Klanglandschaften unter dem Meer

Korallenriffen kann man ihre Gesundheit nicht nur ansehen sondern auch anhören. Denn: die Unterwasserwelt schweigt so ganz und gar nicht, wie es im Titel von Cousteau’s Meisterwerk heißt, sondern erzählt jede Menge Geschichten.

Wer schon einmal im Mittelmeer oder an anderen Felsküsten schnorcheln war, kennt bestimmt das hohe Klicken und Knacken, dass die Riffe in unseren Breiten produzieren. Diese Geräusche sind zum großen Teil biologischen Ursprungs. Eine neue Untersuchung zeigt, dass diese Klanglandschaften oder „Soundscapes“ verwendet werden könnten, um zu bestimmen, wie „gesund“ Korallenriffe sind. Nach der weltweiten und katastrophalen Korallenbleiche in den letzten 2 Jahren kommt eine solche schnelle und quantitative Technik wie gerufen. Frédéric Bertucci forscht am Insular Research Center and Environment Observatory CRIOBE, eine französische Institution des CNRS mit einer Forschungsstation auf der Insel Moorea in Französisch-Polynesien – einem Überseegebiet Frankreichs. Gemeinsam mit Kollegen der Universität Liège in Belgien untersuchte er im März 2015, ob die Vielfältigkeit der Klänge die Biodiversität in Meeresgebieten an dieser Insel wiederspiegelt. Bisher wird der Zustand von Riffen visuell bestimmt: Beim Tauchen oder mit Flugzeugbildern – das bedeutet einen großen Material- und Zeitaufwand. Die Riffe abzuhören, könnte langfristige und genaue Erhebungen ermöglichen.

Und so hört sich die Unterwasserwelt in Moorea an:

Als erstes fällt das hohe Klicken des Pistolenkrebs auf. Er gehört zu den auffälligsten Interpreten der akustischen Unterwasserwelt ­und ist in Korallenriffen wie auch im Mittelmeer weit verbreitet. Der kleine Krebs trägt seinen Namen nicht umsonst: https://www.youtube.com/watch?v=XC6I8iPiHT8

Doch auch Fische sind nicht gerade lautlose Riffbewohner: Das Raspeln der Papageienfische ist zwar eher ein Nebenprodukt der Vorliebe dieser Tiere für lecker Korallen – so mancher Riffbewohner nutzt aber auch seine Schwimmblase zur Kommunikation. Am Ende der Aufnahme ist zum Beispiel der Bumerang-Drückerfisch zu hören. Ob beim Paarungs- oder Territorialverhalten – die Fische sind so gar nicht stumm, wie man es ihnen nachsagt. Von über 100 Fischfamilien wissen Forscher, dass sie vokalisieren (Hawkins 1993). Sogar der Clown-Fisch gibt den einen oder andere Ruf von sich: https://www.youtube.com/watch?v=-qD6944aXtY. Bei dieser Familie scheinen die Rufe besonders im Sozial-Verhalten zwischen Gruppenmitgliedern eine Rolle zu spielen (Colleye 2012). Forscher aus Perth fanden sogar, dass an Riffen im Norden von Australien die Fische besonders in den Morgen und Abendstunden ihr Klicken und Brummen anstimmen – ähnlich wie im heimischen Frühlingswald die Vogelstimmen.

Zu diesen Riffgeräuschen kommen noch Wellen- und Bootsgeräusche dazu. Je nach Aufbau eines Riffs variiert dieser Soundscape und Larven im Plankton orientieren sich nach diesen Unterschieden. Können auch wir Menschen über diese Klang-Unterschiede Informationen zum Zustand der Riffe gewinnen?

Frédéric Bertucci schaute sich Veränderungen im Schalldruckpegel (das, was in Dezibel gemessen wird) und in der akustischen Komplexität (Acoustic complexity index: ein Algorithmus, der entwickelt wurde, um die Vielfalt von Vogelgesang zu quantifizieren) an. Er legte dafür 3 Monate lang Unterwassermikrofone an verschiedenen Orten am Riff in Moorea aus und bestimmte gleichzeitig mit Transekten die Biodiversität der Korallenriffbereiche.

So brachten die Forscher auf Moorea die Mikrophone Unterwasser an.
Credit: Cécile Berthe So brachten die Forscher auf Moorea die Mikrofone Unterwasser an.

Dabei verglich er Riffe innerhalb eines Meeresschutzgebietes mit denen in angrenzenden Gebieten. Bertucci stellte fest, dass Schalldruckpegel und Index den Anteil lebendiger Korallen wiederspiegeln. Je lauter und vielfältiger die Akustik im Riff, desto gesünder die Korallen und desto höher ist die Biodiversität. Diese Soundscape-Methode könnte ein neues Werkzeug für die schnelle und großflächige Begutachtung von Veränderungen der Biodiversität, wie nach der aktuellen Korallenbleiche ermöglichen – besonderes wenn es darum geht zu messen, ob sich die Riffe wieder erholen. Verwendet haben die Forscher die Studie, um den Effekt von Meeresschutzgebieten zu hören. Sie zeigten zusätzlich, dass die Schutzgebiete auf Moorea wahrscheinlich funktionieren: Mehr Tierarten leben in diesen Gebieten und die Korallen sind auch gesünder. Aber der Diversitätsindex unterschied sich nicht, “was vielleicht daran liegen könnte, dass die Vergleichsgebiete zu nah an der Schutzzone waren”, erklärt Bertucci.

Der Soundscape-Ansatz misst den Zustand von Korallen zwar nur indirekt, hat aber, denke ich, großes Potential für das Monitoring von Korallenriffen. Es müssen natürlich noch mehr Daten – auch von anderen Riffen – her, damit diese Methode sich etablieren kann. An Land hören die Biodiversitätsforscher schon länger hin und nutzen die Daten für ihre Forschung.

Der Begriff “Soundscape” wurde übrigens als Erstes vom Musiker Murray Schäfer verwendet. Hier ist ein Beispiel zu Wellen. Für alle denen das zu klassisch-abgedreht ist, habe ich eine Alternative vorbereitet. Meine eigenen Meeressounds in einer frei-assoziativen Musikzusammenstellung: https://open.spotify.com/user/mbnettelbeck/playlist/16VGOXHRsy2ak23SmtAZY7

Quellen:

Bertucci, Frédéric, Eric Parmentier, Gaël Lecellier, Anthony D. Hawkins, and David Lecchini. “Acoustic Indices Provide Information on the Status of Coral Reefs: An Example from Moorea Island in the South Pacific.” Scientific Reports 6 (September 15, 2016): 33326. doi:10.1038/srep33326.

Buscaino, Giuseppa, Maria Ceraulo, Nadia Pieretti, Valentina Corrias, Almo Farina, Francesco Filiciotto, Vincenzo Maccarrone, et al. “Temporal Patterns in the Soundscape of the Shallow Waters of a Mediterranean Marine Protected Area.” Scientific Reports 6 (September 28, 2016): 34230. doi:10.1038/srep34230.

Colleye, Orphal, and Eric Parmentier. “Overview on the Diversity of Sounds Produced by Clownfishes (Pomacentridae): Importance of Acoustic Signals in Their Peculiar Way of Life.” PLOS ONE 7, no. 11 (July 11, 2012): e49179. doi:10.1371/journal.pone.0049179.

Hawkins AD (1993) Underwater sound and fish behaviour. In: Pitcher TJ, editor. Behaviour of teleost fishes. London: Chapman and Hall. pp.129–169.

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Mit einem Diplom in Biologie in der Tasche, einer halben Doktorarbeit und viele Ideen will ich meinen Senf dazugeben. Meine irrsinnige Begeisterung für Lebewesen und des Lebens Wesen, möchte ich weitervermitteln. Und das an JEDEN. Jeder soll wissen, wie unglaublich Grottenolme sind und warum auch Gliazellen unserer Aufmerksamkeit bedürfen, dass Ratten nicht nur ekelig sind und die heimische Topfpflanze vielleicht bald schon die Nachttischlampe ersetzt. In Tübingen habe ich studiert, in Bern der Forschung den Rücken gekehrt. In Berlin bin ich nun auf der Suche nach Alternativen im Feld der Biologie und Kommunikation. Ganz besonders nach meinem Geschmack sind verrückte, unglaubliche oder einfach nur lustige Geschichten aus Ökologie, Evolution, Medizin und Technik. Schmeckt euch der Senf? Sonst mischt doch mal mit! Mathilde Bessert-Nettelbeck

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