• Von Dierk Haasis
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The Twelve Plays of Christmas

BLOG: Con Text

Wörter brauchen Gesellschaft.
Con Text

Sie ist da: die Feiertagssaison. Auch dieses Jahr benötigt der angestellt arbeitende nur wenige Urlaubstage, um die wunderschöne, ruhige Zeit mit der gesamten Familie wieder über mindestens 2 Wochen zu strecken. Wem es dabei, mit Blick auf ein sicherlich wie immer dürftiges TV-Programm, ein wenig langweilig wird, freut sich vielleicht über ein paar kleine Denksportaufgaben.

… ich hab’ da mal was für Sie vorbereitet.

Es gibt nichts zu gewinnen, außer ein paar literarischen Trivia und ein wenig Unterhaltung. Sehen Sie diesen Beitrag als Versuch, die britische Weihnachtstradition der intellektuellen Charade in ein Blogformat zu gießen. Erwarten Sie indirekte Fragen und oft mehr als nur eine Antwort pro Rätsel [gleich das erste fragt z.B. nach mindestens 4]

Rätsel Nummer 1

The contrariety of human nature is a subject that has given a surprising amount of occupation to makers of proverbs and to those moral philosophers who make it their province to discover and expound the glaringly obvious; and especially have they been concerned to enlarge upon that form of perverseness which engenders dislike of things offered under compulsion, and arouses desire of them as soon as their attainment becomes difficult or impossible.

Der Mann, der diesen Satz an den Anfang eines seiner kurzen Texte setzte, gilt als Erfinder eines kleinen Subgenres, das einem labbrigen Kleidungsstück viele Zuschauer brachte.

Rätsel Nummer 2

Our ingenious American cousins have invented a phrase to express the position of a man who wants to join one or the other of two parties — such as their two parties ‘Democrats’ and ‘Republicans’ — but can’t make up his mind WHICH. Such a man is said to be “sitting on the fence.” Now that is exactly the position of the red counter you have just placed on the division-line. He likes the look of No. 5, and he likes the look of No. 6, and he doesn’t know WHICH to jump down into. So there he sits astride, silly fellow, dangling his legs, one on each side of the fence!

Hier sollte eigentlich ein Foto stehen, das heute allerdings zivil- wie strafrechtlich relevant sein könnte. Der Fotograf ist zwar schon lange tot, aber man weiß ja nie welche Agentur auf die Idee kommt, sie könnte Veröffentlichungsrechte haben. Dabei ist der Gesuchte gar nicht als Fotograf bekannt geworden, eher durch scharfsinnige Logik, die er durch blühenden Blödsinn auch Kindern nahe brachte. Was er mit Brazil zu tun hat, überlasse ich dem Leser.

Rätsel Nummer 3

Selbst der, der nicht staunend vor der Pathologie des Geisteslebens einer Gesamtheit steht, sondern Dekaden für grassierende Kulturseuchen als Einrichtung anerkennt; selbst der, der allerlei Erbschaft des neunzehnten Jahrhunderts zwischen Dionysischem und Psychologischem noch in der Reduktion auf Kunstgewerbe, Feuilleton und Regie als geistige Daseinsmöglichkeit begreift; selbst der, der alles bejaht, was die Giftmischerin der Menschheit, die Tagespresse, als ihren Zweck oder Vorwand betreibt – selbst der steht ratlos vor dem Begriff […]

Er sah die Welt untergehen, erst in ihrem Geiste, dann unter Kanonen. Und obwohl ihm das Imperiale zuwider war, saß er gerne im Café. Scharffedriger Kritiker verschleiernder Sprache, hetzender Journaille und jener, die seinen Geschmack nicht teilten. Ach ja, einen interessanter, literarischen Vergleich zieht er in seinem Text.

Rätsel Nummer 4

It is of course well known that the effect of the experiment was a world-wide one. It is true that nowhere did the injured planet emit such a howl as at the actual point of penetration, but she showed that she was indeed one entity by her conduct elsewhere. Through every vent and every volcano she voiced her indignation.

So photoshoppte man vor Photoshop! Und wieder kein Bild – aber das sollen Sie selbst finden. Auf die sehr plumpe Fälschung, die eine neue Art Leben beweisen sollte, fiel immerhin ausgerechnet ein Mann herein, der durch seine Schriften zu stringentem Denken bis heute berühmt ist.

Rätsel Nummer 5

Ladies and gentlemen, before I tell you any more, I’m going to show you the greatest thing your eyes have ever beheld. He was a king and a god in the world he knew, but now he comes to civilization merely a captive – a show to gratify your curiosity

Er selbst schrieb diese Zeilen wohl nicht, doch die Geschichte stammt von ihm, wenn auch nicht die Idee. Dabei hatte er von diesen wahrlich genug, es mangelte mehr an Disziplin, sie halbwegs logisch zusammenzufügen. Was spätere Generationen nicht weiter störte. Seinen größten Ruhm erlangte er allerdings nicht in seiner Heimat, sondern in einem Land, das seine Bücher teilweise so stark editierte, dass sie gar nicht mehr von ihm waren.

Rätsel Nummer 6

Quand je vois pleurer m’amie
Mon cœur est déchiré.
C’est miel quand ell rit,
Perle quand elle pleure.
Moi, je l’aime à toute heure.
Et je nous paie à boire
Du bon vin de Louvain.
Et je nous paie à boire
Quand Nele sourira.

Wer so dichtet, kann kein schlechter Mensch sein, auch wenn die Angesprochene ihn nicht ernst nimmt. Damit steht sie nicht alleine, kaum einer nimmt den Dichter ernst – nicht am See, wo er in Bronze sitzt, noch an der See, wo er dem Philip gegenübersteht.

Rätsel Nummer 7

But this proportion must in every nation be regulated by two different
circumstances: first, by the skill, dexterity, and judgment with which
its labour is generally applied; and, secondly, by the proportion
between the number of those who are employed in useful labour, and
that of those who are not so employed. Whatever be the soil, climate,
or extent of territory of any particular nation, the abundance or
scantiness of its annual supply must, in that particular situation,
depend upon those two circumstances.

Nebenbei gesagt, sollten mehr Menschen dieses Buch einmal lesen, bevor sie die Buzzwords in den Raum senden. Es beweist aber auch, dass Autoren und Leser durchaus sehr unterschiedliche Auffassungen über die Wichtigkeit von Werken haben, wird doch das zitierte zwar kaum gelesen, aber oft genannt. Doch war es jenes andere, das weder gelesen noch genannt wird, dem der Autor mehr Gewicht ansah.

Rätsel Nummer 8

But when many years had rolled away Santa Claus grew old. The long beard of golden brown that once covered his cheeks and chin gradually became gray, and finally turned to pure white. His hair was white, too, and there were wrinkles at the corners of his eyes, which showed plainly when he laughed. He had never been a very tall man, and now he became fat, and waddled very much like a duck when he walked. But in spite of these things he remained as lively as ever, and was just as jolly and gay, and his kind eyes sparkled as brightly as they did that first day when he came to the Laughing Valley.

Das ist jetzt auf eine verquere Art lustig: Jeder kennt mindestens einen Titel des einen großartigen Märchenerzählers, aber kaum einer liest seine Bücher. Selbst in seiner Heimat, in der er erfolgreich genug war, dass diverse andere Schriftsteller weiter an seinen Figuren strickten, gehört er heute eher zu den ungelesenen. Dabei war sein Anspruch nie, einfach nur zu unterhalten, er wollte … Wissen Sie was, finden Sie heraus, was sein Anspruch war.

Der andere wiederum wurde und wird in Deutschland viel gelesen.

Rätsel Nummer 9

A man who has lived in the world, marking how every act, although in itself perhaps light and insignificant, may become the source of consequences that spread far and wide, and flow for years or centuries, could scarcely feel secure in reckoning that with the death of the Duke of Strelsau and the restoration of King Rudolf to liberty and his throne, there would end, for good and all, the troubles born of Black Michael’s daring conspiracy.

Hoffnung gehört immer zu Weihnachten, egal welche Wurzeln das Fest für Sie hat. Die einen kaufen, die anderen sehen neues Licht aufblitzen. Alle finden das Abenteuer alle Jahrzehnte wieder auf dem silbernen Schirm. Ouch!

Rätsel Nummer 10

Mrs. Harris added that it would be as well for us to come upstairs soon, on our own account also, as otherwise we should miss Muriel’s rendering of ‘The Mad Hatter’s Tea Party’ out of Alice in Wonderland. Muriel is Harris’s second, age eight: she is a bright, intelligent child; but I prefer her myself in serious pieces. We said we would finish our cigarettes and follow almost immediately; we also begged her not to let Muriel begin until we arrived.

Reisende soll man ja nicht aufhalten. Wenn mir auch nie so ganz klar, weshalb nicht, ergeben sich die schönsten und spannendsten Momente doch aus ungeplanten Stopps. Das Verkehrsmittel ist dabei egal. So wie der Herr oben, verwendete auch ein Schlitzohr aus Riga deren zwei – wenn auch nicht gleichzeitig.

Rätsel Nummer 11

Der gute, ehrenwerte Sir John war ein Engländer im Superlativ. Besitzer eines unermeßlichen Vermögens, hatte er noch nie daran gedacht, sich zu verehelichen, sondern war einer jener schweigsamen, zugeknöpften Englischmen, welche alle Winkel der Erde durchstöbern, selbst die entferntesten Länder unsicher machen, die größten Gefahren und Abenteuer mit unendlichem Gleichmut bestehen und müde und übersättigt endlich die Heimat wieder aufsuchen, um als Mitglied irgend eines berühmten Reiseclubs einsilbige Bemerkungen über die gehabten Erlebnisse machen zu dürfen.

Da gibt es durchaus Verbindungen zu einem der großen Romanciers englischer Zunge, wenn auch vor allem formaler Natur. Der Schöpfer jener Zeilen, deren Rechtschreibung ich sanft anpasste, war selten dort, wo man es erwartete. Seine Figuren jedoch trieb es um die ganze Welt.

Rätsel Nummer 12

ἄνδρα μοι ἔννεπε, μοῦσα, πολύτροπον, ὃς μάλα πολλὰ
πλάγχθη, ἐπεὶ Τροίης ἱερὸν πτολίεθρον ἔπερσεν:
πολλῶν δ’ ἀνθρώπων ἴδεν ἄστεα καὶ νόον ἔγνω,
πολλὰ δ’ ὅ γ’ ἐν πόντῳ πάθεν ἄλγεα ὃν κατὰ θυμόν,
ἀρνύμενος ἥν τε ψυχὴν καὶ νόστον ἑταίρων.
ἀλλ’ οὐδ’ ὣς ἑτάρους ἐρρύσατο, ἱέμενός περ:
αὐτῶν γὰρ σφετέρῃσιν ἀτασθαλίῃσιν ὄλοντο,
νήπιοι, οἳ κατὰ βοῦς Ὑπερίονος Ἠελίοιο
ἤσθιον: αὐτὰρ ὁ τοῖσιν ἀφείλετο νόστιμον ἦμαρ.
τῶν ἁμόθεν γε, θεά, θύγατερ Διός, εἰπὲ καὶ ἡμῖν.

Im Grunde fängt alles damit an, auch wenn wir damit aufhören. Mit einem einfachen Rätsel. Den größten Teil der Zeit sabbelt er übrigens nur und vergnügt sich mit einer … nun ja, sagen wir mal Dame.

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?