James Bond jagt Doktors Minimädchen

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Wörter brauchen Gesellschaft.
Con Text

Gestern lief auf DRadio Wissen eine Diskussion über Geschlechterbilder im Netz. Beteiligt waren Helga Hansen, Katrin Rönicke und Scilogs-Kollege Anatol Stefanowitsch. An einer Stelle wurde gefragt, ob nicht auch die Bond-Girls sexistisch dargestellt seien, was von einer der anwesenden Frauen [ich habe nicht genau aufgepasst, wer es war] vage vervielleicht wurde, es käme drauf an, welche man betrachte.

Nun, ich kann alle an der Diskussion beteiligten, inkl. der Zuhörer, beruhigen, das Bondgirl ist eine sexistische Chiffre. Es gehört zum Wesen der Erzählung, die in den Romanen und Filmen immer wieder mit anderen Details dargeboten wird. Die Bondgeschichten sind Genreliteratur, sie folgen einer Formel, die von Ian Fleming und später den Produzenten der Filmserie, erst an die moderne Welt nach dem Zweiten Weltkrieg angepasst und dann zu einem ganz eigenen Muster perfektioniert wurde. Die Struktur der Bond-Geschichten ist immer dieselbe, wir kennen sie aus klassischen Heldenerzählungen von der Antike bis ins Mittelalter und in die Moderne.

Fleming reicherte das ganze mit futuristischen Elementen an, ließ seinen Helden weltgewandt um den Globus reisen und teure Markenware nutzen. Er gab den Menschen im kalten Nachkriegsengland Träume, die er an die reale Welt anknüpfte, eine Welt, die Glück mit Luxusarmbanduhren, englischen Sportwagen [in den Büchern übrigens Vorkriegs-Bentleys] und exotischen Reisezielen versprach.

Dazu gehörten schöne Frauen, die gerettet werden müssen, und sich ganz dem Helden hingeben. Ohne große Anstrengung für den Mann selbstverständlich. Wie der Heilige Georg des Mittelalters zieht der moderne Held Englands in die Höhle des Drachen, tötet diesen und schnappt sich die Jungfrau.

In einer Zeit, als die heimgekehrten Soldaten erkennen mussten, dass Frauen ihnen langfristig Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt machen werden und sich auch im Haus nicht einfach alles befehlen lassen würden, war diese Fantasie leicht an den Mann zu bringen. 1953 erschien der erste James-Bond-Roman. Und der Playboy, in dem Ian Fleming Schöpfungen immer einen guten Platz fanden.

Usually, [the girl] furnishes a source of narrative tension […] ‘the girl’ departs from the requirements of femininity as specified by patriarchal ideology. […] This ‘out-of-placeness’ may take the form of a challenging aggressiveness (Vesper Lynd in Casino Royale and Domino Vitali in Thunderball), a resisting frigidity (Gala Brand in Moonraker) or lesbianism (Tilly Masterton and Pussy Galore in Goldfinger) and is sometimes symbolised by a physical deformity […] [1]

Zur Rettung der Welt und des Mädchens gehört immer die sexuelle Dominierung durch Bond. Er “heilt” sie von Frigidität, Homosexualität, Aggressivität, bringt sie damit zurück an ihren Platz in der patriarchalischen Gesellschaft.

Nicht einmal bei den Namen hält Fleming sich zurück: Honeychile Ryder, Mary Goodnight, Pussy Galore, Tiffany Case, Kissy Suzuki oder Solitaire reduzieren die Mädchen auf Sex und besonders teure, schöne Dinge. Es ist auch kein Zufall, dass Flemings Bond immer girls trifft, keine Frauen und über diese auch immer als ‘girl’ gesprochen wird.[2]

Die Filme verändern die narrative Position der Frauen nur unwesentlich. Wie in den Romanen bleibt die einzig herausragende Ausnahme Teresa Draco/di Vicenzo, die kurzzeitig eine echte Mrs Bond wird. Nachdem James ihr den Willen zum Leben und einen Sinn fürs Leben gegeben hat, zähmt sie ihn. Nur um schnell zu sterben.

Die Emanzipation scheint an den Film-Bondinen nahezu komplett vorbei zu gehen. Die Freiheit, die sie haben, ist dieselbe, die bereits Honeychile Ryder 1962 hat. Sie ist professionell auf sich alleine gestellt, wird aber erst durch Bond erweckt – und vermutlich zurück in die Zivilisation und Abhängigkeit vom Patriarchat gebracht.

Die love interests in den Filmen mit Pierce Brosnan scheinen zwar immer eigenständiger zu werden, doch sind die neu zugestandenen Attribute nur spiegelbildlich vom Helden übernommen. Wai Lin in Tomorrow Never Dies und Jinx in Die Another Day sind oberflächlich Abziehbilder des Helden. Das führt zu einigen mehr oder weniger amüsanten ‘Meiner ist größer’-Szenen, aber am Ende zeigt Bond, wo der richtige Platz der Mädchen ist: im Bett, bestimmt vom Mann.

 

[1] Tony Bennett, Janet Woollacott. Bond and Beyond, MacMillan Education, 1987. S. 115.

[2] Selbstverständlich gibt es auch Frauen, wie Rosa Klebb oder Irma Bunt, die aber geschlechtslos bleiben; sollte der Eintrag in der Wikipedia stimmen, ist Rosa Klebb eine Parodie auf den Feminismus [beachten Sie die Erklärung für den Namen].

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?

4 Kommentare

  1. Heldenschicksal

    Sexistische Bond-Girls? Das sieht auf den ersten Blick so aus. Aber wie verhält es sich wirklich?
    Für wen riskiert James Bond denn immer wieder sein Leben? Er kämpft im Auftrag Ihrer Majestät. Das ist die ernst zu nehmende Frau in seinem Leben, die seinen ganzen Einsatz fordert und erhält. Was dabei an Kraft und Manneskraft noch übrig bleibt, reicht ja wohl kaum, um die Wünsche weiterer erwachsener und entsprechend anspruchsvoller Frauen zu erfüllen. Das reicht natürlicherweise nur noch für makellos schöne Jungfrauen.
    Also kein Sexismus sondern pure Notwendigkeit aufgrund der Begrenztheit biologischer Leistungsfähigkeit.

  2. idealisierte Emanzipation

    “An einer Stelle wurde gefragt, ob nicht auch die Bond-Girls sexistisch dargestellt seien, was von einer der anwesenden Frauen … vage vervielleicht wurde, es käme drauf an, welche man betrachte.”

    -> Ob sich die “emanzipierte” Frau (so man unterstellt, es handle sich bei der Aussagenden um eine representative) also doch in ihrer neuen Situation machesmal sich zwischen der subjektiv erwünschten Selbstständigkeit (und Freiheit) und den “Vorteilen” einer scheinbar ebenso subjektiven “beschützen” Lebenssituation (durch einen starken Mann) hin und her springen/wechseln wollte?

    Anders sei ja diese Aussage nicht zu verstehen. kaum vorstellbar, dass man der Meinung sein kann, dass es mit dem jeweiligen Bond-Girls nicht immer dasselbe sei.

    Oder sie hatte nicht alle Folgen gesehen – was aber nicht unbedingt als “Entlastung” vom Vorwurf Geltung erhält. Die Tendenzen sind eben eindeutig – es kommt eben nict darauf an, welche man betrachtet. Also ist es scheinbar so, dass sich dieser Frau gemäß eben nicht alle Frauen in einer idealisierten Emanzipazionssituation wiederfinden wollen und bestimmte sogenannte “Vorteile” gerne erhalten haben wollen.

  3. Dann hoffen wir mal, dass die Mädchen von der Mädchenmannschaft den Text auch lesen und sich bei der nächsten Diskussion einen aufgeklärten Standpunkt anstecken können.

    … wobei, eigentlich ist der Beitrag ja Mansplaining vom Feinsten.