Die Zukunft der Erde

BLOG: Clear Skies

Astronomie mit eigenen Augen
Clear Skies

Eine dichte Schneedecke liegt über Deutschland, es ist Heiligabend, Kerzenschein flackert durch Fenster, hinter denen gelassene und friedfertige Menschen einander reich beschenken, beschauliche Weihnachtstage stehen bevor. Eine wahrlich passende Gelegenheit, sich mit dem besinnlichen Thema der Zukunft der Erde zu beschäftigen.

Sie bilden eine echte Schicksalsgemeinschaft, und beide sind gleichzeitig durch den gravitativen Kollaps einer interstellaren Gaswolke entstanden: Sonne und Erde, und dazu viele weitere große und kleine Himmelskörper unseres Sonnensystems. Die Erde kreist seit 4,56 Milliarden Jahren um jenen Stern des Spektraltyps G2V, den wir "Sonne" nennen. Auf dem Planeten Erde gäbe es kein Leben ohne sein Zentralgestirn. Und genauso unzweifelhaft ist: Dereinst wird die Sonne das Leben auf der Erde auslöschen und unserem Heimatplaneten über einen langen Zeitraum kräftig einheizen. Wenn die Sonne die Hauptreihe in fünf Milliarden Jahren verlassen wird, und sich für etwa 600 Millionen Jahre zu einem Roten Riesen aufbläht, bleibt von der Erde bestenfalls ein atmosphärenfreier und verkohlter Gesteinsklumpen übrig. Dieser Brocken kann dann (vielleicht!) ganz entspannt dabei zuschauen, wie sein Zentralgestirn zu einem von einem planetarischen Nebel umgebenen Weißen Zwerg mutiert.

Die Inhalte dieser Zeilen bieten keinen Grund für Ängste. Erstens dauert es selbst in geologischen/astronomischen Dimensionen bis zum vollständigen Exitus irdischen Lebens noch recht lange, und bis dahin werden sich noch zwei Superkontinente gebildet und wieder aufgespalten haben. Zweitens drohen in der Tat naheliegendere kosmische Gefahren wie etwa Asteroideneinschläge, und drittens wird die Spezies homo sapiens das sich über viele 100 Millionen Jahre hinziehende Ende seines Heimatplaneten keinesfalls mehr erleben – weder aus der Nähe noch aus der Ferne.

Was mich persönlich am "Goldenen Zeitalter der Astronomie" so begeistert, in dem wir uns zweifelsohne befinden, ist unter anderem die Tatsache, dass wir beispielsweise über ein Thema wie dieses Aussagen treffen können, die auf Beobachtungen und naturwissenschaftlich fundierten Folgerungen basieren. Wenn wir über die Zukunft der Sonne Aussagen treffen, dann funktioniert dies, weil wir andere Sterne desselben Spektraltyps G2V beobachten. Weil es viele Exemplare dieses sehr langlebigen Sterntyps in unserer kosmischen Umgebung gibt, den wir in unterschiedlichen Stadien seiner Existenz "sehen", können wir rückschließen auf die Vergangenheit und die Zukunft der Sonne – und somit auf die Zukunft der Erde.

500 Millionen Jahre bleibt Zeit

Die Sonne fusioniert in ihrem Kern über die Proton-Proton-Reaktion Wasserstoff zu Helium. Ihre Strahlungsleistung hat stetig zugenommen, und wird weiter zunehmen. Heute leuchtet sie um etwa vierzig Prozent heller als einige Millionen Jahre nach ihrem Entstehen. Über die folgenden 1,1 Milliarden Jahre wird die Leuchtkraft der Sonne um zehn Prozent und nach 3,5 Milliarden Jahren um vierzig Prozent steigen.

Im Moment befindet sich die Sonne in der Mitte ihrer rund zehn Milliarden Jahre dauernden Lebensspanne, und der "Sonnen-Akku" ist noch mehr als halb voll. Erst in etwa 5 Milliarden Jahren wird sich ihre Energiequelle erschöpfen. Dennoch wird es bereits zuvor zu gravierenden Änderungen auf der Erde kommen: So wie wir sie heute kennen, wird die Erde noch etwa 500 bis 800 Millionen Jahre durch höhere Lebensformen bewohnbar sein. Durch die wachsende Strahlungsleistung der Sonne werden die Temperaturen auf der Erde langsam aber stetig ansteigen und den anorganischen Kohlenstoffzyklus beschleunigen. Die CO2-Konzentration in der Erdatmosphäre wird dadurch deutlich sinken, bis herunter auf 10 ppm (derzeit liegt sie bei 380 ppm) in 1,5 Milliarden Jahren. Schon deutlich eher, in etwa 900 Millionen Jahren, werden deshalb auch die letzten Pflanzen absterben, so dass auch der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre stetig abnehmen wird. Die globale mittlere Temperatur wird in etwa einer Milliarde Jahre auf +45 °C angestiegen sein. Alle Tiere werden innerhalb eines geologisch kurzen Zeitraums weniger Millionen Jahren verschwunden sein.

Auch die folgenden Entwicklungen lassen sich abschätzen: Nach einer weiteren Milliarde Jahren wird das gesamte Oberflächenwasser auf der Erde verdunstet sein, und die globale mittlere Temperatur wird nach 1,6 Milliarden Jahren +70 °C erreichen. Die Ozeane beginnen zu verdampfen, infolgedessen der Wasserdampf in der Atmosphäre zunehmen und die Temperatur kurzzeitig auf +250 °C steigen wird. Flüssiges Wasser wird auf der Erde dann in einem geologisch relativ kurzen Zeitraum nicht mehr vorhanden sein. Über einen deutlich längeren Zeitraum mehrerer 100 Millionen Jahre wird die Erde dann ihre Atmosphäre verlieren.

Die Sonne wird zum Roten Riesen

Wenn die Sonne in etwa fünf Milliarden Jahren zu einem Roten Riesen mutiert, dehnt sich ihr Radius innerhalb weniger Millionen Jahre auf das etwa 200-250-fache ihres derzeitigen Radius auf rund 1 AE aus. Weil die Sonne in diesem Stadium bis zu 30 Prozent ihrer Masse verlieren wird, wird sich auch die Umlaufbahn der Erde um die Sonne ändern. Simulationen ergeben etwa 1,7 AE. Daher wird die Erde zunächst auch nicht von der Sonne "gefressen" werden, wie man es landläufig immer mal wieder lesen kann. Die inneren Planeten Merkur und Venus wird dieses Schicksal wohl treffen, die Erde vermutlich erst später. Simulationen zeigen nämlich, dass die Erdbahn um die Sonne nicht stabil bleiben wird, und sie dennoch in die Atmosphäre des Roten Riesen gelangen und dabei zerstört werden kann. In dieser Phase wird es auf der Erde reichlich ungemütlich sein, weil die Sonne durch ihre rund 1000-mal so hohe Leuchtkraft wie heute die Erdoberfläche auf mehr als 1000 °C aufheizen wird. Gesteine schmelzen und Magmaozeane dominieren die Erdoberfläche. Nach dem Heliumflash im Alter von etwa 12,2 Milliarden Jahren beginnt die Sonne abzukühlen und zu schrumpfen. Nach dieser Phase von etwa 100 Millionen Jahren steigert sich die Leuchtkraft der Sonne wieder, die ihre äußeren Schichten als planetarischen Nebel abstößt, ehe sie zum Weißen Zwerg zu schrumpfen beginnt, der dann über die Jahrmilliarden immer schwächer und schwächer leuchten wird. Ob die Erde dann noch ihre Bahnen um diesen Stern ziehen wird, ist ungewiss. Gibt es die Erde dann noch, so ist sie ein verkohlter Gesteinsbrocken. Ein trauriges Ende, das zum Glück seeehr weit in der Zukunft liegt.

Jetzt ist Heiligabend

Wir reden hier über geologische Zeiträume, und jeder kann beruhigt sein: Bis sich die ersten Änderungen der Sonne auf der Erde bemerkbar machen werden, und dem Leben auf dem heute noch "blauen" Planeten ganz langsam, Stück für Stück, den Garaus machen werden, wird es den homo sapiens schon lange nicht mehr geben. Und bis zu seinem Abtreten kann der homo sapiens mit Sicherheit noch viele Weihnachtsfeste begehen.

Die Schneeflocken rieseln, bald ist Bescherung auch im Hause dieses Bloggers. 🙂  Da bleibt mir für heute nur noch, ein schönes Weihnachtsfest zu wünschen!

Clear Skies, Stefan Oldenburg

P.S.: Ach ja, dieser besinnliche Text soll mein verspäteter "Jubiläums-Beitrag" sein, schließlich feierten wir – von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbemerkt – im November "Drei Jahre KosmoLogs". 😉  Ich nutze gerne die Gelegenheit, meinen herzlichen Dank an all Jene loszuwerden, die auch im dritten Jahr der KosmoLogs Spaß, Freude, Ärger beim Lesen meiner bisherigen Beiträge verspürten – und mich das haben wissen lassen, sei es in Form von Kommentaren, E-Mails, Telefonaten, Gesprächen. Und mein herzliches Dankeschön geht natürlich an den Verlag Spektrum der Wissenschaft für die Möglichkeit, in diesem – nicht nur technisch bestens betreuten – Portal bloggen zu können.

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Astronomische Themen begeistern mich seit meiner Kindheit und ich freue mich, Zeuge des goldenen Zeitalters der Astronomie zu sein. Spannende Entdeckungen gibt es im Staccatotakt, aber erst im Erkunden unserer kosmischen Nachbarschaft mit den eigenen Augen liegt für mich die wirkliche Faszination dieser Wissenschaft. "Clear Skies" lautet der Gruß unter Amateurastronomen, verbunden mit dem Wunsch nach guten Beobachtungsbedingungen. Deshalb heißt dieser seit November 2007 bestehende Blog "Clear Skies".

6 Kommentare

  1. Dankeschön

    Ich bin auch ein Teil der Weltöffentlichkeit und regelmäßiger Nutzer dieses Blogs. Sogar Weihnachten, wie Sie bemerken. Und ich habe viel Freude dabei. Schade, dass Sie diesen tollen Beitrag nicht zwei Tage früher gebracht haben. Ich hätte ihn für meine Weihnachtsmail genutzt. So habe ich The Pale Blue Dot verwendet. Beide behandeln die Vergänglichkeit.
    Herzliche Grüße
    Horst Arndt

  2. Die Zukunft des Menschen

    Der Artikel macht klar: Die Zukunft der Erde als Ganzes beeinflusst die Zukunft des Menschen überhaupt nicht. Auch umgekehrt gilt: der Mensch kann sich noch so austoben, Megatonnen von Nuklearwaffen zünden, das letzte Tier zur Strecke bringen und dem Klima einheizen wie er nur will, das ändert nichts an der weiteren Geschichte des Planeten Erde.
    Doch eines macht er klar: Hinterlässt der Mensch durch sein Wirken nur noch die niedrigsten Lebensformen – Einzeller also – fehlt die Zeit für eine zweite Anthropogenese.

  3. Alter Astronomenwitz

    Dieser Artikel gibt mir die Gelegenheit, an dieser Stelle einen alten Witz loszuwerden, der unter Astronomen kursiert:

    Ein Astronom hält an einer Volkshochschile einen Vortrag über das Sonnensystem, seine Vergangenheit und seine Zukunft. Dabei nennt er auch die verbleibende Lebenszeit der Sonne: rund fünf Milliarden Jahre.

    Ihm fällt auf, dass einer der Zuhörer hier zusammenzuckt und im Verlauf des Vortrags immer fahriger und nervöser wird. Am Ende des Vortrags stürzt der Zuhörer nach vorne und fragt den Astronomen: “W .. Wie lange, sagten Sie, wird es die Sonne noch geben?”

    “Na, so fünf Milliarden Jahre” antwortet der Astronom.

    Da atmet der Zuhörer tief und erleichtert auf: “Ach so, fünf Milliarden! Ich meinte vorhin, fünf Millionen gehört zu haben.”

    🙂

    PS: Drei Jahre gibt’s uns schon? Und ich habe erst 127 Artikel ‘rausgehauen ….

  4. Unsere Aufgaben – unser (Über-?)Leben!

    An dem Sonnenschicksal können wir nicht „drehen“. Bei der Erde sehe ich das doch etwas Anders.
    In den letzten 50 Jahren hat sich die Bevölkerungszahl verdoppelt: 95% in Entwicklungsländern. Eine weitere Verdoppelung würde nach bisheriger Entwicklung in weniger als 50 Jahren erreicht!
    Wenn wir unsere Verluste bei Naturkatastrophen verringern wollen, müssen wir für bekannte Katastrophenräume (Erdbeben, Vulkanausbrüche, Überflutungen…) mehr Freiräume lassen. Entsprechende Räume benötigen wir auch für Wild-Pflanzen und Tiere – oder wollen wir nur noch Zoos? Schließlich muss auch unsere Nahrung (Pflanze und Tier) produziert werden – und es sollen glückliche Tiere sein. Daraus leitet sich zwangsläufig eine neue Einsicht zur Geburtenregelung ab!
    Das Beispiel Indien zeigt, dass ein deutlicher Geburtenrückgang bei steigendem Lebensalter mehr als nur kompensiert werden kann. Das sind Perspektiven, die unsere Generation schon interessieren sollte. Das Rückfahren der Rüstungsproduktion und der Kriegsbereitschaft lassen auch mehr Mittel in die sinnvollen Pläne zur Stabilisierung der Menschheit fließen.
    Wir sind nicht allein im All – aber unsere Probleme können und müssen wir selber lösen!
    Wir Menschen haben das Wissen und die Möglichkeiten,
    die Erde zu einem blühenden Garten zu entwickeln – oder mit ihr unterzugehen.
    Die Erde braucht uns nicht – wir aber die Erde! – Das sollten wir nicht vergessen!

  5. Ich hab’ den Artikel zum Glück erst heute, aslo NACH Weihnachten gelesen; trotzdem daran nichts zu ändern ist und es uns alle nicht mehr tangiert, fand ich’s dennoch deprimierend zu lesen (wenngleich schön geschrieben). Mag aber auch an meiner derzeitigen Stimmung liegen 😉

    Grüße aus Leipzig!

  6. Sonnenzukunft

    Alles ist vergänglich. Trotzdem häufen viele Leute Reichtümer an. Materielle Reichtümer und Reichtum an Wissen.

    Auch das Stadium des Weißen Zwerges wird vergehen. Wie wird eine erkaltete Sonne aussehen? Eine Eisenkugel mit Umhüllungen aus leichterem Material. Dunkel, kalt, und mit einer mörderischen Schwerkraft. Irgendwo in der Milchstraße gibt es sicher schon solche Ex-Sterne. Hoffentlich weit weg von der Erde.

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