Geschichte des Islams in Deutschland

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Seit einigen Monaten wird die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, kontrovers diskutiert. Mittlerweile werden Vortragsabende und Plenumsdiskussionen zu diesem Thema veranstaltet. Ich selbst bin in letzter Zeit zu verschiedenen Anlässen mit dieser Frage konfrontiert worden.

Ausgangspunkt dieser Debatte ist die Rede des Bundespräsidenten zum Tag der deutschen Einheit. Darin erklärte er, dass das Christentum und das Judentum zweifelsfrei zu Deutschland gehören würden. Inzwischen gehöre aber auch der Islam zu Deutschland.

Während er von den einen Zustimmung bekam, erntete er von den anderen heftig Kritik. Die Hauptargumente der Kritiker beziehen sich auf die christlich-jüdische abendländische Leitkultur Deutschlands. Außerdem könne der Islam gar nicht zu Deutschland gehören, da er keine historische Tradition in diesem Land habe.

Dass der Islam keine historische Tradition hierzulande hat, ist schnell bewiesen und ich glaube nicht, dass der Bundespräsident ihm diese zusprechen wollte.

Dennoch hat muslimisches Leben eine nachweisbare Geschichte in Deutschland und die sollte man nicht übersehen.

In der Literatur zu Muslimen in Deutschland wird immer wieder eine kurze Darstellung zu diesem Thema angeboten. Wer sich aber damit etwas ausführlicher auseinandersetzen möchte, dem kann ich das Buch „Geschichte des Islams in Deutschland“ von Muhammad Salih Abdullah aus dem Jahre 1981 empfehlen. Das erste Kapitel „Geschichtliche Entwicklung“ ist hierbei besonders spannend, da es auf etwa fünfzig Seiten einen sehr schönen Überblick über die Situation der ersten nachweisbaren Muslime in Deutschland bis zur Arbeitsmigration gibt.

Das Buch beginnt mit einer kurzen, aber sehr interessanten Erwähnung der ersten deutsch-islamischen Beziehungen, die bis in das 8. Jahrhundert zurückreichen. Damals hatte Karl der Große mit dem wohl bekanntesten Abbasidenkalifen Harun al-Rashid (reg. 786-809) diplomatische Beziehungen aufgenommen. Mehr Informationen gibt Abdullah hierzu nicht.

Dann berichtet er über den toleranten Umgang der preußischen Herrscher mit den Muslimen auf deutschen Boden und ihr Verhältnis zum Osmanischen Reich, bevor er mit der Situation der muslimischen Kriegsgefangenen, die im Zuge der Türkenkriege nach Deutschland gebracht und zum Teil getauft wurden und sich in die deutsche Gesellschaft integrierten, fortfährt. Dem folgt eine Schilderung des „Mohammedanischen Gefangenenlagers“ in Wünsdorf bei Zossen, nahe Berlin im ersten Weltkrieg und der Entstehung der Wünsdorfer Moschee, die als erster muslimischer Sakralbau in Deutschland gilt. Danach geht es um die muslimischen Gemeindeentwicklungen zwischen den Weltkriegen und die Ausbildung von muslimischen Geistlichen in den sogenannten „Mullah-Schulen“ der Wehrmacht.

Die drei weiteren Kapitel des Buches behandeln die Islamische Präsenz im Jahre 1980/81, die Anerkennungsfrage des Islam und den Dialog zwischen Christen und Muslimen in Deutschland.

Abdullah macht an vielen Stellen seines Buches auf deutsche Konvertiten aufmerksam. Da das 19. Jahrhundert in Bezug auf die muslimische Präsenz nicht so ereignisreich ist, füllt er die Lücke mit dem Unterkapitel „Unvergessene und verdiente deutsche Moslems“. Darin beschreibt er in jeweils wenigen Sätzen das Leben von vier deutschen Muslimen.

An manchen Stellen neigt er auch zu etwas übertriebenen Aussagen. So datiert er die erste muslimische Gemeindegründung ins Jahr 1731, als der Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. zwanzig türkische Soldaten geschenkt bekam und dieser daraufhin den Soldaten einen Saal als Moschee überlassen haben soll. Neuere Recherchen widerlegen die Historizität dieses Ereignisses.

Dennoch gibt dieses Buch den bisher ausführlichsten Bericht zu diesem Thema. Es ist humorvoll geschrieben und lässt sich einfach und flüssig lesen. Als glänzend geschrieben bewertet die Islamwissenschaftlerin Ursula Spuler-Stegemann Abdullahs Werk.

Der Autor ist Journalist und Fachreferent für Islam im ökumenischen Bereich. Sein Arbeitsschwerpunkt ist dem Islam in Deutschland und dem interreligiösen Dialog gewidmet. Seit 1971 leitet er das Zentralinstitut Islam-Archiv Deutschland.

Weitere Titel von ihm sind unter anderem:

– … und gab ihnen sein Königswort. Berlin-Preußen-Bundesrepublik. Ein Abriß der Geschichte der islamischen Minderheit in Deutschland. (1987)

– Was will der Islam in Deutschland? (1993)

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Hussein Hamdan M.A., geb. 1979 studierte Islam- und Religionswissenschaft sowie Irankunde in Tübingen und schloss sein Studium 2007 mit einem Magister ab. Anschließend folgte, ebenfalls an der Universität Tübingen, die Doktorarbeit über das Wirken der Azhar-Universität im christlichen-islamischen Dialog, die im März 2013 abgeschlossen wurde. Hussein Hamdan war die ersten beiden Jahre seiner Promotion Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung, ehe er 2009 für zwei Jahre Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für interkulturelle Kommunikation in Heidelberg wurde. Dort verfasste er u.a. den Band „Muslime in Deutschland. Geschichte, Gegenwart und Chancen“. Aktuell ist er an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart angestellt und für das Projekt „Gesellschaft gemeinsam gestalten – Junge Muslime als Partner“ verantwortlich. Hussein Hamdan ist Autor und Sprecher der Kolumne „Islam in Deutschland“ (SWR) und Referent zu diversen Themen des Islam. Seine Schwerpunkte sind Muslime in Deutschland, Interreligiöser Dialog, Humor im Islam sowie Einführungen in die Grundlagen, Quellen und Geschichte des Islam. Zudem ist er Mitglied des Runden Tischs Islam von Integrationsministerin Bilkay Öney in Baden-Württemberg. Hamdan hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen des interreligiösen und interkulturellen Dialogs engagiert. Von 2004-2007 moderierte er in Tübingen den Arabisch-Amerikanischen Dialog. Aktuell ist er Vorstandsmitglied des Bendorfer Forums.

6 Kommentare

  1. Kontakte zum Islam

    Tatsächlich sind die Kontakte die der Sachsenkaiser Otto I. zum Kalifat/Emirat Córdoba hatte besser dokumentiert und anschaulicher als die märchenhafte Gesandtschaft zu Zeiten des Frankenkaisers Karl. Eine Garnison Freischärler im Dienste Córdobas stand in Genf (archäologisch nachgewiesen) und der Kalif forderte Otto I. zum Übertritt zum Islam auf. Der ottonischen Gesandtschaft wurde der ganze Glanz und die Macht des spanischen Reiches demonstriert, ein Ausflug in eine andere Welt. Allerdings blieb Otto standhaft und Christ.
    Die nächste Begegnung zwischen Islam und Ottonen fand in Süditalien bereits auf dem Schlachtfeld statt. Die Sachsen und Deutschen unter Otto II. verloren, aber der Kaiser konnte sich retten. Ab da waren die Beziehungen etwas gespannt, könnte man sagen …
    zum Glück hat sich das inzwischen gebessert. Was der Papst wohl gesagt hätte, wenn Otto I. damals doch … ?

  2. Der Islam und Deutschland

    In der Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, stehe ich klar auf der Seite von Wolfgang Schäuble und Bundespräsident Christian Wulff.

    Natürlich tut er das – und zwar seit vielen Jahrzehnten durch eine wachsende Zahl von Muslimen (zunehmend Deutsche im Sinne des Grundgesetzes) und auch schon in Jahrhunderten davor durch kulturelle Einflüsse – wie zum Beispiel das arabische Ziffernsystem oder den Rosenkranz.

    Zu historischen Argumenten nur soviel: Der erste Fussballclub in Deutschland ist für das Jahr 1874 belegt – und wurde von Migranten (Engländern) begründet.
    http://de.wikipedia.org/…3%9Fball_in_Deutschland

    Gehört heute Fussball zu Deutschland? Selbstverständlich! Und Deutschland ist längst so bunt wie seine Nationalmannschaft.

    Darauf einen Harris-Augenblick… 😉
    http://www.youtube.com/watch?v=5t71H4FE0eM

    Herzliche Grüße!

  3. griechisch/römisches Kulturerbe

    Manche Menschen verweisen auf das griechisch/römische Kulturerbe und christliche Traditionen um europäische von islamischen Kulturen abzugrenzen.
    Hierbei sollte man aber nicht vergessen, dass viele Schriften nur über den Umweg über islamische Gelehrte/Übersetzer zum europäischen Kulturerbe werden konnten; da sie sonst verschollen wären.
    Diese islamische Basis unserer Kultur sollte man nie vergessen.
    Und – woher haben wir z.B. das Papier, das Schießpulver, die Null? : alles über den arabisch+islamischen Umweg erhalten

  4. @unruhiger

    Tja, da kann man mal sehen, wie dumpf Nationalisten aller Couleur sind, nicht wahr, lieber @unruhiger?

    Betrachten Sie Ihre eigene “Logik”: Einerseits attackieren Sie den Dialog und Muslime wie Hussein Hamdan, die sich für ein besseres Miteinander engagieren. Und andererseits “beklagen” Sie das fehlende Miteinander. Wenn Özil für unsere deutsche Nationalmannschaft Tore schießt, beklagen Sie das – und wenn Türken nicht für Deutschland sind, auch. Ja, wat denn nu? Wenn Sie Ausgrenzung wollen, beklagen Sie doch nicht scheinheilig deren Folgen.

    Von mir dazu eine klare Ansage: Jede Form von Rassismus, Extremismus oder Nationalismus ist von übel – ganz egal, ob sie z.B. von Deutschen oder Türken ausgeübt wird.

  5. Geschichte des Islams in Deutschland

    Lieber Hussein,

    wieder ein sehr guter Beitrag. Find ich gut von Herrn Blume, die Erklaerung uebern Fussball 😉

    Lieber Gruss,

    Charly

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