Mondbasis für 13.000 Amerikaner

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Astronomie mit eigenen Augen
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Oho – diese Meldung lässt einen aber aufhorchen: Newt Gingrich, einer der republikanischen Möchte-Gern-Präsidenten, die sich im amerikanischen Vorwahlkampf derzeit von ihrer glänzendsten Seite zeigen, möchte zum Mond!

Nein, nicht er selbst will zum Mond reisen, vielmehr kündigt Herr Gingrich eine permanente Mondkolonie für gleich 13.000 US-Amerikaner an! Hossa – das ist mal ein Wahlkampfversprechen, das sich nicht in der sonst üblichen Kleinlichkeit verliert. Lassen wir uns dieses große Wort auf der Zunge zergehen, Silbe für Silbe: Eine Mondkolonie für 13.000 amerikanische Mondbewohner, eine Kleinstadt, größer als das badische Eppelheim auf dem Mond. Das ist toll!

Gingrich dazu: “Wenn erst einmal 13.000 Amerikaner auf dem Mond leben, könnten die einen eigenen Staat beantragen.” Und: “Ich will, dass jeder junge Amerikaner zu sich selbst sagt: Ich könnte einer dieser 13.000 sein, ich könnte ein Pionier sein. (…) Ich könnte tatsächlich die Zukunft leben, ich könnte auf das Sonnensystem schauen und Teil einer Generation von mutigen Menschen sein, die etwas Großes, etwas Gewagtes, etwas Heroisches tun.” Das sind wahrlich große Worte.

Und die Kosten für ein solches Unterfangen? Keine Silbe dazu aus dem Munde des Wahlkämpfers, schließlich zeigt jemand, der sich als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sieht, Größe, nichts als Größe. Bei mehr als 15 Billionen Dollar Staatsschulden muten derartige Plane äußerst realistisch an.

Und der Zeitplan? Hier stockt dem normalsterblichen Bewohner des “Alten Europa” erneut der Atem, denn auch der Zeitplan des Herrn Gingrich ist hochambitioniert: Schon 2020 soll die Mondkolonie in Betrieb sein! O.K., heute ist Herr Gingrich 68 Jahre alt, er wird bis zum Jahre 2020 nicht jünger werden. Verständlich, da würde ich an seiner Stelle auch Gas geben, um diesen tollen Erfolg nicht aus der Gruft heraus erleben zu müssen.

Hätte er “Visionen”, würde er zum Arzt gehen, sagte Helmut Schmidt einmal. Eines von vielen weisen Worten aus dem Munde des Altkanzlers. Herr Gingrich hat offenkundig heftige “Visionen”. Denn bis zum Jahre 2020 will er seine Landsleute gar zum Mars schicken. Auch das ist eine tolle Idee, die vor Realismus geradezu strotzt, schauen wir uns den derzeitigen Zustand der amerikanischen Raumfahrt an.

Ich wüsste gerne, wie Stammwähler der Republikaner über diese tolle Idee des Herrn Gingrich denken, wenn sie ihm gerade nicht zujubeln. Aber wissen sie überhaupt, wo am Firmament sie den Erdtrabanten finden – oder gar den roten Planeten? Schließlich dreht sich für viele dieser US-Bürger ja die Sonne um die Erde. Erinnern wir uns an den letzten republikanischen Präsidenten, einen glühenden Verfechter kreationistischer Ideen: Für ihn gelten nicht wissenschaftliche Erkenntnisse aus Geologie und Biologie, sondern die Worte Genesis 1, 1-31. Und zwar wörtlich, Silbe für Silbe.

Die Idee einer Mondkolonie ist nicht schlecht. Danke, Herr Gingrich, für diesen tollen Einfall! Man könnte sich vorstellen, in diese Mondkleinstadt Politiker zu schicken, die einem auf Erden gar zu arg auf die Nerven gehen. Ob dort auch Platz ist für einige deutsche Politiker? Hoffentlich! Bitte, Herr Gingrich, lassen Sie auch Nicht-Amerikaner in Ihre Mondkolonie! Und – bitte errichten Sie Ihre Vision auf der erdabgewandten Seite des Mondes.

Clear Skies, Stefan Oldenburg

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Astronomische Themen begeistern mich seit meiner Kindheit und ich freue mich, Zeuge des goldenen Zeitalters der Astronomie zu sein. Spannende Entdeckungen gibt es im Staccatotakt, aber erst im Erkunden unserer kosmischen Nachbarschaft mit den eigenen Augen liegt für mich die wirkliche Faszination dieser Wissenschaft. "Clear Skies" lautet der Gruß unter Amateurastronomen, verbunden mit dem Wunsch nach guten Beobachtungsbedingungen. Deshalb heißt dieser seit November 2007 bestehende Blog "Clear Skies".

10 Kommentare

  1. Woher kommt das Geld?

    Also, das Militärbudget der USA liegt meines Wissens bei etwa 500 Milliarden Dollar jährlich. Hinzu kommen noch sehr viele Milliarden, die zwar direkt mit dem Militár zusammenhängen, aber außerhalb des direkten Militärbdudgets angesiedelt sind. Manche Beobachter sprachen während der letzten Bush-Jahre vom “trillion Dollar defense budget”. Wohlgemerkt ist eine US-Trillion das, was wir als Billion bezeichnen, also Tausend Milliarden.

    Aber nehmen wir mal einfach das offizielle Verteidigungsbudget. Sagen wir, dass das einfach halbiert würde. Dann wäre es immer noch das größte Militärbudget der Welt, wenn auch nicht mehr so groß wie das aller anderer Nationen zusammengenommen. Das heißt, die USA wären selbst dann keineswegs klein, nackt und schutzlos.

    Also, 250 Milliarden Einsparung im Jahr.

    Dann könnte man die Steuervergünstigungen für Reiche und für Kapitalerträge ganz streichen, oder kräftig reduzieren. So würde man ohne Neuverschuldung auskommen und könnte von den 250 Milliarden Budgeteinsparung jährlich 200 Milliarden zur Schuldentilgung nutzen. Alle 5 Jahre eine Billion getilgt, das wäre doch ein Wort.

    Und der Charme dabei ist, dass immer noch 50 Milliarden Mittel verblieben. Die könnte man für Bildung iund Forschung nutzen. Und auf einmal wären eine ganze Menge angeblich viel zu teurer und ganz und gar nicht finanzierbarer Projekte machbar. Dann würde man – meine Prognose – sehr schnell merken, dass alles in Bildung und Forschung investierte Geld, selbst wenn ein Projekt mal nicht so läuft, wie erhofft, immer noch wesentlich m,ehr positiven Ertrag erbringen würde als dasselbe in die Rüstung investierte Geld.

    Unrealistisch? Wieso?

    Vielleicht kann man das ja auch als positives Zeichen werten und hoffen, dass der Herr Gingrich auf seine alten Tage noch zum Sozialdemokraten wird und das Ganze genau so durchzieht, wie ich das oben umrissen habe.

    Was nun Helmit Schmidts Ansichten angeht – ja, alte Leute und natürlich auch alte Politiker haben Angst vor Visionen. Die wollen gar keine großen Veränderungen mehr, sondern mit Minimalaufwand weiterwursteln. Leider ist die Ansicht hierzulande sehr weit verbreitet. Weise finde ich das aber nicht.

  2. Mondbasis für Touristen

    Jetzt aber! Da müssen die Republikaner wohl zeigen, dass sie nicht ganz so fortschrittsfeindlich sind, wie ihnen immer vorgeworfen wird. Ich verstehe auch nicht, wieso die Zeitungen darüber immer nur ablästern, denn eigentlich ist das doch mal eine gute Idee, oder? Naja, es werden noch ein paar Details zu klären sein und über das Geld hat sich ja mein Vorredner schon Gedanken gemacht. Hinzu kommt, dass Gingrich sich da ganz stark auf private Investoren verlassen will. Ich könnte mir so eine Mondstation schon vorstellen, die müsste wegen der fehlenden Atmosphäre ja wohl “überdacht” werden. Genau das Richtige für Leute, die ihren Urlaub gerne in All-Inklusive-Touristenghettos verbringen wollen.

  3. Die Erdbasis stagniert trotz Milliarden$

    Newt Gingrich träumt davon die Zukunftsträume seiner Kindheit während seiner (erhofften) Amtszeit als Präsident zu realisieren. Er ist aber so praktisch veranlagt, dass er solche Weltraumexpansionspläne im Bundesstaat Florida vorträgt, dem Staat, der die meisten NASA-Arbeitsplätze hat.

    Trotz aller Phantasterei gibt es doch insinktiv richtige “Reflexe” in seinen Überlegungen: Die vielen Milliarden, die in den USA ins Weltraumprogramm investiert werden zeigen kaum sichtbare Resultate. Eine Mondbasis wäre immerhin etwas. Ferner will er einen beträchtlichen Teil des NASA-Budgets privaten Firmen wie SpaceX, Bigelow, Blue Origin, … zur Verfügung stellen. Ja, es gibt viele Weltraumenthusiasten in den USA und diese haben auch schon dutzende von neuen Firmen gegründet, aber ihnen fehlen die Aufträge. Die könnten von der NASA kommen. Die NASA selbst ist doch offensichtlich zu einem bürokratischen Koloss verkommen, der sein Geld vor allem für Beamte ausgibt, die selbst schon gar nicht mehr an die Raumfahrt glauben.

    In den beiden Next-Big-Future Artikeln /space technologies that would help enable a more permanent moon base und What are near and long term advantages of a permanent moon base wird aufgezeigt, dass ein solches Projekt, wenn richtig aufgegleist, ganzen Technologiefeldern einen kräftigen Schub verleihen könnte, beispielsweise der Robotik.

    Noch eine Bemerkung zu den 15 Billionen Staatsschulden oder zum jährlichen US-Verteidigungs-Budget von 500 Milliarden Dollar: Diese Zahlen zeigen doch, dass nicht nur “hirnspinnige” Visionen jedes Budget und jedes Verhältnis sprengen können, sondern auch so profane Visionen wie die militärische Dominanz der USA in der Welt oder die Vision, dass jeder US-Bürger auch ein Eigenheimbesitzer ist. Vielleicht sollte man Visionen mehr auf Dinge verlegen, die keine direkten Auswirkungen auf den Alltag haben wie eben die Weltraumfahrt, anstatt all sein Geld und noch etwas mehr für so etwas reeles wie ein Eigenheim auszugeben.

  4. Kleiner Dämpfer

    Leider will auch Newt Gingrich seine Finger nicht vom Krieg lassen. Im Falle eines Wahlsieges hat er eine harte Haltung gegenüber Kuba angekündigt. Er schloss sogar einen Militäreinsatz gegen die kommunistische Regierung grundsätzlich nicht aus. Castro sagte daraufhin über den republikanischen Kampf um die Präsidentschaftskandidatur, dies sei der “größte Wettstreit in Dummheit und Ahnungslosigkeit, von dem ich jemals gehört habe.”
    http://derstandard.at/…roht-mit-Angriff-auf-Kuba

  5. Newt und der Mond

    Stefan, ich glaube Du brauchst Dir keine großen Sorgen machen. Erstmal muss Newt Gingrich Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden, dann muss er als solcher Obama schlagen und dann sieht er sich zu allem Überfluss auch noch mit den Realitäten konfrontiert, selbst wenn er die Augen ganz fest zumacht. Wenn dann noch eine Mondbasis für 13 Leute bis 2030 übrig bleibt, dann wird das schon beachtlich viel sein, und ich nehme mal an, gegen die Größenordnung hättest Du auch nichts. Schon der “Clear Skies” wegen, die’s dort hat.

    Auch in anderer Hinsicht sind keine Sorgen nötig: Geld für Raumfahrt wird, im Gegensatz zur landläufig weit verbreiteten Meinung, immer auf der Erde ausgegeben. Im Zweifelsfall bekommt es also eher der Metzger um die Ecke als der Mann im Mond.

    Sollten da aber tatsächlich wider alles Erwarten 2020 schon 13.000 Leute sein, dann dürften die Reisevoraussetzungen für den Trip dahin in den dann zu dutzenden hin und her pendelnden lunaren Mayflowers soweit gesunken sein, dass ich da auch mitkann. Na, und das mach ich dann doch.

    Eppelheim werd ich vermutlich erst dann besuchen, wenn ich wieder zurück bin. Auch wenn da grade, wie’s der Zufall will, passender weise eine deutsch-amerikanische Freundschaftsausstellung stattfindet.

  6. Man muss Gingrich immerhin zugute halten, dass seine Mondbasis kein reiner Wahlkampftrick ist, sondern dass er während seiner ganzen politischen Karriere immer wieder mit tollen und tollkühnen Raumfahrtprojekten vorgeprescht ist. Und letztlich ist mir ein Politiker, der sich Gedanken über die Zukunft macht und Visionen entwickelt, allemal lieber als ein Altkanzler, der vor lauter Rauch nicht über die eigene Nasenspitze hinaus schauen kann und will… Nur etwas realitätsnäher dürften die Visionen (wie damals bei JFK) schon sein.

    Davon abgesehen: Wenn die Vorwahlen in Florida vorbei sind, wird Raumfahrtpolitik im Vorwahlkampf ohnehin kaum noch eine Rolle spielen.

  7. Raumfahrtvisionär Gingrich?

    Um 1993 oder 1994 wollten die Republikaner im Kongress die Saturn-Mission Cassini-Huygens stoppen. Angeblich zu teuer, oder was auch immer, wahrscheinlich ging es nur darum, dem damaligen demokratischen Präsidenten Bill Clinton an den Wagen zu fahren.

    Clinton fand sich damals in derselben Situation wie Obama heute: Der Wirtschaft ging es schlecht, die Schulden waren hoch, und die Ausgaben mussten dringend zurückgefahren werden – Das macht man natürlich gern dort, wo es am wenigsten Widerstand gibt, also bei der Wissenschaft.

    Da aber Cassini-Huygens eine Gemeinschaftsmission zwischen NASA, ESA und Italienern war, gab es gegen die Streichungsbestrebungen Widerstand aus Europa. Druckmittel der Europäer war die vorgesehene Beteiligung an der ISS. Die Mission Cassini-Huygens war gerettet und wurde zu einer phänomenal erfolgreichen planetaren Mission.

    Newt Gingrich war damals Führer der republikanischen Mehrheitsfraktion im US-Repräsentantenhaus. Vielleicht kann man an dieser Aktion, an der er maßgeblich beteiligt war, sein wirkliches Interesse an Raumfahrt und das Ausmaß seiner Vision ermessen. Worte sind eine Sache, gerade in der Politik. Wesentlich ist, was einer macht. Gingrich ist auch der Architekt der “republikanischen Revolution”, die wahrscheinlich wie keine andere Einzeltat die Ungleichheit in der US-Gesellschaft vertiefte.

    Der Name Gingrich erinnert mich immer an eine Figur aus dem Billy-Wilder-Fim “Der Glückspilz” mit Jack Lemmon und Walter Matthau. Matthau spielt dort den schmierigen Winkeladvokaten Willie Gingrich, spezialisiert auf Schadenersatzfälle und bei den von ihm mit Vorliebe verklagten Versicherungsfirmen bekannt als “Fisimatenten-Willie”.

  8. Wir sollten die Baustoffe liefern

    Wenn ich mir diese Nachricht nochmal ansehe und mit der News von heute verknüpfe, die besagt, dass die ESA einen 3D-Drucker plant, mit dem man auf dem Mond aus Mondgestein Bausteine für eine Modbasis drucken kann…
    fällt mir nur ein, “Wir sollten den Amerikanern den Drucker schenken und die Druckerpatronen (teuer) verkaufen” 😉

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