Der Schöpfer am PC

BLOG: Clear Skies

Astronomie mit eigenen Augen
Clear Skies

Kürzlich landete zur Rezension ein Bildband beeindruckender Astrofotografien auf meinem Schreibtisch: Greg Parker und Noel Carboni: Star Vistas. Tolle Bilder, aber etwas machte mich schnell stutzig. Ich hatte den Eindruck, bei manchen Bildern sei am PC zuviel des Guten betrieben worden.

Leistungsfähige Amateurteleskope und moderne CCD-Kameras gestatten heute selbst dem Normalsterblichen, Astrofotos zu erstellen, die noch vor wenigen Jahren nicht denkbar waren. Immer freilich viel Erfahrung und Geduld des Astrofotografen sowie entsprechendes Equipment und dunklen Nachthimmel vorausgesetzt. Und – Bildbearbeitung am PC, die aus den Rohdaten dann die tollen Bilder zaubert. Doch genau hier liegt die Crux begraben. Was mich an jenem Bildband irritiert, sind Astrofotos, bei denen weit über das Ziel hinaus geschossen wurde und die zeigen, dass CCD-Astrofotos mit "alten" Schmidtplatten-Bildern oft nicht mehr viel gemein haben.

Ein Beispiel für übertriebene Bildbearbeitung ist ein Foto der Andromedagalaxie, bei der Noel Carboni die Vordergrundsterne unserer Milchstraße kurzerhand wegretouchiert hat. Im Buch findet es sich auf Seite 67.

Bildautoren Greg Parker und Noel Carboni, Quelle: http://www.starvistas.com/

Man kennt und nutzt die Werkzeuge, die Bildbearbeitungssoftware wie Photoshop bietet: Das Bild wird geschärft, Kontraste erhöht, Helligkeit modifiziert, Farbkanäle verändert – und auf dem Monitor erscheint ein tolles Astrofoto, vielleicht sind sogar plötzlich Nebel, wo vorher keine waren. Eventuell wird noch hier und da der Stempel eingesetzt, der Pixel bzw. ganze Pixelgruppen klont, und ratzfatz sind ein paar Sternchen verschwunden oder gar ganze Galaxien. Vielleicht finden sich diese Objekte an anderer Stelle wieder. 🙂

Bildbearbeitung exzessiv eingesetzt produziert keine Astrobilder, sondern Abbilder dessen, was sich der Astrofotograf/Bildbearbeiter wünscht. Unter Umständen entstehen reine Kunstprodukte ohne jeglichen wissenschaftlichen Wert wie jenes M-31-Bild ohne "Vordergrundsterne". Bei den wenigen hellen Pünktchen, die der Bildautor hier übrig ließ, handelt es sich um Kugelsternhaufen, die M 31 begleiten. Wirklich? Vielleicht handelt es sich auch um Objekte, die sich zuvor woanders befanden. Oder um "Objekte", die erst durch den Einsatz des Stempels entstanden.

Der Bildbearbeiter von Astrofotos sollte nie den Schöpfer spielen und die Finger von solcherlei Mätzchen lassen. Das sind Spielereien, die zwar das technisch Mögliche zeigen und deren Realisierung – wenn man die nötige Zeit hat – sicher Spaß macht, die aber keinen Erkenntniswert besitzen. Ein Stern ist kein Prominentenpickel eines Models. Letzterer wird mit Photoshop eliminiert, weil Models ohnehin reine Kunstprodukte sind, die kein Mensch "unbearbeitet" in der Fußgängerzone erkennen würde. Doch bei Astrofotos liegen die Grenzen dessen, was manipuliert werden darf, ohne Bildinhalte zu verfälschen, viel weiter vorne und der Bildbearbeiter hat am PC fein darauf zu achten, keine reinen Kunstobjekte zu erschaffen.

Clear Skies! Stefan Oldenburg

Greg Parker & Noel Carboni: Star Vistas: A Collection of Fine Art Astrophotography. Springer Verlag, New York 2009. 155 Seiten mit 95 Bildern. ISBN 9780387884356. Gebunden. 39,95 €.

Avatar-Foto

Astronomische Themen begeistern mich seit meiner Kindheit und ich freue mich, Zeuge des goldenen Zeitalters der Astronomie zu sein. Spannende Entdeckungen gibt es im Staccatotakt, aber erst im Erkunden unserer kosmischen Nachbarschaft mit den eigenen Augen liegt für mich die wirkliche Faszination dieser Wissenschaft. "Clear Skies" lautet der Gruß unter Amateurastronomen, verbunden mit dem Wunsch nach guten Beobachtungsbedingungen. Deshalb heißt dieser seit November 2007 bestehende Blog "Clear Skies".

7 Kommentare

  1. Warum denn nicht?

    Mir fallen spontan 3 Gründe ein, warum Leute Astrofotos machen: Die einen wollen ein Bild schaffen, dass aus ästhetischen Gründen schön ist, ein Kunstwerk gewissermaßen. Andere sind mit ihren Bildern eher am wissenschaftlichen Wert interessiert, und weniger am “pretty picture”. Wieder andere wollen einfach Spaß dabei haben.

    Die Kunst soll bekanntermaßen frei sein. Somit ist es jedem überlassen, seine Bilder zu verfremden, aufzuhübschen usw. wie es eben gerade gefällt. Wobei dieses Gefallen eben ein im höchsten Maße subjektives ist. Insofern lehne ich deinen letzten Abschnitt komplett ab. Ein Astrofotograf kann sehr wohl der Schöpfer eines Kunstwerks sein, und unter dieser Prämisse sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Es geht hier eben nicht um Erkenntnisgewinn.

    Anders als beim “Wissenschaftler”. Der will möglicherweise bestimmte Details herausarbeiten, etwa den Halo der Kugelsternhaufen um eine fremde Galaxie. Somit “stören” die Vordergundsterne der Milchstraße, die eben nicht im Fokus seines Interesses liegen. Vollkommen ok also, wenn er sie wegretuschiert. Ein echtes wissenschaftliches Bild hat eh kaum noch mit dem “realen” Eindruck zu tun.

    Der “Spaßhaber” braucht sich sowieso keiner Rechenschaft verpflichtet zu fühlen. Auch das subjektiv schlechteste und häßlichste Bild hat doch seinen Wert, wenn der Fotograf an seiner Entstehung Freude hatte.

    Also was solls: Jeder kann und soll seine Bilder so bearbeiten wie er halt will. Mir muss es nicht gefallen, ihm aber schon.

  2. Photoshop-Stempel

    Ich wehre mich insbesondere gegen jene Form der Bildbearbeitung bei Astofotos, die zu etwas völlig Neuem führt, indem Bildinhalte bewusst (wendet man bestimmte Werkzeuge in der Bildbearbeitung an, so weiß man sehr genau, dass man Bildinhalte modifiziert) verändert werden. Genau da liegt für mich die Grenze. Bearbeitung, die allein dem Aufpäppeln der Bilder dient, ist freilich in Ordnung.

    Weshalb mir diese oben aufgeführte M-31-Bildbearbeitung so übel aufstößt (sorry, ich hätte das bereits im Text näher erläutern müssen): Die Vordergrundsterne kann der Bildbearbeiter gerne entfernen, wenn es ihm Spaß bereitet oder irgend einer Erkenntnis dient. Wendet er aber den Photoshop-Stempel über M 31, M 32 und M 110 an, um die Sterne der Milchstraße zu “entfernen”, die direkt über den Galaxien liegen, so klont er Pixel dieser drei Galaxien und setzt sie an anderer Stelle ein. Er nimmt also ein paar tausend Sterne und fügt sie über einem Stern unserer Milchstraße ein, um diesen zu verdecken. Das ist dann reiner Spaß, aber nichts, was in einen Bildband diesen Anspruchs gehört.

    Der zweite Grund, weshalb ich stutzig wurde beim Anblick des Springer-Bildbands: Wenn ich in einem Bild wie bei M 31 exzessive Bildbearbeitung erkenne, so bin ich mir bei anderen Bildern nicht sicher, ob der Bildbearbeiter nicht auch hier solcherlei künstlerische Freiheiten angewendet hat, ohne explizit auf sie hinzuweisen.

    Die Information, ob und wie ein Astrofoto bearbeitet wurde, ist dem Bild selbst später nicht anzusehen, verschwindet sehr schnell. Selbst der Bildbearbeiter wird die Details seiner Bildbearbeitung schnell vergessen. Wenn ich also ein Astrofoto vor mir habe, bei dem hier und dort ein paar Sterne oder ganze Sternwolken geklont wurden, so mag das ein schönes Bild sein, aber eben ein reines Kunstobjekt. Ich erwarte von einem Astrofoto, dass es immer ein gewisses Abbild darstellt. Und zum Aufpäppeln eines Astrofotos sind freilich viele schöne Bildbearbeitungs-Mätzchen möglich und auch o.k.

    Ich habe nichts gegen Astrofotos, die für den Privatgebrauch ähnlich “bearbeitet” werden wie das M-31-Bild. Kritisch wird es aber, wenn selbst in Bildbänden Astrofotografien erscheinen, die nicht mehr erkennen lassen, ob an den Bildinhalten manipuliert wurde oder nicht.

  3. Darum nicht

    Klar, jeder kann seine Bilder bearbeiten, wie er will, aber wenn die Bilder veröffentlicht werden, sollte schon klar sein, wie sie entstanden sind. Der Fall, den Stefan hier schildert, grenzt ja schon an Betrug am Leser, denn der geht natürlich davon aus, dass die Bilder der Wirklichkeit möglichst nahe kommen. Ich jedenfalls käme mir ganz schön verarscht vor, hätte ich das Buch gekauft und nun diesen Blogbeitrag gelesen.

  4. Ich bin ja nun nicht so der Astrofreak, aber ich finde das auch nicht richtig. Wenn man die Bildqualität verbessert, bitte sehr. Aber entfremden, Sterne entfernen, andere einfügen etc. auch wenn ich das noch nicht mal merken würde und es den Sternen sicherlich egal ist, aber da bin ich kleinlich, da geht es ums Prinzip. Ein seriöser Bildband muß einem gewissen Wahrheitsgehalt genügen. Wenn Sterne entfernt werden, weil es nicht mehr gut aussieht, dann ist da für meinen Geschmack eine Grenze überschritten.

  5. Ich verstehe die Aufregung immer noch nicht ganz: Hier ging es den Autoren doch offensichtlich darum, NUR die zu M31 gehörenden Objekte zu zeigen und nicht die Vordergrundobjekte in unserer Milchstraße. Also eine klare Intention, die ich auch recht nett finde. Ich gehe mal davon aus, dass das in der Bildunterschrift gesagt wird (nachprüfen kann ich es nicht, weil ich das Buch nicht vorliegen habe) aber alles andere wäre dann doch zu offensichtlich.

    “Unter Umständen entstehen reine Kunstprodukte ohne jeglichen wissenschaftlichen Wert wie jenes M-31-Bild ohne “Vordergrundsterne”.

    Hat den das 100000e M31-Bild MIT Vordergrundsternen noch einen wissenschaftlichen Wert? Muss es überhaupt einen wissenschaftlichen Wert haben?

  6. Aber niemand kann doch glauben dass ein Photo wie z.B. von Hubble uns genau zeigt was unser nacktes Auge da sehen wuerde. Wir wissen schon dass da Filter und falsche Farben und andere Bearbeitungen zwischen uns und den Sternen sind.

  7. Bildretusche mit Photoshop

    Es ist meiner Meinung nach immer die Frage wofür die Bilder eigentlich gemacht werden.
    Sofern diese einfach nur gefallen sollen oder künstlerisch relevant, dann sind Programme wie Photoshop mit Camera Raw und auch Lightroom tolle Helfer beim Nachbearbeiten und Ausbessern, wie auch beim Abwandeln und Verändern.

    Ich gebe allerdings Recht: Wenn es sich um eine wissenschaftliche Arbeit handelt, dann sollte man es nicht übertreiben. Es geht immerhin darum (anders als bei Model- oder Panoramaposter-Bildern) die Realität abzubilden um sie anschaulich zu machen.
    Es kommt ja auch niemand daher und ändert in einem Biologiebuch die Proportionen der Menschen, damit diese wie in Katalogen aussehen. 😉

Schreibe einen Kommentar