Holzofenbrot

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Denkmale

Früher war alles besser. Zum Beispiel das Brot, oder genauer – das Holzofenbrot. Aber wer weiß, wie das Brot damals geschmeckt hat?

Noch wie richtiges Brot und deshalb besonders gut, glauben wir Verbraucher offenbar, das war jedenfalls beim „Holzofenforum des Deutschen Bäckerhandwerks“ (2012) die Antwort auf die Frage „Warum den Kunden der Preis egal ist, sobald ein Holzofen raucht“. Während der Verbraucher sich heute vom Bäcker vorwiegend hinters Licht geführt fühle („Bäcker backen nicht mehr selbst, sie verwenden nur noch Backmischungen und Zusatzstoffe“), vermute er in der Vergangenheit  unverfälschtes,  grundehrliches Handwerk.

Holzofenbrot

Und für das Handwerk des Brotbäckers stand bis vor etwa 120 Jahren das Backen im Holzbackofen. Das bedeutete, dass das Brot im selben Raum gebacken wurde, in dem auch die Befeuerung stattgefunden hatte. Der Backraum wurde mit dem Holzfeuer auf Temperatur gebracht, dann wurden Glut und Asche ausgeräumt,  die Teiglaibe eingeschoben und per Strahlungswärme gebacken. Seit 1890 wurde diese Methode durch indirekt beheizte Öfen abgelöst. Aschereste und Ähnliches mussten vom Brot nun nicht mehr abgewischt werden, das Backen ging ohne lästige Rauchentwicklung in der Backstube vonstatten. Eine moderne Errungenschaft, deren Wert erst etwa 100 Jahre später in Frage gestellt wurde, als die Sehnsucht nach dem Echten und dem Ursprünglichen groß wurde.

Aber schade: Im Holzofen gebackenes Brot schmeckt nicht anders als solches, das aus dem gleichen Teig im Elektrobackofen gebacken wurde. Das stellte Prof. Michael Kleinert von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften fest, der das komplexe Gefüge von Krustenaromen und Krumenaromen untersucht hat. Es kommt beim Geschmack  offenbar vor allem auf den Teig und auf die richtige Temperatur an – und die kann man heute im Elektroofen punktgenau steuern. Pyrolysestoffe, die man für einen würzigen Geschmack verantwortlich machen könnte, seien flüchtig und kämen überdies mit dem Brot gar nicht in Kontakt, stellte Kleinert fest.

Der Kunde hält beim Holzofenbrot aber einen besonders herzhaft-aromatischen Geschmack für typisch – hat eine Umfrage im Auftrag der Kampffmeyer Food Innovation GmbH ergeben. Die Firma bietet nun ein spezielles Holzofenmalz an, das die Brote „deutlich geschmacksintensiver“ werden lässt. Ohne diesen Zusatz wurden die im Holzofenbrote gebackenen Brote angeblich  als „flau“ und „laff“ bewertet.

 „Holzofenbrot ist das Echte, Wahre und Unverfälschte“,  befindet Kampffmeyer trotzdem und weist auf das erhebliche Ausbaupotential des Produkts „Holzofenbrot“ hin, das wegen seines emotionalen Charakters gute Gewinne verspreche. Da der Mühlenbetrieb einer der größten Europas ist, ist anzunehmen, dass das von ihm beworbene Holzofenmalz breite Verwendung finden wird.

Es gab also ein historisches Produkt  „Holzofenbrot“, von dem wir nicht wissen wie es geschmeckt hat, aber vermutlich nicht viel anders als manches redlich im modernen Ofen gebackene Brot  (übrigens dürfte der Geschmack des Brots „früher“ stark geschwankt haben, da die Zutaten weniger standardisiert waren und Umgebungsbedingungen größeren Einfluss hatten). Echtes Holzofenbrot wäre demnach eine Enttäuschung. Folglich wird ein neuer Geschmack erschaffen, der einfach „echter“ ist als echtes Holzofenbrot, mit der Backmethode aber auch rein gar nichts zu tun hat. Wenn das Aroma den im Holzofen gebackenen Broten jetzt immer zugesetzt wird, wird es in der Wahrnehmung des Verbrauchers untrennbar mit der Backmethode verknüpft – ein zuverlässig reproduzierbarer und vermarktungsfreundlicher Geschmack.

Und den werden wir dann für den alten halten.

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

11 Kommentare

  1. Retro bedient die Virtualisierung

    Was viele Konsumenten also als Rückkehr zum Echten empfinden das – weil es einen Mehrwert darstelle – seinen Preis wert sei, ist in Wirklichkeit nichts weiter als ein Mythos, ein Ritual, welches Vorstellungen bedient, die einer Illusion entspringen. In Wirchlichkeit sind solche Retro- Hinwendungen Teil einer zunehmenden Virtualisierung unserer Welt. Einer Virtualisierung, die in letzter Konsequenz sogar eine Fort-Existenz unseres “Geistes” als Upload auf einem (fürsorglichen?) Host als Echter erscheinen lassen wird als es die erbärmliche physische Existenz im Hier und Jetzt einer Disney-Welt ist.

  2. Richtiges Brot … ?

    Ich erinnere mich noch daran, dass meine Oma frisches Brot in der kleinen Stube vor dem großen Holzofen abholte. (Und weil ich nachforschte, weiß ich, dass ich damals knapp über drei Jahre alt war. Das Backhaus wurde nicht mehr benutzt bevor ich vier wurde.) Wie die Stube aussah, weiß ich nicht mehr, dunkel war sie, für mich unheimlich, wegen der Holzgestelle, auch ob sie den Teig selbst angesetzt hat, weiß ich nicht mehr.
    Allerdings war es nicht der Geschmack – in Erinnerung blieb mir der Geruch – und der war herrlich!
    Und das macht den Zauber aus.

    Emotionen und Gerüche werden erinnert, Geschmack eher weniger, jedenfalls bei mir. Brot, das nur aus dem bestand, woraus es bestehen sollte … Der Duft von frisch gebackenem Brot ist herrlich, auch zuhause, nicht nur früher in der Backhausstraße (die heißt wirklich so) auf dem Dorf.

    Das Brot war übrigens durchaus standardisiert, weil es bei uns aus erschwinglichen Roggenmehl bestand, aus Sauerteig, der natürlich gereift war und wann er fertig war, roch man eindeutig, aus Wasser und Salz. Es war auch doppelt gebacken, die Kruste sehr dunkel.

    Ich bin, weil ich diverse Zusatzstoffe nicht vertrage, inzwischen eine Verfechterin des “slow baking” – und gutes Brot will Weile haben, Sauerteig sollte dreistufig geführt werden. Es gibt Bäcker, die das alte Handwerk beherrschen, sonst müsste ich nur selbst backen.
    So ein Malz käme mir auch zuhause nie ins Brot.

  3. Nein, früher war nicht alles besser

    Das Mutterkorn brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen.

    Aber! Wenn wir im Freilichtmuseum viele Leute sind und den Lehmbackofen anheizen, dazu Mehl von Getreide nehmen, dass ein Teilnehmer auf seinem eigenen Ökohof angebaut hat, das schmeckt es anders und besser. Ganz klar! Doch macht es deutlich wie viel Bedeutung in dem Satz “Unser tägliches Brot gib uns heute” liegt. Der Gang zum nächsten Discountbäcker zum Brot zum Discountpreis macht es vergessen. Da hilft auch kein Holzofenmehl…

    Enrique Cruzcampo

  4. Hochofenbrot

    Ich bedauere es noch heute, Jahre später, daß ich kein Foto davon gemacht habe, wie ein örtlicher Supermarkt “Hochofenbrot” abverkauft hat 😉

    Immerhin, hier in einer Stahlstadt wäre das prinzipiell möglich.

  5. Einheitsbrei

    Es scheint ein allgegenwärtiges Paradigma zu sein, dass Schwankungen im Geschmackserlebnis negativ zu bewerten sind. Das Produkt (eingeschlossen Obst und Gemüse) hat immer und zu jeder Jahreszeit genau gleich zu schmecken (was zu einer perversen Verschwendung von Nahrungsmitteln führt). Das Brot muss immer die exakt gleiche Bräunung und Elastizität haben – ja sogar der Klang der Kruste beim Aufbrechen muss immer gleich sein. Es gibt keinen anderen Bereich in unserem Leben, in dem eine vergleichbare Monotonie gefordert wird. Ist der Wunsch nach “Holzofenbrot” vielleicht nicht einfach die Sehnsucht nach Variabilität, Vielfalt und Abwechslungsreichtum?
    Wir gehen doch auch nicht im Wald spazieren, weil dort die Luft immer gleich riecht – warum soll das beim Essen anders sein?

  6. @Physiker: Nicht Brot, Holzofenbrot

    “Holzofenbrot” und ein “BMW Mini” sind aus heutiger Konsumentensicht insoweit ähnlich, als beides Produkte sind, die mit festen Erwartungen verknüpft sind. Warum auch sollte man ein Holzofenbrot kaufen, wenn es sich nicht von einem andern Brot unterscheidet. Stellt sich nun aber heraus, dass ein Holzofenbrot genau gleich schmeckt wie ein Elektroofenbrot, dann muss man den Unterschied künstlich hinzufügen um dem Holzofenbrot seinen eigenen “Auftritt” zu geben.

    Es stimmt schon, dass (Zitat)“Wir nicht im Wald spazieren gehen, weil dort die Luft immer gleich riecht”. Das hängt aber auch damit zusammen, dass der Wald noch (?) kein Produkt ist. Schon näher an einem Produkt ist dagegen ein benannter Wald bekannter Lokation wie der Teutoburger Wald. Hier gibt es bereits Erwartungen, was die umgebende Landschaft, die anzutreffenden Tiere und so weiter angeht. Wenn sie dann sagen, “das ist doch nicht der Teutoburger Wald, den ich kenne”, dann geben sie kund, dass sie mit dem vorgesetzten Produkt nicht zufrieden sind. Über eine solche Enttäuschung (“das ist doch nicht …”) kann man sich vielleicht hinwegtrösten, indem man ein Holzofenbrot aus seinem Rucksack holt und herzhaft hineinbeisst. Und am Ende des Weges wartet dann der BMW Mini, mit dem man angefahren kam. So fügt sich Produkt zu Produkt…

  7. @Martin Holzherr: Gefangen im Paradigma

    Sicher, wenn das Produkt immer gleich ist, dann kann der Kunde wohl nicht so leicht enttäuscht werden – er kann aber im Gegenzug auch nicht positiv überrascht sein. Warum gehen Sie wie selbstverständlich davon aus, dass der Kunde Monotonie gegenüber Variabilität bevorzugt?
    Oder anders ausgedrückt: warum soll mit dem “Holzofenbrot” gerade ein ganz bestimmter genormter Geschmack verbunden sein? Meiner Meinung besteht die Erwartung eher in einer grösseren Variabilität: Das Brot ist ungleichmässig gebacken, jeder Bissen schmeckt anders, jedes Brot sieht anders aus, riecht geringfügig anders etc. Das unterscheidet ja auch die Pizza beim Italiener von der Tiefkühlpizza: Individualität.
    Bei einem Auto ist die Erwartungshaltung sicher eine andere.

  8. @Physiker: Das Überrraschungsei

    Die Kaufhaltung, die sie beschreiben gibt es natürlich auch:
    “Meiner Meinung besteht die Erwartung eher in einer grösseren Variabilität: Das Brot ist ungleichmässig gebacken, jeder Bissen schmeckt anders, jedes Brot sieht anders aus, riecht geringfügig anders etc.”
    Allerdings muss sich das Holzofenbrot von einem gewöhnlichen Brot auf alle Fälle unterscheiden. Die meisten Produkte werden aber wiedergekauft, weil die Erfahrungen, die man mit ihnen verbindet, positiv sind. Jedesmal positiv überrascht werden ist möglich, allerdings vom Produkthersteller schwierig zu erreichen.
    Wichtig ist auch noch der Preis: Der Kunde will einen Gegenwert für den Preis, den er bezahlt hat. Bei einem postiven/negativen Überraschungspotential muss der Preis zur mittleren positiven Erfahrung passen.

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