Form folgt Funktion schon länger als gedacht

BLOG: Denkmale

Es gibt etwas zu sehen
Denkmale

Es ist immer so schön, wenn einem das Weltbild durcheinandergebracht wird.

Wie der oberste Grundsatz in der Kunst Wahrheit sein soll, so darf man die leeren Wände, welche aus der Bestimmung hervorgehen, nicht durch fingierte Constructionen verblenden.

Dieser Satz stammt wider Erwarten nicht aus der Feder eines der funktionalistischen Architekten des Neuen Bauens. Er ist ein Zitat aus der 1828 erschienenen Schrift „In welchem Style sollen wir bauen?“ von Heinrich Hübsch. Der war großherzoglicher Baudirektor in badischen Diensten. In seiner Schrift forderte er eine material- und funktionsgerechte Baukonstruktion, die er dem damals herrschenden, an der griechischen Antike orientierten Klassizismus entgegenstellte. Seine Argumentation hat vor allem die Aufgabe, die Vorzüge von Gewölben und Rundbogen gegenüber der klassizistischen „Horizontal-Überdeckung“ hervorzuheben. Hübsch wurde mit seinen ausgeführten Bauten (in Karlsruhe zum Beispiel dem Hauptgebäude der Universität und der Kunsthalle) einer der Hauptvertreter des Rundbogenstils und damit ausgerechnet zu einem Vorläufer des Historismus, gegen dessen überladene Dekorationen sich später der Funktionalismus des 20. Jahrhunderts richtete.

Konstruktionszeichnung Rundbogenstil Heinrich HuebschHeinrich Hübsch sah „… die architectonische Schönheit mehr in dem Zwecke selbst, in dem characteristischen Aussprechen und in der opulenten Erfüllung dieses Zwecks …” (Abbildung aus der 1828 erschienen Schrift “In welchem Style sollen wir bauen“) 

Gegenüber dem Zierbedürfnis war Hübsch eher offen, er stellte mehr oder minder nur eine Minimalforderung auf: „Obgleich nicht alles Zweckmäßige schön ist, so kann doch das Zweckwidrige unmöglich als schön angenommen werden …“.

Dammerstock Karlsruhe Neues BauenFunktionale Architektur am Beispiel Karlsruhe-Dammerstock: In der 1929 fertiggestellten Mustersiedlung des Neuen Bauens sorgt die Zeilenbauweise für optimale Ausrichtung aller Wohnungen zu Luft und Sonne.

Bei Louis Sullivan, auf dessen Überlegungen zum Hochhausbau die Maxime “Form follows function” des 20. Jahrhunderts zurückgeht, liest sich das 1896 sehr poetisch so:

Whether it be the sweeping eagle in his flight or the open apple blossom the toiling work horse, the blithe swan, the branching oak, the winding stream at its base, the drifting clouds, over all the coursing sun, form ever follows function, and this is the law.

Und als architektonische Zeugen zieht er den griechischen Tempel, die gotische Kathedrale und die mittelalterliche Burg heran. Dass die funktionalen Bauten des 20. Jahrhunderts so ganz anders aussehen, liegt neben neuen Bauaufgaben vor allem an neuen Baumaterialien wie Beton, Glas und Stahl. In dem Moment, in dem die Wand durch den Stahlskelettbau von ihren statischen Aufgaben befreit war und ihre Form gerade nicht mehr den früheren funktionellen Geboten folgen musste, konnte sie im Prinzip jede beliebige Form annehmen. In diesem Licht erscheint FFF letztlich auch als eine Art Orientierungshilfe im Umgang mit der neuen gestalterischen Freiheit.

 

 

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Ich bin Kunsthistorikerin und arbeite freiberuflich als Redakteurin/Lektorin/Autorin. Dieser Blog enthält Überlegungen und Informationen, die ich sonst nirgendwo unterbringe. Die aber rauswollen.

12 Kommentare

  1. Geist

    tatsächlich alle Menschen lieben schöne Architektur und eleganten Eindruck, aber auf der anderen Seite kann es den Eindruck, dass es seinen eigenen Reiz gestaltet verlassen, aber dennoch bleibt heinrich großartiger Mensch, dass er noch in Bau Direktor

  2. FFF

    „Form follows function“ ist ein Satz, der in seiner deskriptiven Lesart eher trivial ist. Da er ja nicht sagt, dass die Funktion die Form determiniert, sondern letztere der ersteren nur in einem lockeren Verhältnis folgt – und das gilt für (die lebendigen) Naturgegenstände ebenso wie für die Erzeugnisse des Menschen – ist es kaum möglich, etwas anderes zu behaupten.

    Kontrovers wird der Satz, wenn er als Designvorschrift verstanden wird, vor allem in den Bezügen von Bauhaus und deren Geistesverwandten, und hier speziell im Hinblick auf deren ideologischen Ablehnung des Ornaments (Adolf Loos: „Das Ornament als Verbrechen“). Erst in dieser Lesart hat die Sentenz als Programm und „Schlachtruf“ Karriere gemacht.

    Aber hier ist er eben auch bestreitbar als einseitige Parteinahme für eine bestimmte verkopfte Ästhetik der Schnörkellosigkeit. „Verkopft“ nenne ich sie deswegen, weil ihre Ästhetik nur erlebbar ist, sofern man Produkte durch die „Designerbrille“ betrachtet. Inzwischen ist diese ästhetische Position bis zum Erbrechen langweilig geworden, ganz besonders in der Architektur, aber natürlich auch in den verschiedensten anderen Designbereichen. Dass eine Glasfassade – im Unterschied zu einer klassischen Säulenordnung – überhaupt eine ästhetische Qualität haben soll, ist nicht über den Gesichtssinn, sondern nur über eine abstrakte Theorie zu vermitteln.

  3. Ästhetische Wirkung von Glasfassaden

    Da möchte ich doch sehr widersprechen. Fürs Auge ist eine Säulenordnung per se nicht schöner als eine gelungene Glassfassade. Abgesehen davon, dass niemand in der Lage ist, völlig “unverkopft” und ohne ästhetische Vorurteile zu sehen. Das Problem ist auch, wie schon Hübsch sagte, dass “nicht alles Zweckmäßige schön” ist (und nicht alles, was “modern” gebaut wird, überhaupt zweckmäßig). Auch streng funktionale Bauten können sehr wohl Aspekte wie Proportion, formale Logik und ästhetische Beziehung zur Umwelt beachten.

  4. „Da möchte ich doch sehr widersprechen. Fürs Auge ist eine Säulenordnung per se nicht schöner als eine gelungene Glassfassade.“

    Nun, über Geschmack ist bekanntlich schlecht Streiten, aber in diesem Fall gibt es auch Kriterien, die nicht rein geschmacklicher Natur sind.

    Bevor in der Moderne der Schönheitsbegriff zerlegt wurde, gab es recht greifbare Kriterien für Schönes in der bildenden Kunst. Rein formal gesehen muss ein schöner Gegenstand danach ein hinreichendes Maß an Komplexität aufweisen, wobei „hinreichend“ so definiert werden kann, dass es das unmittelbare Fassungsvermögen des Betrachters übersteigt.

    Innerhalb dieser Komplexität kommt ferner das Prinzip der Proportion zum Tragen, indem die Einzelteile zueinander und in Bezug zum Ganzen in passender Proportion stehen. Das Ganze selbst muss einer alles ordnenden Idee entspringen, welche den Einzelteilen ihr Maß zuweist. Wenn das gelingt, dann kommt die Wirkung zustande, die man mit „schön“ bezeichnet. So etwa könnte man vielleicht eine „klassische“ Auffassung von Schönheit kurz charakterisieren.

    Die Säulenordnung ist nun genau die Verwirklichung dieser Prinzipien in Bezug auf eine Fassade: Sie ist ein komplexes Gefüge, das zwar über Regeln verbunden ist, aber auch viele Spielräume zur freien Gestaltung lässt, um dem fähigen Architekten zu ermöglichen, verschiedene „Ausdruckswerte“ zu erzeugen, wie zum Beispiel „spielerisch“, „elegant“, „erhaben“, „majestätisch“ etc.

    Die Glasfassade dagegen hat nichts von diesen Eigenschaften. Sie besteht in einer monotonen Abfolge meist gleich großer oder nach simplen geometrischen Regeln variierenden Rechtecken. Um überhaupt das Prinzip „Proportion“ ins Spiel bringen zu können, ist sie bei weitem zu unterkomplex. Da kein ehrlicher Mensch behaupten wird, beim Anblick von Rechtecken ein relevantes ästhetisches Erlebnis zu haben, ist der Begriff der Schönheit hier vollkommen fehl am Platz. Die „Ästhetik“ einer Glasfassade ist offenbar ein ganz anderes Erlebnis als das des „Schönen“. So kann die Wertigkeit des Materials eine Rolle spielen, oder kalte Funktionalität einen Eigenreiz erzeugen, oder auch zur Schau gestellte Askese beim Einsatz der Mittel oder oder oder. Aber immer sind es nichtvisuelle theoretische Konzepte, die man kennen und in Erinnerung rufen muss, um solcherlei Ästhetik zu goutieren. Das nannte ich die „Designerbrille“.

    Insofern halte ich Ihren Satz für falsch: Die Glasfassade mag irgendwelche ästhetischen Qualitäten aufweisen, aber „Schönheit“ gehört sicherlich nicht dazu, das wäre eine Fehlverwendung des Begriffs „Schönheit“.

    „Abgesehen davon, dass niemand in der Lage ist, völlig “unverkopft” und ohne ästhetische Vorurteile zu sehen. “

    Das ist sicher richtig, und das macht die Beschäftigung mit diesen Fragen auch reichlich schwierig. Auch der oben von mir skizzierte „klassische“ Ansatz transportiert eine bestimmte Theorie, und es gehört für den Einzelfall ein hohes Maß an geschmacklichem Talent und künstlerischer Bildung dazu, ein sicheres Urteil zu fällen.

    „Das Problem ist auch, wie schon Hübsch sagte, dass “nicht alles Zweckmäßige schön” ist “

    Auch dieser Aspekt verdeutlicht, dass gar nicht klar ist, was der Satz „form follows function“ bedeuten soll. Er ist eine vollkommen schillernde Aussage.

    Zwar spielt auch hier die ästhetische Perspektive eine große Rolle, aber es gibt schließlich auch so etwas wie eine Industrie- oder Maschinenästhetik, die gerade in der Gesamterscheinung zweckmäßiger Konstruktionen ein eigenes ästhetisches Moment entdeckt.

    Hübsch vertritt hier möglicherweise doch eher die klassische Auffassung von Schönheit als eine, die vergleichbar wäre mit der der Futuristen.

    Aber: Wenn das Zweckmäßige nicht von Haus aus schön ist, dann muss „form follows function“, als Vorschrift genommen, bedeuten, dass der Designer die Funktion sichtbar machen oder abbilden soll, in einem eigenen Akt des Designs. Das ist aber etwas vollkommen Anderes als diese schlichte „Wahrheit“ oder „Ehrlichkeit“ unverblendeter Wände.

    Hier wäre also der Satz präskriptiv verstanden, als ästhetisches Programm. Und auch hier ist die „Ästhetik“ nur eine Perspektive, die dem Aspekt des rein Funktionalen einen Reiz abgewinnt. Schönheit im klassischen Sinne ist nicht im Blick.

  5. Transformation

    “Form folgt Funktion schon länger als gedacht”

    “Die Krankheit unserer heutigen Städte und Siedlungen ist das traurige Resultat unseres Versagens, menschliche Grundbedürfnisse über wirtschaftliche und industrielle Forderungen zu stellen.”

    Walter Gropius

    – und wenn wir den geistigen Stillstand seit der “Vertreibung aus dem Paradies” erstmal hinter uns gebracht haben, dann … 😉

  6. Form folgt Funktion

    …schon länger als gedacht.

    Was hat man denn gedacht bevor man gedacht hat, dass die Form der Funktion folgt?

    MFG
    Dr. W

  7. @fegalo @Webbaer

    @fegalo
    – “Bevor in der Moderne der Schönheitsbegriff zerlegt wurde, gab es recht greifbare Kriterien für Schönes in der bildenden Kunst.”
    Hm, ich denke, das kann man so nicht sagen. Auch ohne umständlichen Vergleich unterschiedlicher Kunsttheorien ist leicht zu sehen, dass das Verständnis dessen, was als schön erachtet wurde, auch früher schon heftigen Strömungen unterworfen war – man betrachte nur etwa Vierzehnheiligen und das Brandenburger Tor oder ein Gemälde von Rubens oder Jan Vermeer.
    – “Da kein ehrlicher Mensch behaupten wird, beim Anblick von Rechtecken ein relevantes ästhetisches Erlebnis zu haben, ist der Begriff der Schönheit hier vollkommen fehl am Platz.”
    Ohne die Gültigkeit des Prinzips des Goldenen Schnitts hier behaupten zu wollen, verweise ich doch allein schon mal auf die Euphorie, mit der die ästhetische Wirkung entsprechend proportionierter Rechtecke oft beurteilt wird.
    Dass „form follows function“ (übrigens nicht in direktem Zusammenhang stehend mit Adolf Loos‘ „Ornament und Verbrechen“) eine schillernde Aussage und an sich rein deskriptiv ist, bestreite ich nicht.

    @Webbaer
    Wenn man die Architekturgeschichte betrachtet, dann kam es letztlich immer wieder zu der Überlegung, was das ursprüngliche Wesen der Architektur ausmacht und was dementsprechend als Gestaltungsregel zu gelten habe. Auch die Architekturtheorien des Klassizismus orientierten sich – gegen die die Konstruktion bewusst verschleiernden Bemühungen des Barock – an der wesentlichen Funktion eines Gebäudes, Schutz zu bieten, und der daraus abgeleiteten „natürlichen“ Konstruktion aus vier horizontal verbundenen Pfosten, die ein Satteldach tragen, wie sie Vitruv mit der Idee seiner „Urhütte“ vorgegeben hatte. Säulen und horizontales Gebälk bestimmen danach die Schönheit jedes Gebäudes – ungeachtet der Tatsache, dass hier die für die einfache Holzkonstruktion geltenden Regeln auf den Steinbau übertragen wurden.

  8. Frau Bambach

    Säulen und horizontales Gebälk bestimmen danach die Schönheit jedes Gebäudes – ungeachtet der Tatsache, dass hier die für die einfache Holzkonstruktion geltenden Regeln auf den Steinbau übertragen wurden.

    Vielleicht interessiert es Sie, wenn Sie es nicht ohnehin wissen oder ahnen, was im Bereich er Organisation oder der Entwicklung im Bereich der IT als schön gilt: die Einfachheit. [1]

    MFG
    Dr. W (der sich nun ausklinkt und Ihnen & allgemein noch ein schönes Wochenende wünscht)

    [1] Personen betreffend soll hier behelfsweise die Durchschnittlichkeit ausreichen – woran der Schreiber dieser Zeilen, der bspw. Tarantino “schön” findet, nicht glaubt

  9. @ Eva Bambach

    „Auch ohne umständlichen Vergleich unterschiedlicher Kunsttheorien ist leicht zu sehen, dass das Verständnis dessen, was als schön erachtet wurde, auch früher schon heftigen Strömungen unterworfen war – man betrachte nur etwa Vierzehnheiligen und das Brandenburger Tor oder ein Gemälde von Rubens oder Jan Vermeer.“

    Ich sprach nicht von Kunsttheorien (die in der Tat schon vor der Moderne außerordentlich vielgestaltig waren), noch von Stilen, schon gar nicht von individuellen, sondern von der gestaltenden Praxis, also dem handwerklichen Leitfaden bei der Erzeugung schöner Dinge, genauso, wie der Satz „form follows function“, programmatisch genommen, es auch tut.

    Interessanterweise nennen Sie mit Rubens und Vermeer zwei Maler, die geradezu exemplarisch dieses von mir skizzierte Prinzip angewandt haben. Die Schönheit ihrer Werke beruht auf der Anwendung derselben Prinzipien, auch wenn sie vom einen zur Inszenierung dramatischer Sujets und vom anderen zur Darstellung einer beschaulichen Intimität angewendet werden.

    Unterhalb der gegenständlich-abbildenden Ebene besteht die ästhetische Gestaltung im Zusammenklang der Teile. Teile sind für den Praktiker Teilflächen im Bild mit ihren Grund-Qualitäten der Form, der definierten homogenen Helligkeit und der Farbe. Und auf genau dieser Ebene wird die Schönheit eines Bildes erzeugt, und nicht beim Sujet oder nur vorrangig bei der guten Zeichnung.

    Dies war übrigens ein Grundkonsens der Malerei von der Frührenaissance bis tief ins 19. Jhd, also bis zum Beginn der Moderne, also gute 400 Jahre gültig.

    “Ohne die Gültigkeit des Prinzips des Goldenen Schnitts hier behaupten zu wollen, verweise ich doch allein schon mal auf die Euphorie, mit der die ästhetische Wirkung entsprechend proportionierter Rechtecke oft beurteilt wird.”

    Das scheint mir doch etwas aus der Luft gegriffen. Selbst wenn jemand einmalig (mittels Anwendung der bereits erwähnten „Designerbrille“) ein ästhetisches Erlebnis angesichts eines Rechtecks mit einem bestimmten Seitenverhältnis behauptet, so ist doch undenkbar, dass dieses sich stets wiederkehrend und spontan beim Anblick desselben Rechtecks einstellt. Es ist einfach eine bekannte Tatsache, dass außerhalb kunsttheoretisch hoch aufgeladener Zusammenhänge (moderner Kunstbetrieb) derlei ästhetische „Erlebnisse“ nicht stattfinden. Stattdessen: Langeweile. Im Unterschied übrigens zu der stets wiederkehrenden Freude beim Anblick eines klassischen Gemäldes.

    Der spezifische abendländische Blick auf die Welt, und zwar der sogenannte „neuzeitliche“, der sich in der Renaissance herausgebildet hatte, beinhaltet es, den ästhetischen Eigenwert der Naturdinge zu erleben (was ja nicht selbstverständlich ist und was das Mittelalter nicht kannte) und für die Kunst fruchtbar zu machen. Mittels weiterer kulturspezifischer Praktiken wie der theoretischen Analyse und der handwerklichen Neuerung kam man dem, was innerhalb dieses Blicks auf die Natur als „schön“ erscheint, in seiner Struktur auf die Schliche und lernte, es nachzubilden.
    Die Vertreter der Moderne zeigten sich allerdings davon gelangweilt und meinten, es stünde in ihrer Macht, ganz eigene ästhetische Perspektiven zu erfinden. Dies war allerdings nur möglich um den Preis einer „Verhinterkopfung“, also der Verlagerung des ästhetischen Moments auf eine Metaebene jenseits des rein Visuell-Ästhetischen in den Hinterkopf („Das muss man beim Anblick im Hinterkopf behalten!“).

  10. Euphorie von und zu Einfachheit

    “Ohne die Gültigkeit des Prinzips des Goldenen Schnitts hier behaupten zu wollen, verweise ich doch allein schon mal auf die Euphorie, mit der die ästhetische Wirkung entsprechend proportionierter Rechtecke oft beurteilt wird.”

    OHNE auf die grundsätzliche / “übersinnliche” Möglichkeit Rechtecke betrachten zu können und eine Wirkung weit jenseits herkömmlich-gewohnter “ästhetischer Proportionen” NÄHER ZU BESCHREIBEN: sehr gut getroffen 🙂

  11. @fegalo

    Sie sagen: Unterhalb der gegenständlich-abbildenden Ebene besteht die ästhetische Gestaltung im Zusammenklang der Teile. Teile sind für den Praktiker Teilflächen im Bild mit ihren Grund-Qualitäten der Form, der definierten homogenen Helligkeit und der Farbe. Und auf genau dieser Ebene wird die Schönheit eines Bildes erzeugt, und nicht beim Sujet oder nur vorrangig bei der guten Zeichnung.

    Bislang hatte ich Ihrer Argumentation eher entnommen, dass Sie nicht viel von “moderner” Kunst halten, die häufig ja genau auf diese eher abstrakten Werte abzielt (wobei ich nicht ganz verstehe, was Sie unter homogener Helligkeit verstehen).

  12. @ Eva Bambach

    Unter „homogener Helligkeit“ verstehe ich kohärente Bereiche im Bild mit dem gleichen Helligkeitswert. Diese Bereiche müssen weder deckungsgleich sein mit Bereichen gleicher Farbe noch mit Gegenstandskonturen. Dass ein Bild eine ästhetische Hell-Dunkelordnung hat, wurde als zusätzliche Gestaltungsebene im Barock eingeführt, und zwar im Zusammenhang mit der kohärenten Lichtführung. Der leitende Autor war übrigens Rubens.

    Schwarz-Weiß-Abbildungen von Gemälden machen die Anwesenheit einer solchen Ordnung sichtbar. Ein Vermeer sieht immer noch sehr gut aus. Dagegen wird aus einem Gemälde von Cézanne nur grauer Matsch, weil er eine solche Ordnungsebene nicht kennt. Ich habe ein altes Buch über die Malerei von Cézanne mit vielen Schwarz-Weiß-Abbildungen seiner Gemälde. Das könnte ich im Prinzip wegschmeißen.

    Übrigens, Sie haben richtig entnommen: Ich halte vom allergrößten Teil der modernen Kunst wenig bis gar nichts. In meinen Augen ist das Projekt „abendländische Kunst“ irgendwann in den Anfängen des letzten Jahrhunderts zu Ende gegangen. Danach kam noch eine – inzwischen fast 100-jährige Phase der Amtsanmaßung und Leichenfledderei. Dass diese immer noch anhält, verdankt sich der Tatsache, dass zeitgenössische Kunst zu einem Spekulationsobjekt geworden ist, mit dem sich sehr viel Geld verdienen lässt („Tulpenzwiebelprinzip“).

    Und, ja, es gibt wohl ein paar Maler der Moderne, die auf diesen Ebenen gestalten. Aber die tun das auf einem extrem flachen Niveau, oder sie machen sich irgendwelche versponnenen programmatischen Vorgaben wie etwa Mondrian.

    Mir entgeht allerdings auch nicht, dass Sie nicht interessiert sind, sich auf eine Diskussion über ästhetischen Erleben, oder über Gehalt und Bedeutung des Satzes „form follows function“ einzulassen. Sei‘s drum. Dann wünsche ich Ihnen einfach noch einen schönen Sonntag Nachmittag!

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