Die vier Wege zum Atheismus – Wie Mensch nicht (mehr) glaubt

BLOG: Natur des Glaubens

Evolutionsgeschichte der Religion(en)
Natur des Glaubens

Zur evolutionären Erforschung von Religiosität und Religionen gehört natürlich immer auch die Frage, woher der (regional stark wachsende) Nichtglaube stammt. Im deutschsprachigen Raum gibt es leider kaum Studien und Veröffentlichungen zum Thema (hier eine frühe von mir – aber halt auch schon vier Jahre alt…). Doch in der internationalen Forschung tut sich dazu einiges (vgl. meinen Blogbericht vom Sommer 2012: Die Evolution des Atheismus in Religion, Brain & Behavior). Und nun erschien in Cellpress eine neue Metastudie namens “The origins of religious disbelief” von Ara Norenzayan und Will M. Gervais, die ich für einen Meilenstein halte und daher auf “Evolution – This View of Life” auch schon in Englisch vorgestellt habe. Hier folgt nun also eine deutsche Zusammenfassung ihrer Befunde, die sich auf vier Wege, die zum Atheismus führen, verdichten.


Ob auch Bayern wohl jemals nichtreligiös werden könnte?
Seitenaltar zu Ehren der Patrona Bavariae in der
Dormitio Abtei auf dem Zion in Jerusalem.
Foto: Michael Blume

In ihrer Auswertung und Zusammenfassung zahlreicher v.a. empirischer Vorarbeiten arbeiten Norenzayan und Gervais vier Faktoren heraus, die die Entstehung von Religiosität verhindern oder religiösen Glauben verblassen lassen. Dabei handelt es sich um…

1. “Mind blind” Atheism / “Geistesblinder” Atheismus

Inzwischen herrscht praktisch Konsens unter den Evolutionsforschenden zur Religion, dass sie sich – wie bereits von Charles Darwin vermutet – vor allem auf Basis sozialer Kognition entwickelt hat: Unsere evolvierten Kognitionen neigen zur Hyper Agency Detection (HAD) – Überwahrnehmung von Wesenhaftigkeit, weswegen wir auch einen Smiley schnell erkennen: (-: . Und wir erstellen dann unmittelbar Theories of Mind (TOM) – Mutmaßungen über die Geistestätigkeiten des erkannten Wesens, weswegen wir auch gleich erkennen, was in diesem Smiley vorgeht: )-: . In Kulturen entstehen so mythische Überlieferungen zu überempirischen Akteuren wie Ahnen, Geistern, Engeln, Aliens und Gottheiten.

Diese sozialen Kognitionen sind aber bei Menschen unterschiedlich stark veranlagt und biografisch ausgeprägt und können z.B. bei Autisten auch sehr schwach sein. Das heisst: Wo die eine aus den gleichen Umweltreizen klare Hinweise auf Seinen offenbaren Geist “wahrnimmt”, kann bei dem anderen “Funkstille” sein. Wir sind unterschiedlich “religiös (un-)musikalisch”.

Tatsächlich weisen z.B. Frauen nicht nur durchschnittlich höhere soziale Kognitionen als Männer auf, sondern auch durchschnittlich höhere Religiosität. Unter Autisten ist dagegen religiöser Glauben deutlich seltener anzutreffen – und Autisten sind überwiegend Männer. Eine auch genetische Veranlagung der sozialen Kognition bzw. ihrer Störung steht dabei inzwischen außer Frage.

2. Apatheism / Apatheismus

Selbst wenn Menschen die entsprechenden Veranlagungen haben, heisst das nicht, dass sie diese trainieren – wie bei anderen Gehirnfunktionen und Muskeln auch macht erst Übung die Meister. Und tatsächlich greifen Menschen weltweit dann und spontan (“instinktiv”) auf religiöse Rituale und Vergemeinschaftungen zurück, wenn sie existentiell Hilfe suchen (vgl. “Lehrt nur Not beten?”). Und umgekehrt: Wer lange Jahre in großer, existentieller Sicherheit lebt, wird dazu tendieren, das religiöse Engagement (Gebete, Gottesdienstbesuche etc.) zu reduzieren. Die Gottheit wird nicht aktiv abgelehnt, eher „vergessen“ und häufig bleiben Rudimente wie der Glaube an „eine höhere Macht“ oder an „Schutzengel“ zurück. Im Westdeutschland der Nachkriegszeit lässt sich eine solche „apatheistische“ Entwicklung sehr gut aufzeigen.

3. InCREDulous atheism / Das Verschwinden religiöser Signale

Wie schon unter 1. aufgezeigt wurzelt Religiosität vor allem in sozialen Kognitionen, die dann kulturell gedeutet werden. Entsprechend werden schon Kinder von ihrem sozialen Umfeld in die entsprechenden Rituale und Symbole eingewiesen, indem sie andere Menschen etwa beim Beten, bei Gottesdiensten, Prozessionen usw. zuschauen, bestimmte Symbole, Orte und Kleidungsstücke als „heilig“ kennen lernen. Wissenschaftlich gesprochen werden sie in die CREDs eingeführt: Credibility Enhancing Displays, Glaubwürdigkeit steigernde Signale, mit denen Erwachsene einander und eben auch den Kinder den je eigenen Glauben signalisieren.

Wo solche Signale nicht (oder nicht mehr) vermittelt werden, verbinden sich kaum positive Emotionen mit ihnen – sie wirken fremd, ggf. gar lächerlich, werden emotional mit dem Status „rückständiger“ Minderheiten verknüpft. Das Ostdeutschland der Nachkriegszeit ist ein starkes Beispiel dafür, was passiert, wenn das öffentliche Zeigen und Weitergeben solcher CREDs über Jahrzehnte hinweg sogar bis ins Familienleben hinein von Staats wegen unterdrückt wird – die Religiosität bricht dann außerhalb tapfer widerstehender Gruppen ein. Als nach der Wiedervereinigung die ersten Religionssoziologen Ostdeutsche befragten, ob sie religiös seien, lautete eine berühmte Antwort: „Religiös? Nein, ich bin ganz normal.“

4. Analytic atheism / Analytischer Atheism

Die sozialen Kognitionen als Grundlage von Religiosität arbeitet sehr spontan, schnell und emotional – nach Daniel Kahnemann („Schnelles Denken, langsames Denken“) gehört sie zum „System 1“ unseres Wahrnehmungsapparates. Wir Menschen können aber auch „nach-denken“ und unsere Wahrnehmungen und Erfahrungen analysieren (wörtlich: zergliedern) – diese rationalen Kognitionen zählen nach Kahnemann zu „System 2“. Und wenn sie auch nicht so „intuitiv“ sind wie die ersteren, so lassen sie sich – etwa in Bildungseinrichtungen wie Schulen und Universitäten – selbstverständlich durchaus trainieren. System 2 vermag System 1 nie ganz auszuschalten, kann es aber bei entsprechendem Engagement durchaus in Schach halten.

Akademische Theologinnen und Religionswissenschaftler erleben den Einfluss rationaler Analyse auf das eigene Glaubenserleben häufig: Nach der wissenschaftlichen Zergliederung wird der religiöse Glaube geschwächt oder zumindest verändert sein. Nicht wenige religiöse Strömungen lehnen daher nicht nur Religionskritik, sondern auch schon wissenschaftliche Untersuchungen von Religion als „gefährliches Weltwissen“ ab.

Wer seine rationalen Kognitionen trainiert, wird soziale Kognitionen häufiger in Schach halten (können). Bild: ETVOL

Psychologische und religionssoziologische Befunde verzahnen sich

Und so ergibt sich ein zunehmend schlüssiges Bild von Religiositäts- und Säkularisierungsprozessen, das zeigt: Nichtreligiosität lässt sich genauso gut wissenschaftlich beschreiben wie Religiosität. Schon aufgrund der unterschiedlichen sozialen und rationalen Kognitionen wird es immer auch individuelle Variabilität im Glaubenserleben und –leben geben. Mit wachsender, existentieller Sicherheit und rational-kognitiver Bildung setzt dann – besonders schnell und heftig unter Männern – ein Abschmelzen der Religiosität ein; bis hin zur zunehmend scharfen Religionskritik. Wo antitheistische Ideologien an die Macht kommen und das öffentliche Glaubensleben unterdrücken kann dieser Prozess noch einmal enorm beschleunigt werden. Gesellschaften können also durchaus mehrheitlich „nichtreligiös“ werden, wenn auch Rudimente religiösen und magischen Denkens („höhere Macht“, Schutzengel, Kraftsteine etc.) erhalten werden können.

Für liberale und friedfertige Religionsgemeinschaften sind die Befunde dabei durchaus zweischneidig: Gerade wo sie etwa durch Dialoge und Schulen dazu beitragen, dass ihre Anhängerinnen und Anhänger in zunehmend demokratischen, sicheren, wohlhabenden und gebildeten Schichten leben können, graben sie sich selbst auch das Wasser ab. Die Chancen sind hoch, dass die Kinder und Enkel der Aufsteiger sich – oft nicht einmal dankend – apatheistisch oder gar rationalistisch-religionskritisch verabschieden.

Haben nichtreligiöse Populationen (evolutionäre) Zukunft?

Aber es gibt auch ein anderes Paradox der Religionslosen. Wohl weil es für ein Paper doch zu komplex sein dürfte, gingen Norenzayan und Gervais freilich nicht auf die Frage ein, ob nichtreligiöse Populationen dann auch dauerhaften Bestand haben könnten. Denn mit dem Abschmelzen des religiösen Lebens geht – bislang ausnahmslos – auch ein Rückzug der Menschen aus kollektiven Sinnerzählungen, Gemeinschaften und Familien einher; Nichtreligiöse haben deutlich weniger und häufiger keine Kinder als ihre religiöseren Nachbarn. Die Wissenschaft kennt Dutzende dauerhaft kinderreiche Religionsgemeinschaften wie zum Beispiel die Old Order Amish – aber bislang kein einziges Beispiel einer nichtreligiösen Population, die auch nur ein Jahrhundert lang demografisch stabil geblieben wäre. Säkularisierende (Deutschland, Japan) oder auch zwangs-säkularisierte (Russland, China) Gesellschaften sind daher stets auch demografisch zerfallende Gesellschaften.

Auf meinen entsprechenden Nachsatz im ETVOL-Artikel schrieb mir Ara Norenzayan eine Mail, in der er mir mitteilte, dass er diese Fragen durchaus sähe – und in seinem „fast fertigen“ Buch daher auch meine Arbeiten und Daten dazu behandele. Selbstverständlich bin ich gespannt und werde davon berichten, sobald mir das Werk dann vorliegt.

* Diesen Blogpost widme ich den Studierenden meines „Religionspychologie“-Seminars an der Universität Köln. Es hat wieder unglaublich viel Freude gemacht, nicht nur zu lehren, sondern auch mit und durch die jungen Forscherinnen und Forscher zu lernen. Danke dafür, Leute!

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Dr. Michael Blume studierte Religions- und Politikwissenschaft & promovierte über Religion in der Hirn- und Evolutionsforschung. Uni-Dozent, Wissenschaftsblogger & christlich-islamischer Familienvater, Buchautor, u.a. "Islam in der Krise" (2017), "Warum der Antisemitismus uns alle bedroht" (2019) u.v.m. Hat auch in Krisenregionen manches erlebt und überlebt, seit 2018 Beauftragter der Landesregierung BW gg. Antisemitismus. Auf "Natur des Glaubens" bloggt er seit vielen Jahren als „teilnehmender Beobachter“ für Wissenschaft und Demokratie, gegen Verschwörungsmythen und Wasserkrise.

63 Kommentare

  1. Info: Wunderglaube

    Der Artikel ´Jeder zweite Westdeutsche glaubt an Wunder´ wurde Mitte Mai veröffentlicht.
    (keine Ahnung, ob es noch aktuellere Zahlen gibt)

  2. ‘Haben nichtreligiöse Populationen

    (evolutionäre) Zukunft?’

    Sicherlich, sind sie ja nicht durch Präkognition vorbelastet.

    Ansonsten müssen Sie sich fragen lassen, Herr Dr. Blume, warum Sie immer wieder mit der Evolution argumentieren und das Absterben nichtreligiöser Populationen postulieren, wenn die diesbezügliche Datenlage, es gibt schlichtweg keine areligiösen Populationen über einen längeren Zeitraum, noch nicht, dies nicht nahelegt.

    MFG
    Dr. W (der hier den Wunsch als das Sollen bestimmend erkennt – wie auch die EKD sich bei religiösen Werten auflösend sieht)

  3. @Webbär

    Das ist ja der Punkt: Wenn es einfach möglich wäre, wäre ein solcher Fall längst beschrieben. Ist er aber nicht. Und dass man nach erfolgloser Leugnung für das Aussprechen empirischer Befunde beschimpft wird gehört wohl dazu… 😉

  4. @2: Mir fällt da das Beispiel der Minoischen Kultur ein. Eine relativ wohlhabende Kultur auf dem antiken Kreta. Dort soll es auch kaum religiöse Statuen usw. gegeben haben, was man auf eine durch den Wohlstand gesenkte Religiösität zurückführte.
    @3: Das erinnert mich spontan an Konditionierung. Bleibt der Verstärker aus, wird das Verhalten zunächst intensiver und frustierter, dann nicht mehr gezeigt.

    “Gerade wo sie etwa durch Dialoge und Schulen dazu beitragen, dass ihre Anhängerinnen und Anhänger in zunehmend demokratischen, sicheren, wohlhabenden und gebildeten Schichten leben können, graben sie sich selbst auch das Wasser ab.”

    Diese Aussage halte ich für problematisch. Zwar haben historisch oftmals Religionen Schulen gebaut, alte Sprachen gepflegt usw., aber das bedeutet ja nicht, dass man ihnen dafür besondere Dankbarkeit schuldet.
    Die griechische Philosophie entstand so ganz ohne religiöse Hilfe.

  5. Das geht

    Wenn es einfach möglich wäre, wäre ein solcher Fall [“areligiöse Gemeinschaften persistieren”] längst beschrieben. Ist er aber nicht. Und dass man nach erfolgloser Leugnung für das Aussprechen empirischer Befunde beschimpft wird gehört wohl dazu… 😉

    …geht jetzt aber in die Richtung, dass behauptet wird, dass etwas nicht möglich ist, weil es noch nicht (lange genug) ist – wegen der zurzeit noch unzureichend vorhandenen Empirie, das war jetzt aber klar erkennbar ein “Haben wir schon immer so gemacht!” in fast klassischer Form.

    Zudem wurden Sie doch nicht ‘beschimpft’, Sie wurden nur darauf hingewiesen, dass die Aussage ‘Areligiöse Gemeinschaften haben ein Persistenzproblem’ noch unbelegt ist, noch unbelegt bleiben muss, weil es eben diese Gemeinschaften noch nicht lange genug gibt.

    MFG
    Dr. W

  6. @Wegdenker

    Ob man jemandem dankbar sein “soll“ ist m.E. eine normative Frage. Die eine wird ihren Vorfahren für die eigene Existenz danken, der andere nicht. Ich glaube nicht, dass das wissenschaftlich zu entscheiden ist.

    Auch die griechischen Philosophen entwuchsen selbstverständlich einer religiös geprägten Kultur, die dann auch aufgrund demografischen Niedergangs verblasste. Dass wir heute wenigstens einige Texte noch kennen ist der Überlieferung durch islamische und christliche Gelehrte zu verdanken (wenn man dafür danken will, auch da gab und gibt es ja Gegner).

    Kurz: Ich kann historisch kein Entweder-Oder erkennen, sondern eher eine komplexe Wechselwirkung religiöser und säkularer Strömungen.

  7. Geschichte als Versuchslabor

    @Blume

    Das ist ja der Punkt: Wenn es einfach möglich wäre, wäre ein solcher Fall längst beschrieben. Ist er aber nicht.

    Das ist, wenn ich es korrekt auffassge, gewissermaßen der Hauptkritikpunkt ihrer Religionskritik:
    Atheistische Gruppen sind nicht in der Lage dauerhaft stabile, atheistische Gemeinschaften zu bilden.
    Ich muss zugeben, dass ihre Kritik in dieser Beziehung einiges sehr logisches vorzubringen hat. Allerdings muss ich auch Dr. Webbaers Argument verteidigen:
    Er hat sehr wohl recht damit, dass es bisher nur sehr wenige atheistische Gemeinschaften gab.
    Das allein lässt aber noch nicht den Schluss zu, dass diese Gemeinschaften quasi schon im Bildungsprozess ausgestorben sind.
    Es wären andere Szenarien denkbar, die den Mangel an solchen Gemeinschaften erklären:
    1. Es fehlten die intellektuellen Voraussetzungen, um sich aus den Glauben zu lösen.
    Ohne Evolutionstheorie und allgemein moderner Wissenschaft ist es fast unmöglich (oder zumindest doch sehr viel schwerer) die Welt ohne Rückgriff auf eine Gottheit zu erklären.
    Metaphysische Systeme, die diesen Anforderungen grundsätzlich gewachsen wären, weisen – wie übrigens auch wissenschaftliche Theorien – in Details Lücken auf. Dennoch hatte die Tradition von z. B. Demokrits Atomismus sehr lange bestand. Wenn auch in Modifikationen wie der von Epikur.
    Das Hauptproblem solcher metaphysischer Systeme ist vermutlich, dass sich früher oder später zwangsläufig Widerstand gegen sie erhebt. Religionen erzählten zum damaligen Zeitpunkt zumeist mythische Geschichten, die man, wenn man wollte, selbst weiterspinnen oder modifizieren konnte. Sie sprachen insgesamt mehr eine Sprache der Rituale und Geschichten.
    Die Philosophen dagegen hatten den Anspruch, ihre Ansichten auch zu begründen und mussten deshalb ihre Annahmen, seien sie noch so absurd, notfalls explizit nennen. Ein Verweis auf Experimente oder das Versprechen das künftige Forschung das ganze schon plausibel machen werde war damals noch nicht erfunden.
    Dann sprechen solche Metaphysiken auch nur eine Minderheit an, die bereit ist, sich darüber Gedanken zu machen.
    2. Religionen haben oft eine Klasse von Priestern, die davon profitiert, dass es Gläubige gibt und die den Glauben deshalb erhalten will.
    Deshalb kann man davon ausgehen, dass der Glaube viel aggressiver (nicht unbedingt gewaltsam) vertreten wird als der Atheismus. Der Atheist profitiert durch seine Überzeugung nämlich nicht, bis auf vielleicht das angenehme Gefühl, im Recht zu sein.
    Sie werden vielleicht eher übersehen.
    3. Vielleicht gab es die Atheisten in größeren Mengen, aber sie sind “unsichtbar”. Wer weiß, was die mittelalterlichen Bauern wirklich geglaubt haben?

    Das sind zumindest denkbare Szenarien, die man ausschließen müsste.

  8. @Webbär

    Sie basteln da einen Strohmann: Dass irgendetwas nie möglich sein würde, habe ich nirgendwo geschrieben. Umgekehrt ist es richtig: Für Behauptungen erwarte ich empirische Belege. Nicht mehr, und halt auch nicht weniger.

    Im verlinkten diesseits-Interview betonte ich sogar ausdrücklich, dass der religionsdemografische Zusammenhang kein “Naturgesetz“, sondern “nur eine historische Beobachtung“ sei. Aber die werde ich halt auch nicht verschweigen…

  9. Die Empirie

    Für Behauptungen erwarte ich empirische Belege. Nicht mehr, und halt auch nicht weniger.

    Im verlinkten diesseits-Interview betonte ich sogar ausdrücklich, dass der religionsdemografische Zusammenhang kein “Naturgesetz“, sondern “nur eine historische Beobachtung“ sei.

    Sie behaupten halt regelmäßig, dass religiöse Gruppen Vorteile im Bestanderhaltungssinne haben, es hat sich dem Schreiber dieser Zeilen aber nie erschlossen, womit Sie verglichen haben.

    Sollten Sie mit areligiösen Gruppen verglichen haben, die es noch nicht lange gibt, und der Schreiber dieser Zeilen hat hier einen Anfangsverdacht, war es ein Schuss in den Ofen.

    Dass religiöse Gruppen in der Lage sind zu persistieren, steht außer Frage. – Lassen Sie ruhig aber ruhig mal die anderen ran, die nicht über Präkognition verfügen, später kann man dann sehen.

    MFG
    Dr. W

  10. @Wegdenker

    Bewusst habe ich von “Populationen“ und nicht von “Kulturen“ geschrieben, denn hier steckt das Problem in einem zu unbestimmten Kulturbegriff. M.E. könnten und würden Aspekte deutscher Kultur wie Worte, Recht, Entdeckungen ggf. auch überleben, wenn kein einziges “deutsches“ Kind mehr geboren würde. Unsere eigene Kultur ist ja auch eine lebendige Kombination aus Traditionen erloschener und lebendiger “Kulturen“. Biologie und Kultur wechselwirken, sind aber nicht identisch.

  11. @Webbär

    Areligiöse Gruppen sind seit der griechischen und indischen Antike belegt. Seit dem 18. Jahrhundert gab es Hunderte, vgl. den Blogpost zu den Ikariern. Alles auch kostenfrei abruf- und überprüfbar.

  12. Areligiöse Gruppen

    müssen aber auch eine Mindestgröße haben, aus verschiedenen Gründen.
    >:->

    D.h. dass man jetzt schauen kann, Ost-D und die Tschechei sind weitgehend religionsfrei, einfach mal abwarten, ein paar Hundert Jahre…

    MFG
    Dr. W (der diese Burschen erst seit 2 Minuten kennt, danke für den Hinweis)

  13. @Webbär

    Yo, die Zukunft ist offen. So gibt es ja schon heute vermeintlich “atheistische Religionsgemeinschaften” wie die Raelianer, die sich durch “Klonen” fortpflanzen wollen. Schauen und staunen Sie hier:
    https://scilogs.spektrum.de/…heistischer-kreationismus

    Sogar die Tagesschau ist seinerzeit auf die Truppe herein gefallen und hat sie in die Hauptnachrichten genommen. Sehen Sie mir eine gewisse wissenschaftliche Skepsis also doch bitte nach… 😉

  14. Veränderung im Gehirn

    Die Veränderung im Gehirn, die zur Religiösität führte, hat dem Menschen bisher bestimmte Vorteile gebracht (aus denen unter Anderem auch eine höhere Geburtenrate entstand). Das ist eine Anpassung an die Umwelt – andere Umweltbedingungen werden andere Veränderungen des Gehirns bewirken.

    Während der Jäger und Sammler Zeit waren bestimmte Areale im Gehirn, die zur Jagt notwendig waren, aktiver als heute.

    Ich glaube deshalb nicht, dass Atheismus zum Aussterben der Menschheit führt.

  15. @knubbelimgehirn

    Dem Kommentar stimme ich völlig zu!

    Wobei der Satz “…andere Umweltbedingungen werden andere Veränderungen des Gehirns bewirken.” natürlich eine Spekulation darstellt. Denn die durchschnittlich höheren Geburtenraten der religiös Aktiven finden ja auch “derzeit” statt, jetzt, in unserer Zeit. Bisher sehe ich keine Anzeichen dafür, dass sich der Evolutionsprozess da völlig grundlegend verändern würde – kann und will das aber natürlich für die Zukunft auch nicht ausschließen. Es wird abzuwarten sein, wohin die Gehirne unserer Nachfahren so “knubbeln”… 😉

  16. Religiöse Populationen

    Sie gehen von der nicht beweisbaren Konstanz und sogar dem Wachstum religiöser Gruppen aus! Was ist aber wenn gerade Mitglieder dieser Gruppen zu den Ungläubigen überlaufen? Nur weil sich einige nicht-christliche Religionen zur Zeit wahrscheinlich vergrößern, heisst das doch nicht, dass das über lange Zeiträume fortsetzt. Es gibt doch gute sinnvolle Gründe für Atheismus, die haben doch nichts mit DDR und Tsechien zu tun. Die meisten Wissenschafler haben sich doch längst von einer strengeren Religiosität verabschiedet und sprechen von einem übergeordneten Sinn, der Natur oder ähnlichem”

    Beste Grüße von einem Nicht-Spezialisten!

  17. Falsche Dichothomie

    Danke für die Zusammenfassung. Aber krankt die ganze Studie nicht an einer falschen Dichotomie zwischen religiös/nichtreligiös und verkennt, dass auch Atheismus letztlich ein Glaube ist.
    Mir fällt zudem ein Aufsatz von Heidegger ein, in dem er vom Nihilismus der Christentums redet. Ich verstehe das so, dass auch Christen nicht religiös sein können. Klingt absurd, meint aber nur, dass Religionen letztlich von Menschen gemachte Systeme sind, die alle zerbrechen können. Das Christentum zählt sich e i g e n t l i c h nicht dazu….

  18. Menschenliebe als neue Religion

    Die säkulare Gesellschaft hat ebenfalls Nicht-materielle Ziele – nur mit dem Unterschied, dass sie sie – anders als die Religiösen- in dieser Welt verwirklichen will. Solche zugleich die momentane Realität übersteigende und doch realisierbare Ziele sind zum Beispiel:
    ERADICATE EXTREME POVERTY & HUNGER
    . EMPOWERMENT OF WOMEN, CHILD SURVIVAL AND DEVELOPMENT, BASIC EDUCATION AND GENDER EQUALITY
    Lauter Dinge, die man laut Religiösen wenn schon erst in einer andern Welt erreichen kann und dann auch nur unter Anleitung von Hohepriestern.
    Nicht zufällig fiel es der katholischen Kirche schwer die Menschenrechte anzuerkennen, denn Menschenrechte können doch nur Gott und seine Stellvertreter gewähren.
    Es gibt eine säkulare Transzendenz: Sie transzendiert den Einzelnen und will allen zukommen lassen, was jeder Einzelne braucht. Wer diese Einstellung hat gehört zu einer unsichtbaren Gemeinschaft, der Gemeinschaft aller Menschen die jede Gruppen- und auch Religionszugehörigkeit übersteigt.

  19. @JP Larsen

    Oh, da kam etwas nicht rüber: Die obige Studie fasst ja gerade zusammen, warum und wie es es auch zum Verlust religiöser Bindungen kommt. Ich sehe z.B. keine Anzeichen dafür, dass die Entkirchlichung in Deutschland aufhören würde – sie schreitet fort. Und gleichzeitig schrumpfen “wir“ seit Jahrzehnten demografisch bzw. sind auf Zuwanderung angewiesen. Ich beobachte also ein Auf und Ab, das letztlich zu immer mehr religiöser und weltanschaulicher Vielfalt ohne “klare Sieger“ führt. Nur im Falle eines gesellschaftlichen Zusammenbruchs mit großer Not wäre m.E. mit einem kurzfristigen Wiederanstieg von Religiosität zu erwarten. Ich hoffe, dass uns das erspart bleibt…

  20. Zukunft nichtreligiöser Populationen

    Bisher zerfallen die nichtreligiösen Gesellschaften – wobei mir das obige Anstellen auf das Wegfallen von Sinnerzählungen und demografisch zerfallende Gesellschaften besser gefällt als die reine Beziehung auf die Kinderzahl, dürfte letztere doch in einer kaum von verfrühter Sterblichkeit betroffenen Population sinnvollerweise um die 2 pendeln.

    Ein großes Problem der nichtreligiösen Populationen ist mir aber die angesprochene fehlende Bindung und das Fehlen gemeinsamer Geschichten bzw. gemeinsamen Sinnes. Darum dürften auch die Franzosen etwa ob Republik-Geschichte und -Sinn noch höhere Geburtenraten haben als andere säkulare Gesellschaften.

    Was mich interessieren würde ist, ob es Studien zu den tieferen Gründen gibt. Mir ist gerade ein möglicher eingefallen, wenn man auf die neueren Erkenntnisse der Verhaltensökonomik schaut: Danach haben Menschen eine gewisse Tendenz zu unehrlichem Verhalten, die sich auch wie eine Epidemie ausbreitet – wenn man nicht den Anfängen wehrt. Dann greift das What-the-hell-Prinzip, wenn sowieso schon das und jenes falsch lief, warum nicht noch mehr? (siehe Dan Ariely, The (Honest) Truth About Dishonesty)

    Vermutlich aber können die meisten Religionen diesen Schritt effizient unterbinden – denn sie bieten institutionierte Formen der Entschuldigung an (aaO S. 249). Also Wege, auf denen sich die Gläubigen von der Verfehlung symbolisch befreien und damit ihre moralischen Werte wieder auf den gewollten Standard bringen. Von da an wird jede Übertretung den Individuen dann wieder fast genauso schwer wie die erste Übertretung. Also driftet die Gemeinschaft nicht gleichermaßen in die Dekadenz ab.

    Aber warum sollten nichtreligiöse Gruppen diese Institutionen nicht nutzen können? Gerade der Wissenschaft bekäme das sicher gut…

  21. @Jordanus

    Selbstverständlich gründen sich auch atheistische Weltanschauungen auf mehr oder weniger reflektierten Glaubensannahmen z.B. über das Wesen von “Realität“ oder “Rationalität“. Aber gerade auch die empirischen Daten zeigen doch auf, dass es einen riesigen Unterschied macht, ob Menschen nur an “Etwas“ oder auch an “Jemanden“ (soziale Kognitionen!) glauben. Religion als Glauben an überempirische Akteure führt z.B. auch zu Gebeten in Form personalisierter Ansprachen, die nicht-theistischen Weltanschauungen fremd bleiben. Wenn man da alles zusammenrührt verliert sich m.E. auch die analytische, wissenschaftliche und auch diskursive Unterscheidungskraft.

  22. @Noit Atiga

    Ja, in die genannten Richtungen deuten auch die jüngeren Forschungen, aber noch ist vieles allzu unscharf. Gerne würde ich tiefer einsteigen, aber schon jetzt ist der (Er-)Klärungsbedarf auf dem Blog sehr hoch… Es wird wohl noch Zeit und Geduld brauchen…

  23. Interessant

    Wenn das stimmt, was Sie sagen, sollten Sie schleunigst zur Religion Ihrer Frau überwechseln oder der EKD die Leviten lesen. Letztgenannte ist nämlich nicht mehr wirklich ernst zu nehmen, ich vermute, diese nehmen sich selbst nicht mehr allzu ernst. Die EKD wurde von rot-grün-säkularen Kräften übernommen, wo man den Glauben an Gott – man glaubt es kaum – nur mehr als Randnotiz zu gelten erlaubt. Zumindest ist es so, dass Ritus und Kultus massiv geschwächt wurden und man eher dem schnellen schnöden Mammon nachjagt. Eigentlich traurig, was aus der Reformkraft Luthers & Co geworden ist. Sie jagen dem Zeitgeist nach und wollen Minderheiten wie Homosexuellen zum Recht verhelfen, während sie sich selbst vergessen. Ich glaube nicht, dass das gut gehen kann. Hier ist mehr “Radikalität” bzw. das richtige Eintreten für traditionelle Werte gefragt.

  24. @Frank

    Gerade auch in den evangelischen Kirchen haben wir doch alle Freiheiten, auch z.B. ein kinderreiches Leben zu leben.Und umgekehrt ist auch die islamische Welt von Säkularisierung und Geburtenrückgang betroffen, vgl. hier:
    https://scilogs.spektrum.de/…avid-goldman-aka-spengler

    Die o.g. Befunde treffen eben auf Menschen allgemein zu – und auch Muslime, Juden, Hindus etc. sind Menschen, Frank.

  25. @ knubbelimgehirn Veränderung im Gehirn
    30.06.2013, 21:02

    & @ Blume

    Zitat:

    “Ich glaube deshalb nicht, dass Atheismus zum Aussterben der Menschheit führt.”

    -> Perfekter organischer und ideolischer … Atheismus führt wahrscheinlich tatsächlich zwangsläufig zum Aussterben der Menschen/der Ungläubigen/Unreligiösen – vor allem, wenn bestimmte mit Religionen assoziierte Lebensweisen aussterben. Das aber wird ein theoretisches Konstrukt/Hochrechnung bleiben, weil auch die Postmoderne Lebensweise traditionelle Kulturtechniken global nicht ersetzen kann.

    Atheismus ist landläufig als “Nichtreligiösität” erkannt/bezeichnet. Das erklärt erstmal nur die ideologsche Ebene der subjektiven Lebensrealität. Eine mutmaßlich vorhandene organische Disposition, die zur Ursache von Religiösität oder intendierte Funktionen führt, ist allein deswegen, weil einer Atheist ist, nicht widerlegt oder ausser Funktion gesetzt oder beweist, dass deswegen der Atheismus Lebenswirklichkeit ist. Hier ist unklar, was überhaupt im Gehirn abgeht. Das Bewustsein lediglich im Nachvollzug interpretiert – so keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Daten existieren. “Es” Denken und “über Es” Denken (also Nach-Denken, wie es oben so schön deutlich beschrieben ist) sich unterscheiden und jeweils ihre Fallstricke haben.

    Die Rückschau auf Jäger und Sammler ist immer gut – leider auch nicht hinreichen Aufschlußreich, weil wenig eindeutig uns heute verständliche Überlieferungen existieren – darüber, was jene damals tangiert haben.
    Julian Jaynes hat dazu interessante Thesen aufgestellt. Er erklärte eine “bikamerale Psyche” als funktonalen Ursprung der Kulturtechnik Religion. Also eine “zweikammer-PSyche”; und beachtlich sei, dass sich durch alle Kulturepochen hinweg eine damit vergleichbare Sicht der Begebenheiten und Bedingungen im Subjekt erkennen lässt. Nämlich die Aufteilung der menschlichen Psyche in Verstandesebenen (Kognition) und Triebstrukturen – hier eine “Ursprungshypothese” über menschliches Verhalten schon seit tausenden von Jahren besteht. Auf ontologischer Perspektive gar die “Menschwerdung” erst an der Strategie/Eigenschaft der Nutzung dieser postulierten Recourcen erkannt wird – es sich zuweilen noch um ein “Tier” handelt; Homo-Sapiens eben nur.

    An der Population feststellbare höhere Geburtenraten traten jedenfalls nicht eindeutig durch Religionen ein. Seßhaftigkeit und Landwirtschaft sind hier deutlich günstigere Variablen. Freilich kann man Zu dieser Zeit auch eine aufkeimende Tendenz zur strukturierten Religiösität annehmen. Mutmaßlich aber ist Seßhaftigkeit eine Grundvorraussetzung für derart moderne Religionsstrukturen gewesen.

    Man kann nun fragen, wie “seßhaft” die postindustrielle und sekuläre/atheistische Ziviliation noch ist. Weil nach Blumes wohl guten Zahlen religiöse Gemeinschaften kinderreicher seien, als der sekuläre Gegenpart, kann man mutmaßen, dass vielleicht diese Seßhaftigkeit moderner zivilisation eine Fehlannahme sei. Wirklich seßhaftes Leben bedeutet vielleicht, dass der Mensch an/mit etwas arbeitet/beschäftigt ist, dass ihn zwangsläufig regional bindet. Moderne Lebensszenarien aber sehen inzwischen anders aus. Was immer getan/produziert wird, kann theoretich unglaublich schnell ebenso auch woanders realisiert werden. Ein Heimatbegriff und dessen Bedeutung ist auch nicht mehr sehr relevant vorhanden. Entfremdung, Entwurzellung, Orientierunglosigkeit sind logische Folgen, wenn das Subjekt in der ultimativen Flexibilität maximal ersetzbar ist.

    Was bei den Beispielen der Old-Amischen eindeutig ist, sei die konzentrierung auf erstens Landwirtschaft und zweitens auf traditionelle Lebensweisen – was auch impliziert, dass selbstredent in vollendeter Symbiose/Selbstständigkeit mit der sinngebenden Tatsache des Eigentums oder der Verantwortungsvision mit der landwirtsachaftlichen Realität (Haus, Hof, Vieh und Felder als maximal Standorttreue Güter) hier die notwendige Orientierung geben und Seßhaftigkeit erst in Vollendung darstellen.

    Eine “Dienstleistungsgesellschaft” in dieser Vision also keine seßhafte Gesellschaft mehr sei, weil ihnen der dringende Bezugspunkt/Orientierungspunkt fehlt..Die Dienstleister haben keine Verantwortung mehr für “Heimat”, für Hof, Feld und Vieh. Aufgrund von Mietwohnungen auch nicht für Eigentum. Es also mutmaßlich eine simmulierte Seßhaftigkeit darstellt, die moderne Gesellschaften Leben. Sie bieten keine “Heimat” mehr, weil sie aufgrund von globalisierten Verhältnissen zuviel “Heimat” bietet, die für das Subjekt schlichtweg zu groß ist – wie das Angebot im Supermarktregal.

    Angesichts der Jäger und Sammler-Phase des Homo-Geschlechts die moderne Lebensweise tatsächlich einen Rückschritt bedeutet – weil eine Dienstleistungsgesellschaft überwiegend wieder zu einer Art Jägern und Sammlern werden.

    Vollendete Seßhaftigkeit führt zwangsläufig auch zu konsistenterer und intensiverer “sozialer Kognition”, weil die Umgebung/das soziale Umfeld verlässlicher existent ist, während Jäger und Sammler hier keine engeren oder keine tieferen sozialen Bindungen außerhalb der Gruppe (wenn überhaupt eine Gruppe stabil und über längere Zeit bestehen kann) finden.

  26. @ Noit

    …und alle, die nicht an die religiösen Versprechen im Jenseits glauben wollen:

    Zitat:

    “…Vorfreude soll ja die schönst Freude sein.”

    -> Und sie ist die Motivierendste, was uns natürlich besser nicht so bewusst wird, weil

    diese Motivation sonst im Bewusstsein unterwandert wird. “Vorfreude” = Hoffnung auf etwas.

    Idealerweise auf etwas, dass nicht erfüllt werden kann – oder nur sehr unwahrscheinlich,

    wie es mit den meisten Zielsetzungen und Versprechungen auch sekulärer (weltlicher)

    Versuchungen sei.
    Denn der Weg ist das (eigendliche) Ziel – was leider manchmal sehr anmaßend erscheinen

    kann.

    Übrigens ist die Verheissung des Himmels in Abgrenzung zur Hölle gemäß einer

    Jenseitsprophezeiung nun die allumfassende Tendenz-Vorwarnung, damit gerade der Weg noch so

    angenehm und erfüllend als möglich sich aus dem Folgen der Bedingungen zur Hoffnung ergibt.

    Kapital-Lebensversicherungen funktionieren zum Beispiel auch nicht anders – freilich mit

    der weltlichen Efüllung einer Ausschüttung von verabredeter (in Aussicht gestellter)

    Geldsumme zu Lebenszeiten.

  27. »Bewusst habe ich von “Populationen“ und nicht von “Kulturen“ geschrieben[…]«

    Ich habe von “Gemeinschaften” geschrieben, nicht von Kulturen. Das Wort Kultur bei mir kommt nur in meinem ersten Beitrag auf, in der ich auf eine antike (hoch-?)Kultur Bezug nahm.
    In Übrigen haben Sie in diesem Sinne auch von Kultur gesprochen.

    »[…]denn hier steckt das Problem in einem zu unbestimmten Kulturbegriff. M.E. könnten und würden Aspekte deutscher Kultur wie Worte, Recht, Entdeckungen ggf. auch überleben, wenn kein einziges “deutsches“ Kind mehr geboren würde.«

    Das ist natürlich richtig. Aber eben auch nicht relevant.
    Insofern Kultur etwas “geistiges” (d. h. ideelles) meint, ist Kultur nicht nur auf eine bestimmte Gruppe von “Erben” beschränkt.
    Nun könnte man lange darüber philosophieren, ob man eine Kultur noch als seine eigene Übernehmen kann, nachdem eine gewisse prägende Phase der Erziehung abgeschlossen ist. (Ein Gegner der Idee könnte eine Analogie zur Muttersprache und Fremdsprache ziehen.)
    Das spielt aber für unser Thema hier sowieso keine Rolle, denn es geht um Religionsgemeinschaften im Vergleich zu säkularen Gemeinschaften, die hier unter dem Begriff “Population” zusammengefasst werden.
    Eine Religion kann man aber in der Regel sehr wohl auch später noch annehmen. Meistens gibt es gewisse Initiationsrituale, nach deren Abschluss man als Mitglied der Religionsgemeinschaft gilt.

    Man müsste das Argument also so umformulieren:
    “[…]Aspekte christlicher Religion wie Abendmahl, Kirchenrecht, Moraltheologie ggf. auch überleben, wenn kein einziges “christliches“ Kind mehr geboren würde.”
    Dem ist natürlich auch zuzustimmen.
    Denn es konvertieren unentwegt Menschen von einem religiösen Bekenntnis in ein anderes.
    Allerdings muss man doch sagen, dass es eine Religion schon massiv verändern würde, wenn sie ihre Anhänger nur noch aus Missionierung gewinnen würde, sofern sie das nicht vorher schon getan hat.
    Die Shaker, die Sie in einem Beitrag ansprachen, währen ein sehr gutes Beispiel für so eine Entwicklung. Und diese Religionsgemeinschaft scheint den Wandel nicht überstanden zu haben.
    Man könnte jetzt umgekehrt spekulieren, dass es für eine junge Religionsgemeinschaft auch ein großes Problem ist, wenn erstmals mehr neue Mitglieder durch Geburt als durch Missionierung hinzukommen (falls sie diese Phase überhaupt erreichen) und untersuchen, welche Auswirkungen das auf sie hat.

    P.S.: Natürlich ist es aus Sicht der Evolutionsbiologie so, dass man vom andauernden Wirken der gleichen Kräfte ausgeht.
    Ob das aber 1:1 auf menschliche Gesellschaften übertragbar ist, ist eine andere Frage.
    P.P.S.: Entschuldigen Sie die “zerlaufende” Form meines Postings.

  28. @Wegdenker

    Vielen Dank, nun verstehe ich Sie besser. Und stimme auch weitgehend zu.

    Eine Population beschreibt zunächst einmal einfach eine Menschenmenge, aus der sich potentiell (!) Familien und Gemeinschaften bilden können. Säkulare Populationen zerfallen bislang demografisch, weil in ihnen zu selten solche Vergemeinschaftungen gelingen, die zudem auch noch durchschnittlich instabiler und kurzlebiger sind. Dagegen bilden sich auf Basis religiöser Überzeugungen schneller und stabiler (Religions-)Gemeinschaften. Und es gibt auch schon eine Studie, die unsere Beobachtung stützt, dass Missionserfolge auf Dauer nicht gegen demografische Dynamik ankommen (vgl. Shaker – Amish).

    Wir sind da wohl beieinander. 🙂

  29. Der Artikel

    besagt ja, dass Atheisten dumm und blöd sind.

    Nun ja, dies ist eine Meinung, wissentschaftlich ist dies nicht und hat damit nichts in einen Wissesnblog verloren.

    Aber so kennt man ja den Dr. Blume: Intrigrieren und Hass verbreiten……

  30. Als Christ

    ist man ja viel besser dran als als Atheist. Man kann einfach ALLES glauben, man muss nichts wissen. Dies beweist dieser Artikel.

  31. @ statistiker

    Mit den Eigenschaftsworten ist es so eine Sache. “Besser” (dran) zu sein, dümmer, schlauer, blinder …
    Als Fundamentalist ist man halt auf einem Auge blind. Als Atheist vielleicht auf einer Hirnhälfte dumm… oder so.

    Da ist es ja schön zu wissen, dass die Wissenschaften uns ermöglichen könnten, wieder zu sehen oder beide Hirnhälften nutzbar zu machen?

  32. @chris

    So sehe ich es auch. M.E. zeichnet sich doch immer deutlicher ab, dass sowohl religiöse wie nichtreligiöse Sichtweisen ihre Stärken, Berechtigungen und Nutzenfunktionen haben. Und dass Atheisten häufiger z.B. stärker in den Bereichen rationaler Kognition sind, geht doch m.E. aus Text und Befunden eindeutig hervor… Wer Atheisten da als “dümmer” bezeichnet, kennt den Forschungsstand nicht…

    Auch die Autoren der oben zitierten Studie, Ara Norenzayan und Will Gervais, zählen sich übrigens ausdrücklich zum nichtreligiösen bzw. religionskritischen Feld – dennoch arbeiten wir toll und freundschaftlich zusammen. Denn (nur) so funktioniert Wissenschaft.

    Aber religiöse wie auch antireligiöse Extreme werden die wissenschaftlichen Befunde wohl auch weiter ablehnen, da ihnen der abwägende Umgang mit Argumenten fremd ist. Solange die Beschimpfungen abwechselnd von religiös-fundamentalistischer und antitheistisch-extremer Seite eingehen, nehmen wir sie als ehrenhafte Auszeichnungen! So gesehen bin ich ganz froh und geehrt, dass es Stimmen wie den @Statistiker gibt. 🙂

  33. Wozu Religion?

    Ich sehe keinerlei Vorteile für religiöse Menschen.Im Gegenteil-religiöses Denken im weitesten Sinn (nicht weiter hinterfragbare Annahmen)führt zu Gewalt,Krieg und zur Ausgrenzung von Menschen.

    Ich halte es mit der intellektuellen Redlichkeit bzw. mit der Spiritualität eines Thomas Metzinger:

    http://www.philosophie.uni-mainz.de/…IR_2013.pdf

  34. @B.Ch,

    Danke für Ihren Kommentar, auf den ich gerne eingehe!

    Ich sehe keinerlei Vorteile für religiöse Menschen.

    Es ist eine der Aufgaben von Wissenschaft, das sichtbar zu machen, was bislang nicht gesehen wurde. Z.B. in Buchform:
    http://www.science-shop.de/artikel/969531

    Oder auch als kostenlos zugänglicher Artikel:
    http://www.gehirn-und-geist.de/…eligiosus/982255

    Zugleich müssen wir natürlich damit leben, dass es immer Menschen geben wird, die jene wissenschaftlichen Befunde zurück weisen, die nicht in ihr religiöses oder antireligiöses Weltbild passen.

    Im Gegenteil-religiöses Denken im weitesten Sinn (nicht weiter hinterfragbare Annahmen)führt zu Gewalt,Krieg und zur Ausgrenzung von Menschen.

    Ich würde sagen: Jede Art von “nicht weiter hinterfragbaren Annahmen” kann dazu führen. Das gilt auch für antireligiöse Vorurteile, wie sie nicht nur in atheistischen Regimen gepflegt wurden und werden…
    Ich halte es mit der intellektuellen Redlichkeit bzw. mit der Spiritualität eines Thomas Metzinger:

    Das kann ich gut nachvollziehen. So hat halt jede(r) seinen Guru… Solange man auch darüber hinaus lernbereit und neugierig bleibt, ist dagegen m.E. überhaupt nichts einzuwenden.

    Ihnen herzliche & evolutionäre Grüße!

  35. Die ideologische Freiheit des “hinterfragenkönnens” als Ausweg aus der Gewalt…

    Heisst also, der Atheist übt keine Gewalt, weil er solange darüber denkt, bis er … die göttliche Ordnung in den Dingen und Verhältnissen entdeckt und dewegen von aller Gewalt ablässt – ihm dann klar wird: Ah, Gewalt ist keine Lösung?

    Ich war ja auch mal der Meinung, Religionen wären Grund allen Übels bezüglich des Weltfriedens und zwischenmenchlicher Konflikte – weil immer auch als Motivationsargument verwendet.

    Aber die Ursachen sind viel hintergründuger, als die landläufig banale, oberflächliche Betrachtung von Ideologien.

    Zum Beispiel tendiert man gerne mal dazu, Gehirnbereiche, Testostheronspiegel und auch sonst biologische Begebenheiten zu pathologisieren.
    Das ist dann nicht weit von einem atheistischen Kreationismus – einem “Intelligent design”, indem Gott durch den Menschen abgelöst ist, wenn man auch noch versucht, daran zu manipulieren. Die Ideologie der “Gesundheit” zum quasi-Religiösen Konstrukt verkommt – und sehr wahrscheinlich zum unauffälligsten Instrument der Herrschaft über Menschen – wozu selbstverständlich auch nur Ideologie verwendet wird.

    T. Metzinger ist eine spannende Quelle von Einsichten in (organischen) Pathologien, die es so auf der Welt gibt. Denn seine Philosophie des Geistes ist geradezu auf solche angewiesen, um eben wissenschaftlich korrekt über sie und den Geist und das Bewusstsein zu arbeiten.

    Faktisch aber in jeder Devianz noch organische Argumente gefunden werden wollen, damit der moderne, sekuläre Atheist letztlich wieder nur Deutungshoheit daraus generieren kann.
    Sogesehen ist der Teufel gegen den Belzebub ausgetauscht. Aber freilich wohl wissenschaftlich begründbar (man findet eben, was mansucht).
    Sonderbar aber, dass ein Hinterfragen seiner Weltbilder quasi zwingend auf Ideologie angewiesen ist, weil ansonsten hinterfragbare Verhandlungsmasse fehlt? Das würde darauf hinauslaufen, dass man sich zur Gewaltvermeidung kognitiv überfordern muß, damit sie erfolgreich ist – weil in der Überforderung Gelegenheit zur Einnahme der notwendigen Demutshaltung liege.

  36. @ Michael Blume @chris
    02.07.2013, 17:50

    -> Sie Antworteten derart ernst und optimitisch, obwohl ich meine, man hätte das Sarkassmuspotenzial leicht herrauslesen können.

    Vor allem aber sehe ich eine Gefahr für den Menschen, wenn er meint durch rationale Kognition sein Leben verbessern zu können. Mein voriger Kommentar deutete es an: in komplexen Umwelten überfordert das nahezu jeden – woraus logisch hervorgeht, dass dies nicht die praktikabelste Strategie sein kann.

    Und mit “Fundamentalismen” meine ich tatsächlich auch moderne, sekuläre Ideologien, welche ersatzweise an Stelle der religiösen stehen. Zuweilen nennt man sowas dann auch “Dogmen”.

    Es ist vielleicht noch nicht so aufgefallen: Ich bin nicht religiös, sondern jenseits von Gut und Böse. Quasi die schlimmste Position, die man einnehmen kann – weil am unberechenbarsten. Und ich übe tatsächlich kritik am Wissenschaftsoutput und seiner Rationalität. Allerdings auch ebenso reichlich am religiösen Gedöns. Aber vielleicht befinde ich mich auch in der Lage einen ultimativen Atheisten zu verkörpern, der das landläufige versprechen der Ungläubigkeit am erfüllendsten leistet – anstatt pseudo-atheistische Ideologien in sein Weltbild zu verwurzeln – weils so schön Opposition sei. Weil der Atheist zuweilen sein Feindbild im religiösen findet und damit auch wieder nur diesem Dualismus auf dem Leim geht, was ihn dann wenig von seinem Feindbild unterscheidet.

    Zusammenarbeit ist natürlich gut. Man braucht aber auch die ideologische Freiheit solche Kooperationen auch inhaltlich rational ausnutzen zu können. Da sehe ich aber eben noch Potenzial.
    Wenn eine derart Rationale und Intelligente Gesellschaft nicht erkennt, dass sie trotz Atheismus weiterhin auf das göttliche Prinzip angewiesen ist und es auch benutzt, es parallel dazu aber verteufelt, steht die Frage der Zurechnungsfähigkeit im Raum. Aber das zieht sich durch alle Bereiche der Menschlichkeit: Argumente, Sichtweisen, Visionen müssen “schön” sein und leicht glaubhaft, aber nicht der Realität entsprechen, dass man damit (gut) Leben kann. Das sind Grundstrukturen von funktionaler Ideologie, nicht von Wahrheit – also nicht besonders von Religionpraxis unterscheidbar.

  37. Nun mal Klartext

    “Ich würde sagen:”

    sagen sie es oder sagen sie es nicht?

    “Das gilt auch für antireligiöse Vorurteile”

    Hmm, und URTEILE sind Ihrer Meinung nicht antireligiös möglich? Alles Antireligiöse sind nur “Vorurteile”? Damit erklären sie Millionen Menschen für blöd.

    “atheistischen Regimen”

    Alles klar, die pösen Atheistsen bauen Regime auf, pöse Diktaturen…..

    Ich habe verstanden: Wer nicht religiös ist, ist ein menschenverachtender, pöser Faschist, der kleine Kinder frisst in seinem Regime…..

  38. @Statistiker

    Danke für die unterhaltsamen Kommentare! 🙂

    Hmm, und URTEILE sind Ihrer Meinung nicht antireligiös möglich? Alles Antireligiöse sind nur “Vorurteile”?

    Nö, ich unterscheide je zwischen sachlich begründeten Urteilen und noch kaum überprüften Vor-Urteilen. Völlig egal, von welcher Seite.

    Damit erklären sie Millionen Menschen für blöd.

    1. Habe ich das nicht getan und 2. können Sie sich nochmal durchlesen, was Sie weiter oben z.B. über Christen geschrieben haben… Da wäre “blöd” ja noch höflich und es handelt sich sogar um über eine Milliarde Menschen… 😉

    Alles klar, die pösen Atheistsen bauen Regime auf, pöse Diktaturen…..

    Wenn Sie meinen, man könne die Geschichte des 20. Jahrhunderts, das heutige Nordkorea, Kuba u.a. so einfach mit homophobem Unterton als lustig abtun…

    Ich habe verstanden: Wer nicht religiös ist, ist ein menschenverachtender, pöser Faschist, der kleine Kinder frisst in seinem Regime…..

    Keine Ahnung, von wem Sie das verstanden haben. Ich stamme aus einer überwiegend nichtreligiösen Familie und bin dort glücklich und “ungefressen” aufgewachsen…

    Unter anderem hat man mir dort auch beigebracht, allzu intolerante und aggressive Leute eher zu bemitleiden, als ernst zu nehmen. Ich denke, schon zu Ihrem eigenen Schutz werde ich Ihre zukünftigen Beschimpfungen wieder einfach löschen.

    Ihnen alles Gute und vor allem gute Besserung!

  39. @statistiker

    Zitat:

    “URTEILE sind Ihrer Meinung nicht antireligiös möglich? Alles Antireligiöse sind nur “Vorurteile”?

    -> Sowas habe ich wohl übersehen! Steht das oben irgendwo?

    Aber ich hätte in diesem Duktus keine Probleme damit, Milliarden Menschen als blöd zu branmarken. Ich brauche nur die entsprechende Perspektive einzunehmen und finde Mängel bei einer solche Anzahl Menschen – zuweilen zähl(t)e ich selbst dazu.

    “Atheistische Regime” ist ein interessantes Szenario. Ist uns nicht gerade ein wenig Unwohl dabei, dass quasi-Wilde in Nordafrika derzeit Demokratie üben, nachdem sie (leider) aus den Zwängen der atheistisch geprägten Diktatur herrausgefunden haben? (Lybien,Agypten -leider nicht imIran und Syrien) Vorteil daran: die Tatsache, dass sie nun mit sich selbst derart beschäftigt sind, dass sie selbst ihre religiösen Fundamentalismen vergessen. Widerspricht sich ein wenig: atheistische Diktaturen, aber fundamentalistische Religionenstendenzen parallel bestehend. Das eine ist die politiche Struktur, das Andere der Zeitvertreib des Volkes.
    Das ist das Absurde an Realität. Jetzt, wo religiöse Führer gar demokratische politik machen sollen, funktioniert das ganze Konstrukt religiöser Fundamentalismus nicht mehr so recht – zumindest vorrübergehend. Ob der Pöbel zukünftig wieder zurück in den Sack gesteckt werden kann, ist unklar. Dieser “Blutrausch” dauert ja gerade weltweit an.

    @ Blume

    Wie kriegen sie jetzt die Verbindung zur Homophobie hin, bei diesem Thema? Ich bin sicher auch homophob (gewesen).Aber meine Liste der Phobien wäre derart lang, dass man sie sich gleich gespart hat und generalisierte Ablehnung diagnostizierte. so eigendlich doch keine einseitige Ablehnungstendenzen, wie der Begriff “Homophobie” vom Sex ins allgemeine übersetzt angewendet erklären könnte.

  40. @chris: Homophobie

    Der @Statistiker fand es witzig, meine Aussagen in einer pseudo-gay-Sprache (“pösen Atheisten, pöse Diktaturen”) zu verzerren. Offenbar meinte er, mich damit lächerlich machen zu können. Nun, ich finde, so etwas fällt einfach auf die Urheber zurück…

  41. o.k., … mit Gay-Sprache kenne ich mich nun absolut nicht aus. Den einzigen Gay den ich kenne, ist SehrGay: http://www.youtube.com/user/TruckTVGermany

    Homophobe haben mit ihm sicher kein Problem.

    Und die “Gottgewolltheit” widerlegt doch den Urheber – Autor und Urheber also nicht gleiche Person sei. Weils gerade Mode sei, kann man eben noch ein Plagiat unterstellen.

  42. Klar, kenn ich alles – schöne Unterhaltung eben. Krich aber die Verbindung zur Homophobie nicht gebaut – wenn sich die nicht in aktiver Krimminalisierung darstellt.

    anyway…

  43. Falsch herum gedacht und argumentiert?

    Nicht, aus welchen Gründen Atheismus entsteht, halte ich für wichtig, sondern, wie Glaube und Religion entstehen:

    Als Menschen, etwa zur Zeit von ‘out of Africa’, nur in sehr kleinen Gruppen, meist nur in Familiengröße, zusammenlebten, gab es genetisch angelegte Empathie allenfalls in diesen kleinen Familiengruppen (ausgehend von der Zuneigung der biologischen Mutter).

    Als dann – vor wohl kaum länger als etwa 15.000 Jahren – eine immer schneller anwachsende Vermehrung der Menschen einsetzte (aus Gründen, über die man streitet), wurde es nötig, für größere Menschenmengen, die eng zusammenlebten, Regeln und Gesetze zu erfinden, die für eine entsprechende Empathie sorgten. Und diese Erfindungen waren in erster Linie Religionen, die nun nicht nur mehr, wie bisher aus Unkenntnis entstandene Naturanschauungen enthielten, sondern feste Regeln mit Belohnung meist im Irrealen und Jenseitigen aufstellten, um ihre Angehörigen friedlich zu halten.

    Dass diese Religionen nur sehr begrenzte Wirkung hatten, wissen wir aus der ganzen bekannten Geschichte. Dass eine entsprechende Empathie keine Chance hatte, evolutionär zu entstehen, zeigt die Evolutionsbiologie: es fehlt an der nötigen Zeit, es fehlt an einem rechtzeitigen Evolutionsdruck.

    Diese Vorherrschung der Religionen änderte sich erst durch die grandiose Erfindung der Demokratie-Idee (mit Menschenrechten und einer funktionierenden unabhängigen Justiz). Seitdem es diese Idee gibt, sind Religionen und Glaube überflüssig geworden. Allein das halte ich für die Beurteilung der Entstehung der Atheismus-Idee für wesentlich.

    Im übrigen ist ja letztenendes auch der Atheismus ein Glaube – viel ehrlicher ist der Agnostiker. Und am ehrlichsten vielleicht derjenige, der sich nicht zwischen Atheismus und Agnostizismus entscheiden möchte.

  44. @Walter Weiss

    Zur Evolutionsforschung der Religion(en) haben wir Artikel und ganze Bücher geschrieben, auf dem Blog und der Homepage finden Sie da vieles. 🙂

    Und, nein, der Staat alleine kann (bislang) keine ausreichenden Wert- und Gemeinschaftsbegründungen leisten. Wir Deutschen sind eines von immer mehr demografisch schrumpfenden Völkern. In unserer jetzigen Form ist das Ende der (Religions-)Geschichte sicher noch nicht erreicht…

  45. Analytischer Atheismus…

    Für mich ist es immer ein großes Rätsel, wie jemand religiös bleiben kann, der sich intellektuelll so intensiv mit dem Glauben auseinandersetzt.

    Die, aus meiner Sicht offensichtlichen, Schlußfolgerungen einer evolutionären Sicht auf die Religion sind doch, daß es gute Gründe gab, daß Religionen entstanden und wie sie sich verbreiten, auch ohne daß religiöse Erkenntnisse/Wahrheiten etwas mit der Realität zu tun haben muß.

    Kann man die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Thema vom eigenten Glauben trennen ?
    Oder Andersherum: Nagt nicht ständig der (4.) “Analytische Atheismus” an Ihnen ?

    PS: Mir ist bewußt, daß diese Frage recht persönlich ist, aber Sie sind ja (lt einem anderen Blogbeitrag) in einem atheistischen Umfeld aufgewachsen (ich auch…) und erst als Erwachsener christlich geworden (ich nicht…).

  46. @sewu

    Ja, die Frage IST persönlich – aber ich will mich da auch nicht verstecken und antworte also gerne.

    Persönlich habe ich es so erlebt, dass der religiöse Glauben zum wissenschaftlichen Weltbild hinzugetreten ist, es nicht nur (oder nicht einmal in erster Linie) intellektuell, sondern auch emotional ergänzt hat. Wahrscheinlich habe ich deswegen so wenig Probleme damit, die wissenschaftliche und religiöse Perspektive zu verbinden, weil ich ja nichts gegen die Wissenschaft verteidigen musste.

    Nach meiner Erfahrung läuft es dann auf die Frage hinaus, wie wir das kosmische Geschehen “lesen”: Als ein nur zufälliges, sinnleeres Rauschen oder als die Entfaltung höheren Wissens, die “Selbstoffenbarung Gottes durch die Evolution und die Wissenschaft”, wie sie bereits z.B. der Paläontologe und Jesuitenpater Teilhard de Chardin für sich entdeckte.
    https://scilogs.spektrum.de/…us-und-papst-benedikt-xvi

    Und derzeit breiten sich sogar ganze Bewegungen des evolutionären Theismus aus, vorgestellt z.B. hier:
    https://scilogs.spektrum.de/….-michael-dowd-bersetzung

    In Summe kann und darf ich also einfach feststellen, dass Religion und Wissenschaft wunderbar in Beziehung gesetzt werden können, wenn man jede in ihrem Geltungsbereich achtet. Dann entsteht eine dynamische Queste.

  47. Selbstoffenbarung Gottes durchEvolution?

    Ich sehe gerade den Mechanismus der Evolution als ein faszinierendes Beispiel, wie o h n e eine lenkende Hand (z.B. einen Gott) die erstaunlichsten Dinge entstehen! Einen Impuls zur Religion hin hat es bei mir im Biologieunterricht dadurch nicht gegeben.

    Nun ja, vielleicht sind die religiöses Denken fördernden Hirnareale bei mir nicht sehr ausgeprägt…

    Vielleicht lege ich in den Begriff religiös sein ja auch zu viel rein. In diversen anderen Beiträgen (auch dem über Michael Douwd) oder auch bei Hans Küng (“Was ich glaube”) ist der Glaube schon so abstrakt, daß er sich vom Unglauben nur noch unterscheidet in einem anders gesetzten Bit vor dem Urknall. Da ist dann auch für Ockham’s Razor (i.e. keine unnötigen Annahmen treffen) nicht mehr viel wegzurasieren…

    Danke in jedem Fall für Ihre offene Antwort und Ihre sehr lesenswerten Blogs überhaupt!

  48. Eine Interpretationsfrage

    Die höhere soziale Kongnition von Frauen kann auch als Überlebensstrategie in einer sozialen Gruppe (Bsp. Jäger und Sammler) verstanden werden, in die der genetisch determinierte Geschlechtsdimorphismus ein Diktatur quasi eingebaut hat.

    Die höhere Religösität von Frauen kann auch so ausgedeutet werden:
    -Selbstbewußtsein des Menschen=Bewußtsein über den eigenen Tod=Bedürfnis nach Sicherheit=Bedürfnis nach Vorhersagbarkeit=Bedürfnis nach Verständnis der Welt
    -Verständnis=Modelbildung
    -Modelle können übernatürliche als auch naturwissenschaftliche Erklärungsansätze beinhalten
    -naturwissenschaftliche Ansätze bedürfen rationaler Kognition (Zugangsvoraussetzung)
    -bei mangelnder rationaler Koginition ist ein übernatürliches Model zwangsläufig

    Der Rückgang der Religion kann demnach auch als eine schlichte Folge der fast vollständigen naturwissenschaftlichen Ausleuchtung der lebenden und nicht lebenden Welt gedeutet werden. Übernatürlichen Modelle konnten in den Detailbereichen des Lebens (Gesundheit, Ernährungssicherheit) mit der Prognosefähigkeit des naturwissenschaflichen Models schlicht nicht mithalten. Nur die letzte Frage, die nach dem Sinn ist ihnen erhalten geblieben.

    “…Als nach der Wiedervereinigung die ersten Religionssoziologen Ostdeutsche befragten, ob sie religiös seien, lautete eine berühmte Antwort: „Religiös? Nein, ich bin ganz normal….“”

    Da frag ich mich doch warum der Patriarch von Moskau heute bald mächtiger ist als Putin.

    “zwangs-säkularisierte (Russland, China) Gesellschaften sind daher stets auch demografisch zerfallende Gesellschaften”

    Ohne die “Ein-Kind-Politik”, egal ob richtig oder falsch, läge China wohl heute noch ganz woanders was die Bevölkerungszahl angeht, mit oder ohne Säkularisierung. Und im vollständig säkularen Australien liegt die Geburtenrate bei 2!!! Kindern pro Frau.

  49. @ Kalle

    Zitat:

    “Der Rückgang der Religion kann demnach auch als eine schlichte Folge der fast vollständigen naturwissenschaftlichen Ausleuchtung der lebenden und nicht lebenden Welt gedeutet werden.”

    -> Könnte man so deuten. Aber es ist auch davon abhängig, was das Subjekt selbst fähig ist zu erkennen – also vom Erkenntnissubjekt abhängig, wie der Grad der “Ausleuchtung” einzuordnen sei.

    “Übernatürliches” ist ein Oxymoron. Über dem natürlichen geht nichts – es wäre gleichfalls “natürlich”, wenn es stattfände. Und wenn Propheten den Berg hinabstiegen und den Fußball Weltmeister vorherbetimmten – es wäre ein “natürliches” Phänomen (war da nicht ein Krake?)

    Eine “Natürlichkeit” sei aber nicht mit einem intendierten “normalen” und zu erwartenden Ablauf zu verwechseln – was aber scheinbar regelmässig geschieht.

    Findet denn ein “Rückgang” der Religionen tatsächlich statt? Vielleicht erst seit demAusbruch der arabischen Revolution?
    Ich erwarte eher, dass sich religiöse und spirituelle Praktiken weiter verbreiten werden. Das aus der Erfahrung des kaltenKrieges / Nachkriegszeitn die von totaler Sekularität gezeichnet war – was eine tiefgreifende Störung im Volkskörper (sorry) erkennen lässt – nun ein irgendwie zu deutender Neuanfang geschehen scheint.

    Zitat:

    “„Religiös? Nein, ich bin ganz normal….“””

    -> Niemals werden sie zutreffende Informationen bekommen, wenn Fragen direkt gestellt werden. Das quasi-öffentliche Interview erzeugt umgehend eine Scheinpersönlichkeit, weil man soziale “Aussenpolitik” betreibt – Konformismus eben. Abgesehen davon, dass niemand so genau kennt, was “normal” sei. Eben wie alle…doch wer sagt, das andere auch alle “normal” seien?

  50. @kalle

    Weitgehend kann ich zustimmen.

    Neben dem Sinn (und mit ihm verbunden) besteht jedoch noch ein Bereich, der von Religiosität stark gefördert wird: Die Gemeinschafts- und Familienbildung.

    Ob China ohne die Zwangssäkularisierung seine religiösen Traditionen und hohen Geburtenraten behalten hätte, lässt sich vermuten, aber wissenschaftlich nicht klären.

    Dagegen liegen für Australien demografische Daten vor, die den Zusammenhang von Religion und Geburtenreichtum auch dort aufzeigen:
    http://www.blume-religionswissenschaft.de/…y.pdf

    Danke für Ihr konstruktives Interesse!

  51. So wird kein Schuh daraus

    Der Blog verkennt die Tatsache, dass man als “Ungläubiger” geboren wird. Nicht der “Nichtglaube” wächst, sondern der “Glaube nimmt ab” (Sofern die These wirklich zutrifft). Das wäre, zumindest nach meiner Vorstellung die richtige Reihenfolge.
    Hauptsächlich durch (Früh)kindliche Indoktrination ist es möglich, eine, prinzipiell widersprüchliche Ideologie fest zu verankern.

  52. @C.H.

    Tatsächlich ist ja evolutionär immer erst die Entstehung eines Merkmals zu erklären: Sprachfertigkeit, Musikalität und auch Religiosität sind ja aus evolutionärer Sicht eben nicht “vom Himmel gefallen”, sondern entstanden. Dass dies auch auf die Religiosität zutrifft, erkannte schon Charles Darwin selbst und präsentierte u.a. in seiner Abstammung des Menschen von 1871 ausführlich Begriffe und Hypothesen, vgl.
    https://scilogs.spektrum.de/…e-shop.de/artikel/1179418

    Eine verständliche und kostenfreie Zusammenfassung des (sich dynamisch weiter entwickelnden) Forschungsstandes finden Sie auch hier:
    http://www.gehirn-und-geist.de/…eligiosus/982255

    Wenn Sie z.B. “Unmusikalität” erforschen wollen, müssten Sie ja auch zunächst klaren, ab wann, wie und warum es evolutionär zu “Musikalität” kam.

    Es würde mich freuen, wenn Sie sich tiefer in das Thema einlesen würden – und ich danke für Ihr Interesse.

  53. Weltanschauungen

    Lieber Herr Blume.
    Seit einigen Jahren lese ich, sofern ich ein wenig Zeit finde, auch gern mal einen Artikel aus der Primärliteratur zur empirischen Religions- oder auch Atheismusforschung. Auch den von Ihnen hier vorgestellten Review habe ich gelesen und fand ihn ebenfalls ausgesprochen interessant. Seit längerer Zeit beschäftig mich die Frage, wo diese Forschung hinführen könnte, ob nicht am Ende Religion und Atheismus in einer gemeinsamen Theorie der Weltanschauungen beschrieben werden.
    Subjektiv sind unsere Weltanschauungen von größter Bedeutung für unser Wohlbefinden und vermitteln uns in einer unfassbar komplexen Welt (und wenn wir nicht kritisch darüber nachdenken) unter anderem die Illusion des Überblicks. Intersubjektiv wird es dann regelmäßig schnell ernst; häufig bei sich (scheinbar) widersprechenden Weltanschauungen, die zum Beispiel mit Religion und Atheismus einhergehen.
    Aus naturalistischer Perspektive erscheinen mir Religionen als sehr erfolgreiche Weltanschauungen, die durch eine lange Zeit der kulturellen Evolution gewachsen sind, und auch Mechanismen erschaffen konnten, die eine erfolgreiche Weitergabe von Generation zu Generation vermitteln. Vielleicht nutzen Religionen auch deshalb erfolgreicher bestimmte Systeme, die unser Gehirn bereitstellt (hyperagency detection, theory of mind). Atheismus auf der anderen Seite wäre eine Weltanschauung, die zumindest im Hinblick auf die auf Ihrem Blog vorgestellten Daten in bestimmten Aspekten (biologische Reproduktion) eher abträglich ist. Aber wenn ich so gedanklich durch alle möglichen Weltanschauungen schweife, scheint mir das doch eher ein Kontinuum zu sein, in dem Religionen und Atheismen Ausprägungen von Weltanschauungen mit bestimmten Eigenschaften und Wirkungen sind wie auch alle anderen Weltanschauungen. Der biologisch evolvierte Aspekt scheint mir dann die Fähigkeit des Gehirns zu Ausprägung von erfolgreichen Weltanschauungen zu sein. Wobei ich im Hinblick auf die Daten zur Geschwindigkeit der Evolution in der Tierwelt auch eine gewisse Koevolution von Weltanschauungen und Gehirn für plausibel halte.
    Aufgrund solcher Gedanken ist für mich deswegen auf ganz allgemeinem Niveau auch die Frage interessant unter welchen Umständen Weltanschauungen unsere Affekte entgleisen lassen und wie man dem vorbeugen kann.

    Was meinen Sie dazu?

    Viele Grüße
    Tom

  54. @Tom: Faszinierend

    Lieber Tom,

    vielen Dank für Ihren Kommentar, der mich sehr fasziniert hat. Ich denke, Sie sind da auf der richtigen Spur: In der Tat können wir ja immer besser beschreiben, unter welchen Bedingungen religiöse bzw. atheistische Narrative psychisch “ansprechen” und wie sich diese wiederum soziokulturell auswirken.

    Gleichwohl sind unsere Weltanschauungen nicht nur beliebig und auch nicht nur historisch gewachsen – gerade auch religiöse Erfahrungen, die als “Offenbarungsereignisse” gedeutet werden wie auch wissenschaftliche Entdeckungen wie die Evolutionstheorie oder die Quantenphysik, die popularisiert werden, oder auch technologische Entwicklungen wie das Internet wirken sich ja in vorab unvorhersehbarer Weise aus.

    Dennoch haben Sie Recht: Wir sind wohl derzeit in einem Prozess, in dem wir beginnen, auch die Evolutionsgeschichte unserer eigenen, weltanschaulichen Präferenzen freizulegen… (Der nächste Blogpost zielt auch in diese Richtung.) Danke für Ihr Weiterdenken, Sie sind da etwas auf der Spur!

  55. Religionswissenschaftliches

    Sehr geehrter Herr Dr. Blume, eines vorab: ich bewundere und unterstütze Ihr Engagement für den Trialog der Religionen und gegen rechtsextreme Umtriebe! Auf Ihren Blog bin ich durch DEN Artikel in SPIEGEL ONLINE aufmerksam geworden. Doch zur Sache: Ich muss Ihre religionswissenschaftlichen Thesen wohl doch durch Hinweis auf einige Fakten verwirren. Zum einen: “Nichtreligiöse haben weniger oder keine Kinder”. Nun, die “nichtreligiöse” DDR war der “religiösen” BRD in Sachen Kinderkriegen spätestens nach Einführung der Pille stets eine Nasenlänge voraus – und das trotz Fristenregelung. Der Geburteneinbruch (um über 40% – ein in der europäischen Geschichte nahezu einmalig einschneidendes Ereignis!)trat in der ersten Hälfte der 1990er Jahre auf – mit Übernahme eines “religiös” geprägten Wertesystems. Zum zweiten: “Religiosität” wurzelt “vor allem in sozialen Kognitionen, die dann kulturell gedeutet werden.” Richtig! möchte ich aus voller Überzeugung rufen. Nur Ihre Schlussfolgerungen finde ich doch sehr befremdlich, klammern sie doch die Frage der konkreten gesellschaftlichen Machtverhältnisse komplett aus. Schlicht gefragt: Wer hat den die Definitionshoheit dieses kulturellen Deutungsprozesses? Wer versieht die “Credibility Enhancing Displays” mit religiösen Konnotationen? Um nochmals das Beispiel DDR zu bemühen: Es gab in dieser weitgehend atheistischen Gesellschaft durch aus andere Deutungen, die durchaus auch soziale Überlebensfähigkeit zeigen. Die anhaltende Beliebtheit der Jugendweihe sein nur als ein Beispiel genannt. Und als Bezug zum aktuellen, Ihnen soeben widerfahrenen Geschehen: Die Gewalt und Virulenz dieser Definitionshoheit haben Sie soeben am eigenen Leibe erfahren: Wer Islamist ist, bestimmen wir! – Vielleicht wäre daher doch ein wenig zusätzliche Reflexion angezeigt, ehe Aussagen wie die angemerkten als “weitgehend unbestrittene” Forschungsergebnisse etikettiert werden.

    Um schließlich Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin kein “Altkader” der DDR. Vielmehr habe ich daselbst katholische Theologie studiert und war einige Jahre in der DDR katholischer Priester – ich weiß was es heißt, in einer Welt zu leben, deren CREDs von anderen gedeutet werden.

  56. @Johannes Pförtner: DDR & Co.

    Sehr geehrter Herr Pfarrer Pförtner,

    zunächst einmal herzlichen Dank für Ihre Unterstützung, aber auch differenzierenden Beobachtungen. Sie werden vielleicht überrascht sein – aber ich kann Ihnen da nur zustimmen!

    Denn der obige Blogpost stellt ja nicht die Evolutionsforschung zur Religion (und zum Atheismus) in ihrer Gesamtheit vor, sondern nur eine kurz kommentierte Studie. So erforschen und debattieren wir auch international seit Jahren die komplexen, nicht nur demografischen Auswirkungen von staatlichen und religiösen Unterstützungssystemen, den Wettbewerb religiöser und säkularer Weltanschauungen, Zivilreligion (also politisch-normative Religionstraditionen), die Auswirkungen des Zölibats usw. Einen umfassenderen Forschungsüberblick bietet z.B. “Gott, Gene und Gehirn” (3. Auflage 2012, Hirzel).

    Aber direkt und kostenfrei zugänglich und für Ihre Erfahrungen und Fragestellungen ggf. interessant ist auch z.B. ein Interview, das ich dem humanistischen diesseits-Magazin gegeben habe und das ausdrücklich auch die religionsdemografische Situation der neuen und alten Länder thematisiert, hier:
    http://www.diesseits.de/…uebernehmen-religioesen

    Ich kann Ihnen also nur zustimmen, denn die große Chance des Bloggens – die Möglichkeit zur Verbreitung und Diskussion kurzer Texte – markiert auch ihre Beschränkung: In der wissenschaftlichen Analyse kann ein Blogpost kaum mehr als ein Einstieg sein. Ich würde mich freuen, wenn dieser Einstieg Sie dazu verlocken könnte, sich mit dem Thema auch vertiefter zu befassen. Auf meiner Homepage finden Sie dazu sehr viele, überwiegend kostenfrei zugängliche Publikationen.
    http://www.blume-religionswissenschaft.de/

    Mit Dank für Ihr Interesse und herzlichen Grüßen!

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