Materialkritik

BLOG: Con Text

Wörter brauchen Gesellschaft.
Con Text

Gegen E-Books. Es gibt Menschen, die sind nicht nur gegen E-Books, die schreiben darüber auch lange – elektronisch veröffentlichte! – Artikel darüber. Nicht etwa, warum sie selbst niemals nie nicht ein E-Book vors Gesicht halten würden, sondern warum niemand das sollte. Niemand. Weil nämlich jeder immer und überall dieselben Ansprüche an alles hat.

So sieht’s aus.

Mag ich E-Books? Klar, ich habe da nie einen Hehl draus gemacht. Finde ich, dass jeder nur noch elektronische Bücher lesen sollte? Es ist mir egal. Wenn Sie lieber in Papier machen, tun sie das gerne. Es hat keine Auswirkungen auf mein Leben. Ich lese, wie es mir passt – das ist inzwischen zu über 90% elektronisch, manchmal noch papiern. Das liegt nicht nur daran, dass ich sehr viel totes, flach gedrücktes Holz aus der Vergangenheit besitze. Es gibt auch Bücher, die mit bisherigen Techniken elektronisch nicht überzeugen.

Schauen Sie sich großformatige, durchbebilderte Werke an, Lehrbücher, oder so genannte Coffeetable Books:

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Mit typischen E-Reader-Formaten ist das bisher nicht zu machen, PDF wäre eine Alternative, die zumindest grundsätzlich das Layout beibehält und sogar interaktives Zoomen zulässt. Auf einem großen HiDPI-Bildschirm betrachtet, 22 Zoll oder noch größer, erhält man sogar das volle Doppelseitenformat. Trotzdem hat mich das bisher nicht überzeugt, auch, weil es bisher keine mobilen Geräte mit solch großen Monitoren gibt.

Für die übliche Lektüre textlastiger Bücher ist das alles ziemlich egal. E-Reader sind bequem, leicht und bieten den Vorteil der einfachen Durchsuchbarkeit2. Benutzt ein Buch Fußnoten erleichtert seine elektronische Version die Handhabung ungemein. Beispiel Mark Twains Authoritative Autobiography, deren ersten Band ich im Hardcover las, der zweite wird von mir mit einem Kindle Paperwhite gelesen. Was. Für. Ein. Unterschied.

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In der Kindle-Fassung klicke ich auf einen deutlich zu erkennenden Link, lese die Notiz der Herausgeber und springe einfach wieder zurück zur Stelle, an der ich war. Das bringt richtig Spaß!

Ich vermute, die Höhlenmaler der Vor- und Frühzeit, die ägyptischen Papyriglyphologen, die spätmittelalterlichen Mönche haben alle rumgenölt, als ihre Nachfolger neue Methoden der Informationsaufzeichnungen erfanden und nutzten. ‘Das geht doch so nicht! Kulturschande! Untergang der Zivilisation!’ Ihre Argumente waren sicherlich auch dieselben wie heute. Auch sie kümmerten sich nicht um den Kern – die Informationsweitergabe –, sondern um irgendwelche Nebensächlichkeiten, die gar nichts mit Lesen oder Schreiben zu tun haben. ‘Bücher riechen so gut! Bücher fassen sich toll an!’3

Wenn wir schon den Untergang des Abendlandes – das Morgenland interessiert uns eh nicht – beschwören, dann sollten wir uns nichts vormachen, der Untergang der Lesekultur war besiegelt, als wir zuließen, dass jeder lesen lernte.

Wir sollten allerdings nicht eine Technik, die erst am Anfang steht, wegen ihrer Kinderkrankheiten und kleineren Unzulänglichkeiten in Bausch und Bogen verdammen. Jede Technologie fängt klein an und wird mit der Zeit verbessert.4

Notes:
1. Titel von oben nach unten:

Lorraine Farrelly. The Fundamentals of Architecture. AVA, Lausanne, 2007.

Michael Fazio, Marian Moffett, Lawrence Wodehouse. A World History of Architecture. Laurence King Publishing, London, ²2009.

I.C.B. Dear, M.R.D. Foot [editors]. The Oxford Companion to World War II. OUP, Oxford/New York, ³2005.

Geoffrey Parker [editor]. The Cambridge Illustrated History of Warfare. CUP, Cambridge/New York, 2009 [reprinted revised, updated edition].

2. Gerade bei Gesamtausgaben sehr hilfreich.
3. Gerne auch intellektuell verbrämt als ‘haptisches Erlebnis Buch’.

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?

3 Kommentare

  1. (Auch) dazu volle Zustimmung von mir!

    Aufgrund der regen Nachfrage habe ich inzwischen auch begonnen, mehr und mehr eigene eBooks auch in einem Taschenbuchformat anzubieten – auch das geht dank neuer Technologien heute viel leichter als jemals zuvor. Und die Mischkalkulation ermöglicht die Herausgabe von Büchern, die es früher sonst ggf. gar nicht gegeben hätte. eBooks bieten neue Lese- und Schreibemöglichkeiten – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Sie sind weder die Retter noch die Reiter der Apokalypse…

  2. Bei diesem Artikel musste ich echt schmunzeln. Beziehen Sie sich hier wirklich nur auf Bücher, Herr Haasis?

    Die gleiche Problematik tritt ja auch an anderen Stellen ständig auf, natürlich vor allem, wenn es um moderne elektronische Technik geht, aber auch bei allgemeinen kulturellen Belangen.
    Neues wird immer mal schlecht gemacht, weil sich manche eben ungerne vom Bekannten trennen. Oft geht dann immer direkt die Welt unter, oder die Zivilisation und die Moral stehen vor dem Abgrund.

    Um zum Schluss nochmal auf Bücher zurückzukommen.
    Ich habe die Entwicklung von e-books im Wesentlichen begrüßt, ich finde sie einfach wesentlich praktischer, und Platz spart man auch noch. Also ich jedenfalls.

  3. Man kann sich ja mal vorstellen, wie die die Kritik aussehen würden, wenn das bewährte Buch das Ebook und die Innovation das Papierbuch wäre.