sklaverei verkauft werden konnte, behält der Schuldner nach jedem westlichen Vollstreckungsrecht ein Grundeinkommen. Dieses liegt in Deutschland sogar ein ganzes Stück höher, als die Existenzsicherung durch ALG II, bei etwa 900 EUR. Das entspricht dem grundrechtlichen Verständnis von Menschenwürde (Art 1 I GG) – der Mensch wird nicht zum Objekt und Opfer seiner Zahlungspflicht.

    2) Privatinsolvenz
    Ist eine natürliche Person nicht mehr in der Lage, ihre Schulden zu bezahlen, so kann Sie Privatinsolvenz beantragen. Das heißt nicht, dass die Schulden einfach erlassen werden: In einer 7jährigen Wohlverhaltensperioden muss der Schuldner jegliche zumutbare Anstrengung unternehmen, seine Schulden zurückzubezahlen. Verstößt er dagegen mutwillig (etwa: Betrug, ungenehmigte neue Schulden), bleibt er verpflichtet, andernfalls erhält er danach eine Restschuldbefreiung, d.h. er ist schuldenfrei und kann neu beginnen. Ich bin kein Moslem, aber ich könnte mir vorstellen, dass dem Propheten eine ähnlich faire Lösung für die verarmten Schuldner in Medina gefallen hätte, Gott aber die Leser des poetischen Quran nicht mit technischen Details zum Umfang der Wohlverhaltenspflichten langweilen wollte.

    3) Beschränkte Haftung im Geschäftsleben
    Flankierend greift die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung bei Gründung einer Gesellschaft ein: Der Kaufmann kann durch Umstände, für die er nichts kann, hohe Verluste machen (Krieg, Naturkatastrophen) und in Schulden geraten. Um nicht dem Risiko der Vernichtung der Existenz ausgesetzt zu sein, kann er sein unternehmerisches Risiko auf seine Kapitaleinlage beschränken, in einer GmbH (oder -gestreuter- in einer AG).

    Soweit der Ausflug in das deutsche/westliche Recht der Gegenwart. Auch hier ist nicht alles perfekt. Mir kommt die Galle hoch, wenn ich offensive Werbung für Verbraucher-konsumkredite in meinem Briefkasten habe.

    Ich fürchte nur – wie Sie wohl auch -, dass die Informations- und Interessenasymmetrie zwischen Bank und Kunden/Partner nicht durch das gegenwärtige Islamic Banking lösbar ist. Es spricht volkswirtschaftlich zu viel gegen eine unternehmerische Betätigung der Kapitalsammelstellen (Banken).

    Umso mehr habe ich jedoch den Eindruck, dass intelligente Geister auf beiden Seiten durch einen Dialog über die Bedürfnisse der Menschen, für die die Wirtschaft letztlich ja da ist, zu gerechten Lösungen gelangen werden.

    Für Ihren Blog weiterhin alles Gute,
    R. Bauer

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