Wieviele Forscher schummeln?

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researchblogging Philipp sagt Philipp sagt:
Fälle von Fälschungen in der Wissenschaft gibt es viele – mir fällt als erstes Hwang Woo-suk ein, der ca. 2005 eine komplett gefälschte Studie über auf Patienten angepasste embryonale Stammzelllinie in Science veröffentlichte.
Ernst Haeckel hat damals bei seinen Zeichnungen von Embryonen auch gut betrogen, wollte er doch beweisen, dass die Ontogenie (die Entwicklung des Embryos) die Phylogenie (die Stammesgeschichte) wiederholen sollte. Diese Theorie nannte man damals das Biogenetische Grundgesetz – ein menschlicher Embryo sollte demnach in seiner Entwicklung beim Einzeller starten, dann zum Fisch werden, dann zum “niedrigen” Säugetier und dann zur “Krone der Schöpfung”, dem Menschen.
Um diese Theorie zu belegen, kopierte Haeckel einfach Zeichnungen von Hund/Huhn/Mensch-Embryonen voneinander, sodass der Eindruck entstand, die Embryonen würden zu gleichen Zeitpunkten zu Beginn der Embryonalentwicklung genau gleich aussehen. Was sich später natürlich als Quatsch herausstellte. Trotzdem sind Haeckels Zeichnungen bis heute sehr beliebt – sie sind ja auch wunderschön. Stimmen ja auch meistens.

Aber ich wollte ja über eine Veröffentlichung schreiben – “How Many Scientists Fabricate and Falsify Research? A Systematic Review and Meta-Analysis of Survey Data” von Daniele Fanelli, erschienen in PLos ONE.
21 Veröffentlichungen mit Befragungen von Wissenschaftlern wurden in dieser Meta-Analyse zusammengefasst. Fragen, die sich nicht direkt mit Fälschungen befassten, wurden ausgelassen (z.B. Plagiarismus).

Wie sehen die Ergebnisse aus?
1,97% aller befragten Wissenschaftler gaben zu, schonmal Daten gefälscht oder manipuliert haben! Ganz schön hoch, vor allem wenn man bedenkt, dass die Zahl in der Realität wahrscheinlich höher ist (In den einzelnen Studien schwankt der Wert zwischen 0,3% und 4,9%).
33,7% gaben zu, sich schonmal “questionable research practices” bedient zu haben – darin enthalten sind Schlampigkeit und kleinere Vergehen.
Man sieht auch schön die Auswirkungen der Formulierung der Frage – befragte Wissenschaftler geben eher zu, Daten modifiziert zu haben, als falsche Daten publiziert zu haben.

Natürlich beobachten mehr Wissenschaftler andere Wissenschaftler beim Fälschen als sich selbst – 14% wollen schonmal einen Kollegen beim Betrügen beobachtet haben. (14%-1,97% =12.02%; wie geht das denn..)

Hatte das ganze Gelüge Auswirkungen? Auch das wurde in der Studie berücksichtigt –
ungefähr die Hälfte der befragten Wissenschaftler gab zu, etwas gegen die Fälschungen unternommen zu haben. Was genau das Ergebnis dieser Aktionen war, wurde in keiner der Studien nachgefragt.
In einer der beinhalteten Studien (Gardner W, Lidz CW, Hartwig KC (2005) Authors’ reports about research integrity problems in clinical trials.) kam sogar heraus, dass 29% aller zugegebenen Fälschungen nie ans Tageslicht kamen!

Ich hätte nicht gedacht, dass diese Zahlen so hoch sind – der normale Peer Review Prozess scheint da nicht wirklich zu greifen. Experimente müssen nachvollziehbar sein, das heißt noch lange nicht, dass sie jemand wirklich im Labor nachstellt.


Fanelli, D. (2009). How Many Scientists Fabricate and Falsify Research? A Systematic Review and Meta-Analysis of Survey Data PLoS ONE, 4 (5) DOI: 10.1371/journal.pone.0005738

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

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