Up your game!

BLOG: Biosenf

Würziges aus den Biowissenschaften
Biosenf

Am Tag nach dem Donald Trump zum zukünftigen Präsidenten der USA gewählt wurde, veröffentlichte Josh Drew, Dozent an der Colombia University, New York, USA einen offenen Brief an seine Studentinnen und Studenten. https://labroides.org/2016/11/09/an-open-letter-to-my-class/

Seinem Kurs “Coastal and Estuarine Ecology” las er diesen Brief am Tag nach der Wahl vor und laut seiner Tweets floßen auch einige Tränen. Der Brief sollte die Studierenden darin bestärken, sich nicht entmutigen zu lassen, auch wenn sie als Forscherinnen und Forscher im Bereich Umwelt und Evolution in den USA eine schwere Zeit in Zukunft bevorstand. Sein Aufruf: Bessere, überzeugendere, Forschung machen – “up your game”.

Ich las darüber in einem Forum über Korallenriffforschung und dort wurde nun lang und breit diskutiert, ob diese Art von Brief in einem akademischen Rahmen berechtigt ist oder ob dadurch politische Minderheiten (oder Mehrheiten) deskriminiert werden.

Was denken Sie?

Ich selbst bin der Meinung, dass “Environmental Research” also Umweltforschung immer eine gewisse Kritik der Gesellschaft beinhaltet – begründet auf wissenschaftliche Erkenntnisse und der Prämisse, dass wir als Menschheit weiter auf diesem Planeten überleben wollen. Deswegen finde ich es in diesem Fach nur natürlich, dass man die Grundüberzeugungen dieser Forschung vertreten sehen will und auch dafür einsteht.

Wie sehr die Förderung und Akzeptanz von Evolutionsforschung und von Umweltforschung unter der Regierung von Trump verändert wird, ist schwer abzusehen. Sicherlich wird es aber Konsequenzen geben, wenn ein Mensch an die Macht kommt, der den globalen Einfluss menschlicher Handlungen auf die Umwelt leugnet. Dass die Klimaforschung der NASA eingestellt werden soll, ist eine klares Zeichen: Es wird wahrscheinlich weniger staatlich geförderte Klimaforschung in den USA geben. Immerhin hat Trump als “Secretary of Education” statt dem Ultra-Evolutions-Leugnern Dr. Ben Carson und Jerry Falwell Betsy DeVos bestimmt. Der Vize-Präsident scheint auch Kreationist zu sein, auch wenn Trump selbst sich zu diesem Thema eher zurück hält. Schwer zu sagen also, was dieser Regierungswechsel für die Förderung von Evolutionsforschung in den USA bedeutet.

Die “postfaktische” Diskussion stellt ein zusätzliches Problem dar und ich denke, wenn die Basis unseres Wissenschaftsverständnis, nämlich den Realitätsanspruch von Erkenntnissen, in Frage gestellt wird, sollte jeder, der die naturwissenschaftliche Methode für realistisch und nützlich hält, sich dafür einsetzen dürfen – und das auch an Universitäten.

Dazu äußerte sich auch ein Scilogs-Kollege:
https://scilogs.spektrum.de/relativ-einfach/wo-bleibt-der-aufschrei-mueller-jung-sichtbarkeit/
https://scilogs.spektrum.de/relativ-einfach/us-praesidentschaftswahlen-was-heisst-das-fuer-die-wissenschaftskommunikation/

Weitere Links zum Thema:

https://www.washingtonpost.com/news/speaking-of-science/wp/2016/11/09/what-will-president-trump-mean-for-science/?utm_term=.a75a1ba941a0

http://www.nature.com/news/science-under-president-trump-1.20966

Avatar-Foto

Veröffentlicht von

Mit einem Diplom in Biologie in der Tasche, einer halben Doktorarbeit und viele Ideen will ich meinen Senf dazugeben. Meine irrsinnige Begeisterung für Lebewesen und des Lebens Wesen, möchte ich weitervermitteln. Und das an JEDEN. Jeder soll wissen, wie unglaublich Grottenolme sind und warum auch Gliazellen unserer Aufmerksamkeit bedürfen, dass Ratten nicht nur ekelig sind und die heimische Topfpflanze vielleicht bald schon die Nachttischlampe ersetzt. In Tübingen habe ich studiert, in Bern der Forschung den Rücken gekehrt. In Berlin bin ich nun auf der Suche nach Alternativen im Feld der Biologie und Kommunikation. Ganz besonders nach meinem Geschmack sind verrückte, unglaubliche oder einfach nur lustige Geschichten aus Ökologie, Evolution, Medizin und Technik. Schmeckt euch der Senf? Sonst mischt doch mal mit! Mathilde Bessert-Nettelbeck

9 Kommentare

  1. Vorsichtshalber vorab angemerkt:
    Der hier gemeinte Dr. Drew ist nicht dieser:
    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Drew_Pinsky

    Ansonsten finden einige besonderes Politisch-Werden des Universitäts-Personals nicht gut.
    Der Schreiber dieser Zeilen schließt sich hier an.
    Der hier gemeinte “Dr. Drew” hat wohl direkt nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses seine Class angekündigt, vgl. mit ‘Last night we saw (…)’, was impulsiv wirkt; seine dem Anschein nach politisch linke Meinung soll natürlich nicht unverkündet bleiben, bspw. in seinem WebLog nicht.

    Der Brief sollte die Studendierenden [1] darin bestärken, sich nicht entmutigen zu lassen (…)
    Nice1!

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    ‘Studierende’ sind wie ‘Studenten’ ein substantiviertes PPA, die Begriffe sind in der Bedeutung gleich.

  2. V2.0 – so schaut’s besser aus (einige hätten zudem nichts gegen eine Korrekturfunktion hier auch für Kommentatoren)!

    Vorsichtshalber vorab angemerkt:
    Der hier gemeinte Dr. Drew ist nicht dieser:
    -> https://en.wikipedia.org/wiki/Drew_Pinsky

    Ansonsten finden einige besonderes Politisch-Werden des Universitäts-Personals nicht gut.
    Der Schreiber dieser Zeilen schließt sich hier an.
    Der hier gemeinte “Dr. Drew” hat wohl direkt nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses seine Class angekündigt, vgl. mit ‘Last night we saw (…)’, was impulsiv wirkt; seine dem Anschein nach politisch linke Meinung soll natürlich nicht unverkündet bleiben, bspw. in seinem WebLog nicht.

    Der Brief sollte die Studendierenden [1] darin bestärken, sich nicht entmutigen zu lassen (…)

    >
    Nice1!

    MFG
    Dr. Webbaer

    [1]
    ‘Studierende’ sind wie ‘Studenten’ ein substantiviertes PPA, die Begriffe sind in der Bedeutung gleich.

  3. Jede Lehre, die mit der Gestaltung der menschlichen Umwelt zu tun hat, beinhaltet auch Kritik an der geltenden Praxis, sei das nun Stadtplanung, Steuergesetzgebung oder „Environmental Research“. Dies zu:

    Ich selbst bin der Meinung, dass „Environmental Research“ also Umweltforschung immer eine gewisse Kritik der Gesellschaft beinhaltet

    . Wenn ein Brief wie der von Dr. Drew an seine Studenten erlaubt ist, dann ist er ein Ausdruck der Meinung des Dozenten und seiner Einschätzung der Lage und Überlegungen zur politischen Korrektheit eines solchen Briefes sind Ausdruck einer Fehlentwicklung in den USA.

    Im übrigen lässt sich zur Anti-Science Haltung von Mitgliedern der neuen Trump-Administration sagen: Solange dies nur die Förderung, die investierten Gelder in die angefeindeten Forschungsgebiete (Evolutionsforschung, Klimaforschung) betrifft, ist das noch akzeptabel. Schlimm aber wäre es, wenn die neue Administration die Lehre des Kreationismus im Schulunterricht erlauben würde oder wenn Klimaleugner nun Anstellungen als Universitätsprofessoren erhielten einfach weil ihre Ansichten kompatibel mit der jetztigen Administration sind.

    • Ich denke auch, dass nur weil Forschung in eine bestimmte Richtung nicht besonders gefördert wird, sie trotzdem auch in den USA durch nicht-staatliche Träger gefördert werden kann (non-profit Organisationen etc.) – was vom Budget her nicht vergleichbar ist.

      Es wäre schlimm, wenn Kreationismus in den USA im Biologie-Schulunterricht gelehrt würde. In anderen Fächern wie Philosophie oder Religionsunterricht ist es ja kein Problem und sogar interessant, dieses Thema kritisch zu diskutieren.

    • @ Herr Holzherr :

      Wenn ein Brief wie der von Dr. Drew an seine Studenten erlaubt ist, dann ist er ein Ausdruck der Meinung des Dozenten und seiner Einschätzung der Lage und Überlegungen zur politischen Korrektheit eines solchen Briefes sind Ausdruck einer Fehlentwicklung in den USA.

      Wissenschaftler sind Sacharbeiter und sie dürfen, indem sie Schwerpunkte auf gewisse Entwicklungen setzen, auch indirekt politisch werden.
      Durch Auswahl und Vortrag ihrer Theoretisierungen.

      Was halt gar nicht geht ist, wenn ein Wissenschaftler (ohne pol. Mandat) anfängt Studierende (“Studenten”) pol. zu beschulen, wie es seinem Gusto entspricht.

      Es sei denn, er wird genau dafür bezahlt, von Studierenden, diese Möglichkeit bleibt aber theoretisch, wissenschaftlich Lehrende, in den Staaten: insbes. auch von Studierenden bezahlte Lehrende, werden insofern regelmäßig dafür nicht vergolten.

      Dieses Dokument wird, auch weil es pol. Meinung des Publizierenden mit seiner Lehre verknüpft, insofern von einigen als Tiefpunkt verstanden.
      Vgl. :
      -> https://labroides.org/2016/11/09/an-open-letter-to-my-class/ (K-Proben: ‘Unfortunately we also saw that the historical legacies of racism, sexism, and ignorance, still run deep within large swaths of our country.’ (negativ) + ‘for our Muslim brothers and sisters’ (der Schreiber dieser Zeilen sieht hier keine ‘Brüder und Schwestern’, wie diese auch vice versa sie nicht sehen, die Umma meinend) + ‘You are going to have to up your game to operate in a culture that does not value the beliefs you hold dear.’ (stimmt so nicht) + ‘We face real and honestly scary challenges ahead, but we are also a community. We take care of each other and we succeed or fail together.’ (negativ) etc. )

      Insofern liegt bei “Dr. Drew” eher eine Art Gemeindebrief, eine Art Hirtenbrief vor.
      Aus Sicht einiger: nackte Esoterik.

      MFG
      Dr. Webbaer

      • Wissenschaftler sind in ihrem Selbstverständnis keine Sachbearbeiter. Zudem findet die universitäre Forschung und Lehre immer in einem bestimmten kulturellen Umfeld statt. In den USA ist das (fast immer) ein liberal-städtisches, auch der demokratischen Partei nahestehendes Umfeld und die meisten (fast alle) Studenten von Professor Drew kommen aus diesem Umfeld oder kennen es (wenn sie aus den fly-over-states kommen lernen sie von ihren Kommilitonen schnell, was abgeht). Es ist ganz klar, dass einige der Passagen von Professor Drews Brief nichts mit seinem Fachgebiet aber viel mit der Kultur und Weltanschauung zu tun hat, die dirch Trumps Wahl nun quasi abgewählt wurde. Beispiel folgendes:

        For our poor communities, for our communities of color, for our LGTBQ communities, for our immigrant communities, for our disabled communities and for our Muslim brothers and sisters, this is not someone else’s problem. We are judged on how we treat those who have less power in our society, and my students, now is the time where we must redouble our personal efforts to reach out with kindness.

        Für jeden halbwegs kritischen Studenten dürfte klar sein, dass ihr Professor damit von etwas spricht, was mit seinem Fachgebiet nur wenig zu tun hat und was zudem für viele dem republikanischen Gedankengut und der republikanischen Lebensweise nahestehende wohl nicht einmal verstehen. Letzlich muss man den Brief als eine Art Bekenntnis auffassen, die die Weltsicht des Professors widergibt. Anspruch auf Objektivität kann ein solcher Brief nicht einlösen. Doch das muss er auch nicht. Jeder Student, jede Studentin kann sich dazu ihre eigenen Gedanken machen.

  4. Allein die Fragestellung zeigt einmal mehr, wie weit die Entpolitisierung der Universitäten mittlerweile gediehen ist. Ich kann mich noch lebhaft an meine Studienzeit in den 80ern erinnern (Chemie, Univ. Frankfurt), wo ein bestimmter Prof. keine Vorlesung vergehen liess, ohne gegen die damals noch ungewohnte rot-grüne Landesregierung zu wettern. Gegen Ende der Vorlesung wurde regelmässig der Untergang des Abendlandes beschworen, wenn dieser Haufen noch länger am Ruder bleiben würde.
    Als die Höchst AG (Höchst, meine lieben jungen Freunde, war damals nicht nur ein Frankfurter Stadtteil, sondern auch einer der 3 grössten deutschen Chemiekonzerne) aus eigenem Verschulden Schwierigkeiten mit der Genehmigung einer biochemischen Produktionsanlage bekam, hat besagter Prof sogar zu Unterschriftenlisten aufgerufen, um auf die Landesregierung Druck auszuüben. Die Studenten haben das natürlich komplett ignoriert (von den unvermeidlichen Schleimern mal abgesehen), aber niemanden wäre es eingefallen, deswegen ein Fass aufzumachen und dem Herrn das Recht auf diese Form der Einflussnahme zu bestreiten.
    Natürlich hat ein Wissenschaftler das selbstverständliche Recht, politische Entscheidungen, die sein Fachgebiet betreffen, öffentlich und auch im Rahmen seiner Vorlesungen zu kritisieren, die Freiheit der Meinungsäusserung endet schliesslich nicht an der Tür zum Vorlesungssaal.

    • “…aber niemanden wäre es eingefallen, deswegen ein Fass aufzumachen…”

      Diese Feststellung für die frühen 80er/End-70er meine ich bestätigen zu können – und es liegt mir täglich nahe, dies als einen Unterschied zu “heute” zu generalisieren. Natürlich samt dem zugehörigen Betroffenheits- und Event-Kult, der sich um die vermeintliche Differenz rankt. Es gibt einen solchen “Unterschied” vielleicht in gewisser Hinsicht insofern, als eine gewisse Art der Veröffentlichung von Meinen/Glauben/Finden heute so dermaßen ubiquitär in alle Hände gelegt ist, wie es sich “früher” eben nur auf das unmittelbare Umfeld und Sprachgebrauch beschränken mußte (“der Alte spinnt doch….”).

      In der Realität der unzähligen Ereignisse pro Ort ist es aber wahrscheinlich dann doch letztlich eine Fehleinschätzung – die “heutigen” Empörten sind vermutlich doch nicht unterscheidbar von den seinerzeitigen.

Schreibe einen Kommentar