Ganz ohne Ironie

BLOG: Con Text

Wörter brauchen Gesellschaft.
Con Text

 

Was für ein Quatsch. Selbstverständlich funktioniert Ironie auch schriftlich. Und im Internet. Sogar auf Twitter. Klar, sie ist so etwas wie der kleine, feine Bruder der im allgemeinen sehr viel deutlicheren Satire. Wer schon Schwierigkeiten hat, einen subtilen Schlag mit dem Vorschlaghammer in die Magengrube einzuordnen, der wird Ironie kaum erkennen.

Ironie ist auch ein Stilmittel der Satire, speziell der Horaz’schen, die eher sanft daherkommend ganz allgemeine Schwächen auf die Schippe nimmt. Dabei stellt sich oft der Autor selbst in den Mittelpunkt, zeigt erst verärgert auf die anderen, um zum Schluss überrascht zu bemerken, dass er selbst genau dessen schuldig ist, was er anderen vorwirft.

Ein Meister dieser Form selbst-entlarvender Satire war Hugo Wiener, dessen Text zum Plagiieren Sie sich anhören sollten.

Über die Jahrtausende hat Ironie so viele Bedeutungen gehabt, dass eine eindeutige Definition kaum möglich ist; ähnlich wie ‘zynisch’ war es mal einfach beleidigend, mal verehrtes Stilmittel, dann wieder unmodisch. Gerne genommen wird ‘das Gegenteil dessen meinen, was man sagt/schreibt’. Keine sonderlich intelligente Begriffsbestimmung, beschreibt sie doch viel besser die Lüge.

Immerhin zeigt diese Erklärung, weshalb es nicht ganz einfach ist, Ironie zu erkennen – vor allem in [kurzen] Texten: Der Kontext ist wichtig. Als Leser muss ich die generelle Stellung des Autors zur Welt und zum Gegenstand zumindest einschätzen können, ich muss schon einiges an Texten von ihm konsumiert haben. Woher soll ich sonst wissen, welche wahre Intention er hat?

Die letzte Zigarette vor dem Krankenhaus

Für mich ist Ironie immer ein Mittel, Distanz zu sich selbst zu gewinnen, um sich selbst beobachten zu können. Womit aus meiner Sicht das Wort ‘Selbstironie’ überflüssig ist. Kontraproduktiv ist Grimassenschneiden. Ironie funktioniert am besten, wenn ein gewisser Zweifel bleibt, nicht alle Fragen, vor allem nicht zur Form, geklärt werden. Dem gegenüber durch Augen verdrehen, Mund verziehen und sonstige Clownerien anzuzeigen, dass man es gerade nicht ernst meint, gehört zur Comedy – die tendenziell wenig ironisch ist.

Achten sie einmal bei klassischen double acts und Doppelconferencen1 auf den Klugen oder straight man. Er scheint keine der großen Pointen zu haben, doch ist es gerade seine Ernsthaftigkeit, die den ganzen Akt ermöglicht und langfristig komisch besteht. Beispiele sind Oliver Hardy [Stan & Olli, auch bekannt als Dick und Doof], Dean Martin [mit Jerry Lewis als Trottel/Clown], Bud Abbott [von Abbot & Costello], Ernie Wise [Morecambe & Wise] oder Carl Reiner [2000 Year Old Man, zusammen mit Mel Brooks, eben jenem sehr alten Mann].

Notes:
1. was uns wieder zu Hugo Wiener bringt, der diese Form der Bühnen-Comedy, wenn auch vielleicht nicht erfunden, so doch gemeinsam mit Karl Farkas und Fritz Grünbaum zu Höchstleistungen getrieben hat.

Nach dem Abitur habe ich an der Universität Hamburg Anglistik, Amerikanistik, Soziologie und Philosophie studiert. Den Magister Artium machte ich 1992/93, danach arbeitete ich an meiner Promotion, die ich aus verschiedenen Gründen aufsteckte. Ich beschäftige mich meist mit drei Aspekten der Literatur: - soziologisch [Was erzählt uns der Text über die Gesellschaft] - technisch [Wie funktioniert so ein Text eigentlich] - praktisch [Wie bringen wir Bedeutung zum Leser] Aber auch theoretische Themen liegen mir nicht fern, z.B. die Frage, inwieweit literarische Texte außerhalb von Literatur- und Kunstgeschichte verständlich sein müssen. Oder simpler: Für wen schreiben Autoren eigentlich?

4 Kommentare

  1. Ironie ist die nicht ernst gemeinte Lüge, korrekt. Der Zynismus meint die Hundigkeit, im übertragenden Sinne, die Reflektion (“Reflexion”) des Primaten.

    Tja, ansonsten, irgendwo zwischen Karl Dall, Harald Schmidt und Helge Schneider hat der doitsche Humor wohl in den Neunzigern seinen Höhepunkt erreicht.
    I.p. Satire wären andere zu zitieren,
    MFG
    Dr. W

  2. Ironiker ist meist Synonym für Spötter. Im Gegensatz zum Humor gibts eigentlich bei der Ironie nichts zu Lachen und unterschwellig steckt meist auch ein Schuss Aggressivität dahinter.. Wer ironisch ist, distanziert sich und zeigt zugleich Bildung. Auch Selbstironie ist etwas Anderes als sich humorvoll über sich selbst lustig machen. Selbstironie wird meist theatralisch und inszeniert vorgetragen und auch so empfunden. Wer Ironie nicht versteht fällt durch. Er zeigt sein fehlendes Wissen und den fehlenden Durchblick – etwas womit sich der Ironiker selbst ausgestattet sieht.

    • Im Gegensatz zum Humor gibts eigentlich bei der Ironie nichts zu Lachen und unterschwellig steckt meist auch ein Schuss Aggressivität dahinter..

      Es kann schon zum Lachen anregen, wenn eine unzulängliche Argumentation diese scheinbar annehmend aufs Korn genommen wird.

      Selbstironie wird meist theatralisch und inszeniert vorgetragen und auch so empfunden.

      Es gibt eine Humortheorie, die besagt, dass das Erkennen der Grenzen der Erkenntnis den Humor hat entstehen lassen; die Selbstironie könnte dieses Erkennen der eigenen Grenzen betonen wollen.

      Dass Humor-Nichtversteher gelegentlich ausgegrenzt werden, liegt in der Natur der Sache, gilt aber für alle Bereiche, in denen Nichtversteher dabei sind. Es muss also keine sozusagen innewohnende Arroganz vorliegen, wenn unter Zuhilfenahme der hier erörterten Stilmittel kommuniziert wird.

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