“Wissenschaft war noch nie Selbstzweck” – Ein Gespräch mit Prof. Joachim Wambsganß über Kommunikation

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Der Heidelberger Astrophysiker Prof. Joachim Wambsganß ist einer der großen Brückenbauer zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Dass er darüber hinaus auch noch ein “Spektrum der Wissenschaft”-Leser der erste Stunde ist, stellt sich erst im Laufe unseres Interviews heraus.

Ein weites Feld also, zu dem wir den 1961 geborenen Direktor des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg in seinem Büro zwischen Bücherwänden, Laptop und Sternenmodellen befragen.

Wambsganß ist ein Forscher, für den die häufig zitierte und geforderte „Bringschuld der Wissenschaft an die Öffentlichkeit“ eine Selbstverständlichkeit ist. „Populär“ zu schreiben  – auch wenn das mitunter bedeutet, etwas zu vereinfachen – findet der Experte für Gravitationslinsen überhaupt nicht schlimm.

Prof. Wambsganß im Gespräch
Prof. Wambsganß im Gespräch. Foto: Martin Huhn

Ihn haben die großen Wissenschaftskommunikatoren diesseits und jenseits des Atlantiks sehr geprägt. „Wissenschaft war noch nie Selbstzweck“, erklärt er, „sie erforscht und entdeckt aber natürlich immer Neuland“. Dass die neuen Erkenntnisse so unters Volk gebracht werden müssen, dass die Normalbürger und Steuerzahler das auch verstehen können, das hat der Pfälzer Bub ohnehin noch nie anders gesehen und gehandhabt. Deshalb stimmt er auch nicht ein in das Lamento, dass es überall Defizite gebe im Miteinander von Journalisten und Wissenschaftlern. Vor 27 Jahren, als Wambsganß erstmals zu einem einjährigen Studienaufenthalt in die USA aufbrach, war das noch anders. Staunend sah er dort die mehrseitigen Wissenschaftsteile in der New York Times und anderen großen Zeitungen. „Warum gibt es so etwas nicht in Deutschland?“, fragte er sich. Und musste später bei seinem Doktorvater Rudolf Kippenhahn miterleben, wie dieser von einigen Fachkollegen wegen seines populärwissenschaftlichen Buches „100 Milliarden Sonnen“ geschmäht wurde. „Der schreibt ja jetzt für die Massen“, wurde gelegentlich abfällig und hinter vorgehaltender Hand geunkt, obwohl der Autor ein berühmter Astrophysiker und Direktor eines Max-Planck-Instituts war.

Heute freut sich Wambsganß nicht nur über das „Goldene Zeitalter der Astronomie“, das den Forscherinnen und Forschern großartige Möglichkeiten bietet, neue Erkenntnisse zu gewinnen und neue Welten zu entdecken. Er ist ebenso begeistert darüber,  dass Wissenschaftsthemen „hip“ geworden sind: Längst ist die Astronomie nicht nur bei Kinderunis und in Sternwarten-Vorträgen populär, sondern bis weit in alle Medien hinein, vom gedruckten Wissenschaftsmagazin über Blogs im Internet bis zu Fernsehsendungen und “Nächten der Wissenschaft”.

Wambsganß’ Wahlheimat Heidelberg ist dabei eine Art Vorreiter dieser Bewegung. Nirgendwo sonst in Deutschland gibt es so viele Astronomen pro Einwohner und fast nirgendwo sonst auf der Welt prägen die Sternenforscher die öffentliche Wahrnehmung von Wissenschaft so sehr.

Es ist nicht immer gefällig, was Joachim Wambsganß so erzählt. Aber er ist kein polternder Kritiker, er zieht das rhetorische Florett jederzeit dem Säbel vor. Die Denkart in Deutschland findet er generell zu zögerlich und abwartend. Das gelte sicherlich auch für die in einer strukturellen Krise befindlichen Printmedien. „Wir dürfen uns nicht auf 500 Jahren Buchdruck ausruhen; stattdessen sollten wir schauen, was heute geht und angesagt ist!“, gibt er die Devise aus, die Wissenschaftler und Journalisten gemeinsam an neue Ufern führen soll. Beide Berufsgruppen dürfen seiner Ansicht nach nie aus dem Blick verlieren, für wen sie eigentlich schreiben.

Den „Mut zur Einfachheit“ vermisst er dabei nicht nur bei Vertreterinnen und Vertretern der Wissenschaft, sondern auch bei den Medien selbst. „Bei manchen Konzertkritiken muss man fünf Jahre Musik studiert haben, um sie zu verstehen!“, empört sich der Opernfreund und hält dem den eigenen Ansatz entgegen: „Entscheidend ist, was beim Empfänger ankommt, was der Leser versteht; alles andere ist vergeudete Liebesmüh’!“

Alles andere als verschwendete Leidenschaft oder verplemperte Zeit war sein Buch „Universum für alle“, das aus dem Projekt der “Halben Heidelberger Sternstunden” entstanden ist. Mit täglichen astronomischen Kurzvorträgen zur Mittagszeit gelang es dieser Veranstaltungsreihe, 70mal die Peterskirche zu füllen – mit begeisterter Resonanz.

Obwohl viele der von Wambsganß als Vortragende angefragten Astronominnen und Astronomen zunächst die Augen verdreht hatten: Nur eine Viertelstunde für einen öffentlichen Vortrag? Das sei unmöglich, sagte zunächst mancher. Nur um sich am Ende doch beherzt (und erfolgreich!) dieser Herausforderung zu stellen. „Natürlich ist es schwieriger, einen guten kurzen Vortrag zu halten, als alles, was man weiß, zwei Stunden lang über die Leute auszugießen“, weiß der Schöpfer dieser innovativen Kommunikationsform. Die Vorträge sind übrigens inzwischen alle – durch Zusammenarbeit mit  Spektrum der Wissenschaft-Redakteur Thilo Körkel – als Videos über Youtube kostenlos verfügbar. Die einzelnen Vortrags-Filme wurden schon mehr als 200.000 Mal im Internet abgerufen, knapp 22.000 Menschen haben sich sogar alle 70 Beiträge komplett angesehen.

Das Universum – Halbe Heidelberger Sternstunden

Und auch wer die alten Medien bevorzugt, kommt auf seine Kosten. Die 70 Vorträge gibt es mittlerweile auch gedruckt als Buch in 70 Kapiteln zu lesen:

Joachim Wambsganß, Universum für alle, 70 spannende Fragen und kurzweilige Antworten, Springer-Verlag, Heidelberg, 19.95 Euro, ISBN 978-3-8274-3053-3

Im nächsten Teil lüften wir das Geheimnis, wie sich Joachim Wambsganß und Spektrum der Wissenschaft im zarten Jugendalter erstmals begegnet sind.

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Ich bin von Natur aus neugierig, will Menschen und ihre Beweggründe verstehen und ich liebe gute Geschichten über alles: Das macht mich zur Journalistin. Ich möchte aber den Dingen auch auf den Grund gehen und verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält: Das erklärt meine Faszination für Wissenschaft und Forschung. Nach dem Studium der Germanistik und Politikwissenschaft habe ich als Zeitungsredakteurin für viele Jahre das Schreiben zum Beruf gemacht. Später kamen dann noch Ausbildungen zur zertifizierten Mediatorin und zum Coach hinzu, die mich in meiner Auffassung bestärkt haben, dass das Menschliche und das Allzumenschliche ihre Faszination für mich wohl ein Leben lang nicht verlieren werden. Das Organisieren habe ich als Büroleiterin einer Europaabgeordneten gelernt, bevor ich im Juli 2012 als Referentin des Chefredakteurs bei Spektrum der Wissenschaft begonnen habe. Von dieser Tätigkeit bin ich nun erst einmal ab 1. Januar 2015 für ein Sabbatical beurlaubt. Und ganz gespannt, was das „Abenteuer Auszeit“ für mich bereithalten wird.

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