Was Endosymbionten so alles können

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Diesmal gehts um Wolbachia – einen weit verbreiteten Endosymbionten des Stammes der Arthropoda (=Gliederfüßer), wozu Insekten, Spinnen, Krebse usw. gehören.
Im Review „Wolbachia: master manipulators of invertebrate biology“ von John H. Werren, Laura Baldo und Michael E. Clark, erschienen in Nature Reviews Microbiology, fassen die Autoren den Stand der Forschung zusammen – und der kann sich bei diesem überaus interessanten Bakterium sehen lassen.

Wolbachia (eine vollständigen Bezeichnung mit Artnamen gibt es erst, wenn sich geeinigt wurde welche der 8 Untergruppen – inzwischen wohl 9 – eine eigene Art ist und welche nicht) gehört zu den häufigsten Mikroorganismen, anscheinend kommt dieser Mikroorganismus in mehr als 20% aller Arthropoden-Spezies vor – das macht bei ca. 1 Million bekannten Arthropodenarten (Schätzungen gehen hoch bis 8 Millionen Arten) 200.000 Spezies, die mit Wolbachia leben. Wenn man sich dann noch überlegt, wieviel Individuen jede Spezies hat – allein Ameisen machen geschätzte 15-20% der tierischen an Land lebenden Biomasse aus!

Wolbachia pflanzt sich nur über die Eier der Wirte fort – hier ein Bild, damit man sich die Vorgänge auf zellulärer Ebene vorstellen kann: (Quelle)

Ei einer Wespe

Gezeigt ist ein Ei der Wespe Trichogramma kaykai, infiziert mit Wolbachia-Individuen; das sind die kleinen weißen Punkte.
Um den eigenen Fortpflanzungserfolg zu bewahren hat Wolbachia im Laufe der Evolution 4 Mechanismen entwickelt, die ihresgleichen bei anderen Parasiten/Symbionten suchen:
1. Cytoplasmic incompability: Der häufigste Mechanismus in der Natur. Dabei sorgen die Wolbachia-Organismen dafür, dass Sperma von männlichen Wirten inkompatibel mit Eiern von nicht-infizierten Weibchen ist. So wird dafür gesorgt, dass die nicht-infizierten Weibchen wesentlich weniger Nachkommen als infizierte Weibchen haben.
2. Induktion von Parthenogenese: Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet ungefähr Jungfrauengeburt. Und das auch passiert bei infizierten Weibchen: Sie legen nur noch Eier mit genetisch identischen und Wolbachia-infizierten Weibchen, ohne das ein Männchen da was zu sagen hätte.
3. Verweiblichung: Männchen (auf genetischer Ebene) entwickeln sich zu Weibchen (auf körperlicher Ebene), so dass sie auch Eier mit Wolbachia-Zellen produzieren.
4. Male killing: Die Männchen sterben während der Entwicklung zu Larven, zum Vorteil der Weibchen, denn es bleibt mehr Nahrung für sie. Anscheinend kommt es auch hier zur Verweiblichung, nur ist sie tödlich.

Manche Wolbachia-Stämme können sogar mehrere dieser Strategien verwirklichen – so konnte ein Stamm künstlich zwischen zwei Schmetterlingsarten ausgetauscht werden, in der ersten Art (Cadra cautella) sorgte der Symbiont für cytoplasmatic incompability, in der anderen Art (Anagasta kuehniella) kam es dagegen zu male killing. Also haben viele Stämme ein bisher in der Literatur unbeschriebenes Potential zu anderen Formen der Wirtsbeeinflussung, die speziell für sie noch nicht beobachtet wurden.

Und warum hab ich jetzt im Titel des Artikels Endosymbionten geschrieben? Im Alltagsdeutschen (so wie ich es jedenfalls immer mitbekomme) versteht man unter Symbiose ein Zusammenleben mit beidseitigem Vorteil – das bezeichnet man im Fachjargon aber als „Mutualismus“, dazu gibts noch „Neutralismus“ und „Parasitismus“, was wohl selbsterklärend ist. Das Wort „Symbiose“ bezeichnet also alle drei Begriffe zusammen, und so ist es auch bei Wolbachia: Es gibt Beispiele aus der Natur, in denen eine Infektion mit Wolbachia auch von Vorteil sein kann.

So scheint das Zusammenleben von Wolbachia und Nematoda (=Fadenwürmern) wohl von beidseitigem Vorteil zu sein, eventuell indem sie parasitischen Nematoden helfen, indem sie auf die Immunabwehr eines (mit Nematoda) befallenen Wirtes wirken. In der Fruchtfliege (Drosophila melanogaster) scheinen sie vor Infektion mit RNA-Viren zu schützen. Evolutionär macht das Sinn, denn wenns dem Wirt gut geht, gehts schließlich auch den Endosymbionten gut.

Wunderbar ist auch das Wolbachia anscheinend das Cytoskelett von Drosophila benutzen kann – so benutzen die Symbionten die Mikrotubuli, die Drosophila zum Aufteilen beider Zellen bei der Zellteilung benötigt, wie eine Art von Lianen, um so bei der Zellteilung mit in die neue Zelle zu gelangen! Dabei wird die Gruppe von Bakterien in der Zelle ungefähr halbiert – eine Hälfte bleibt in der „alten“ Zelle, die andere Hälfte geht mit in die neue Zelle.

Vielleicht habt ihr vor kurzem auch ein bisschen was in den Medien von Wolbachia gehört – in Science wurde vor kurzem ein Artikel über Wolbachia als mögliches „natürliches Insektengift“ gegen Moskitos publiziert. Mehr dazu z.B. hier.

Und damit schließe ich den Artikel hier auch ab – ich hoffe, ihr seid jetzt ein kleines bisschen so fasziniert von Wolbachia, wie ich es bin.


John H. Werren, Laura Baldo, Michael E. Clark (2008). Wolbachia: master manipulators of invertebrate biology Nature Reviews Microbiology, 6 (10), 741-751 DOI: 10.1038/nrmicro1969

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

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