MPIA: Tag der offenen Tür 2009

BLOG: Clear Skies

Astronomie mit eigenen Augen
Clear Skies

Das Wetter spielte mit, als das Max-Planck-Institut für Astronomie Heidelberg (MPIA) am gestrigen Sonntag zum "Tag der offenen Tür" einlud. Die Gelegenheit nutzten viele Neugierige, um auf den Heidelberger Königstuhl zu pilgern und Astronomen über die Schulter zu schauen. Hier nun einige Impressionen des Astronomie-Festes, das Einblicke in spannende Forschungsbereiche ermöglichte, ein Lehrstück gelungener Öffentlichkeitsarbeit war und einfach Spaß bereitete. Ein schöner Mosaikstein zum IYA 2009!

Der kostenlose und in den Medien angekündigte Bus-Transfer auf den Königstuhl und zurück klappte hervorragend, weshalb mich verwunderte, wie viele Besucher – auch mit HD-Kennzeichen – offenkundig nicht auf die Anfahrt im eigenen Auto verzichten wollten und sich einen Parkplatz irgendwo in der Pampa suchen mussten. Nun gut, der damit verbundene weitere Spaziergang zum MPIA dürfte keinem der Selbstfahrer gesundheitlichen Schaden zugefügt haben.

Das Angebot – in einer 16seitigen Broschüre detailliert präsentiert, die jeder Besucher im Eingangsbereich erhielt – war umfangreich und jeder Gast hätte wohl Tage am MPIA zubringen können, um sämtliche der 30 "Stationen" ausführlich zu begutachten und die vielen Vorträge zu hören. Vielleicht sind ja auch zukünftige Forscher und Forscherinnen, wie beispielsweise die junge Dame auf obigem Foto, auf den Geschmack gekommen und haben Feuer gefangen für die Astronomie.

Wohl jeden faszinierte der Blick durch´s Sonnenteleskop, auch wenn die Sonne derzeit leider keine spektakulären Flecken zeigt.

Auch für Kinder war viel geboten: Vor der Ostkuppel gab es Experimente und Modelle zu unserer kosmischen Umgebung, Bastelspiele und Spannendes zur Raumfahrt.

In der Warteschlange vor dem 28-Zoller in der Ostkuppel dozierte ein etwa 10jähriger Junge über Apollo-Missionen und ich war zunehmend überrascht über seinen Sachverstand und sein Wissen. Ich würde ihm glatt zutrauen, dass er in ein paar Jahren ein Buch über den Mond schreiben kann, das weit besser ist als jenes aktuelle dtv-Machwerk über unseren Erdtrabanten. Kinder begeistern sich für Astronomiethemen auffallend mehr als manche "Wissenschaftsautorin".

Ein anderer Junge fragte seine Eltern mit Blick auf das Schild am Aufgang zum 70-cm-Teleskop in der Ostkuppel ganz zaghaft, ob ein "Telekop" ein spezielles Teleskop sei… In der Tat: Auf dem Schild steht "Telekop" und mir fiel dieser lustige Fehler erst auf, nachdem der aufmerksame Junge gefragt hatte. 🙂  Ein schönes Beispiel für die Funktionsweise des menschlichen Gehirns, das Lücken oder Buchstabendreher etc. automatisch kompensiert. Nicht nur Schlussredakteure wissen darüber diverse Lieder zu singen.

Das Warten lohnte: Wohl jeder dieser Gruppe würde hier gerne mal in einer klaren Nacht mit dem 70-cm-Teleskop in der Ostkuppel in den Sternhimmel abtauchen und auf Bilderfang gehen. Dieses Teleskop dient übrigens u.a. dazu, beim MPIA entwickelte Geräte zu testen.

Die beiden MPIA-Mitarbeiter Dipl.-Physiker Markus Schmalzl, einer der rund 60 Doktoranden, die derzeit am MPIA promovieren, und Dr. Martin Hennemann demonstrierten die Möglichkeiten bodengebundener optischer Astronomie und bannten Deneb, den hellsten Stern des Sommersternbildes Schwan, auf den Chip der stickstoffgekühlten CCD-Kamera, wohlgemerkt am Taghimmel! Am Monitor wurde Deneb dann mit etwas Phantasie erkennbar. Auf dem Steuerpult konnten staunende Kids dann sehen, wie schnell sich bei abgeschalteter Nachführung des Teleskops die Himmelskoordinaten ändern und Objekte aus dem Bildfeld wandern. "Upps, so flott dreht sich die Erde?"

400 Jahre nachdem Galileo Galilei zum ersten Mal sein Teleskop auf den Sternhimmel richtete, erforschen Wissenschaftler am MPIA den Kosmos, entwickeln dazu modernste technische Hilfsmittel und sind an vorderster Forschungsfront dabei. Hier zwei exemplarische Bilder für Gespräche zwischen Astronomen und interessierten Besuchern. Zum einen informiert Dr. Ulrich Klaas, über das Projekt ISOPHOT. Auf dem unteren Bild ist Dr. Markus Nielbock zu sehen, der über Möglichkeiten der Beobachtung mit dem kürzlich gestarteten Weltraumteleskop Herschel berichtet.

In der Tat, am MPIA arbeiten viele Forscher… 😉

Hier erklärt ein Vater seiner Tochter das Universum. Das kleinstmaßstäbige Modell zeigt nicht mehr einzelne Galaxien, sondern Galaxienhaufen. Nicht nur die gewaltigen Distanzen im Kosmos überfordern das Vorstellungsvermögen menschlicher Wesen.

Viele Vorträge und Filme informierten über die Arbeit des MPIA, aktuelle Projekte und spannende Fragen der Astronomie.

Auch der Vortrag des Doktoranden Dipl.-Physiker Alexander Karim über Galaxien, den ich hier exemplarisch nenne (sämtliche Vorträge die ich mir herausgepickt hatte, waren hervorragend und ich hätte gerne noch mehr gehört!), hatte dieses letztlich Unvorstellbare im Fokus. Er nahm seine Zuhörer auf eine Reise vom Sonnensystem über unsere Heimatgalaxie Milchstraße bis hin zu fernsten Galaxien auf dem Hubble Deep Field, und betrieb ein wenig kosmische Heimatkunde. Alle beim Vortrag Anwesenden sollten nun exakt wissen, wo sich unser Sonnensystem befindet. Ich hoffe, alle Selbstfahrer unter den Zuhörern haben dennoch später ihre Autos wiedergefunden und sich nicht in den Weiten des Universums verirrt.


Alle Fotos: Stefan Oldenburg

Natürlich war auch die Redaktion Sterne und Weltraum vertreten, verkaufte unter der sengenden Sonne fleißig astronomischen Lesestoff und half u.a. manchem Gewinnspieler auf die Sprünge, der nicht genau wusste, wie groß denn eigentlich der voluminöseste Planet unseres Sonnensystems, Jupiter, ist.

Wenn mir eines an diesem facettenreichen Astronomie-Fest auf dem Heidelberger Königstuhl besonders auffiel: Die Begeisterung der Forscher, die ansteckend wirkt. Nicht einem Astronomen lauschte ich, dem nicht die Faszination für sein Fach anzumerken gewesen wäre. Schöner kann sich Wissenschaft nicht präsentieren. Ein großes Dankeschön an alle MPIler und die vielen Helfer für diese gelungene Einladung!

Clear Skies – Stefan Oldenburg

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Astronomische Themen begeistern mich seit meiner Kindheit und ich freue mich, Zeuge des goldenen Zeitalters der Astronomie zu sein. Spannende Entdeckungen gibt es im Staccatotakt, aber erst im Erkunden unserer kosmischen Nachbarschaft mit den eigenen Augen liegt für mich die wirkliche Faszination dieser Wissenschaft. "Clear Skies" lautet der Gruß unter Amateurastronomen, verbunden mit dem Wunsch nach guten Beobachtungsbedingungen. Deshalb heißt dieser seit November 2007 bestehende Blog "Clear Skies".

2 Kommentare

  1. Faszination Wissenschaft …

    … eine untergegangene Tugend?

    Im “Internationalen Jahr der Astronomie” – ich war dieser Tage im “Sternenzelt” in Bonn – tritt eine der ältesten Wissenschaften der Menschheit ans Licht der Öffentlichkeit, die wie kaum eine andere durch eindrucksvolle Versuche und machtvolle Bilder die Menschen in ihren Bann ziehen kann und zieht. Man stelle sich unsere Kid’s der immer wieder postulierten “Null-Bock auf Bildung”-Generation vor, die vor einem Zelt schlange stehen in dem man Dinge betrachten und erklärt bekommen kann, die ansonsten im Schulalltag im gefürchteten Physikunterricht (in Ansätzen) vermittelt werden.

    Was zeigt uns das?

    Dass wir an die Wissensvermittlung zu naturwissenschaftlichen Themen auch im 21 Jahrhundert noch mit Kreide und Rohrstock gehen, letztlich an den kognitiven Fähigkeiten der jungen Zielgruppe vorbei, die nichts mehr fesselt als das praktische Verstehen ihrer Umwelt, und die wenn sie erst einmal von einem Thema gefesselt ist auch die Bereitschaft mitbringt, sich intensiv damit zu befassen.

    Nicht jedes Jahr steht ein Vehikel zum Transport von Themen und zur Imagepflege der Wissenschaft zur Verfügung wie das IYA2009.
    Was wir meiner Ansicht nach schaffen müssen ist in den bestehenden Strukturen Schnittstellen zu schaffen, über die wir das Geschehen der Wissenschaft an die Menschen herantragen und sie damit für die Wissenschaft begeistern können.

    Wie wollen wir in die Zukunft gehen, unsere Position als Standort von Spitzenforschung halten oder ausbauen, wenn die Wissenschaftsphobie in weiten Kreisen der Bevölkerung alles ist, was wir zu bieten haben?

  2. Pingback:Vorschau auf den astronomischen Tag der Offenen Tür auf dem Königstuhl › RELATIV EINFACH › SciLogs - Wissenschaftsblogs

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