Schweinegrippe auf vernünftige Art

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ResearchbloggingPhilipp sagt: Nach all der unangebrachten Schreierei in deutschen (und internationalen) Medien ist eine solche Veröffentlichung eine Wohltat: Towards a sane and rational approach to management of Influenza H1N1 2009 von William Gallaher, erschienen im Journal of Virology am 7. Mai. Der Autor fasst die bisherigen Ereignisse zusammen (nicht ohne eine Prise Ironie) und kritisiert dabei das Verhalten der Weltöffentlichkeit bzw. einiger Regierungen. Da sind ja inzwischen die besten Sachen passiert – Afghanistan hat sein einziges Schwein in Quarantäne in Quarantäne gesetzt, Ägypten möchte all seine Schweine töten lassen und Serbien, China, Russland den Import von Schweinefleisch verboten – dabei ist man inzwischen der Meinung, das das Virus höchstwahrscheinlich von Wandervögeln und dann von Mensch zu Mensch verbreitet wird. Beim Kochen wird das Virus sowieso inaktiviert, und bis dato wurde auch kein Fall beschrieben, bei dem sich jemand mit Influenza über die Nahrung angesteckt hat. Auch scheint Mexiko auch nicht die "Schuld" zu tragen; da hat man ja auch schon die besten Theorien gelesen, z.B. das das Virus von den USA hergestellt wurde, um alle Mexikaner auszurotten. Klar. So scheint H1N1 aus diesem Jahr zu 95% identisch mit einem Influenza-Erreger aus dem Jahre 2000 zu sein – gefunden in Indiana, USA. Zitat: "Border interdiction makes no sense when the H gene is All-American, having been in Indiana longer than the Head Coach and most of those playing football for Notre Dame." 94% eines der Neuraminidase-Gene ist identisch mit einem Influenza-Erreger gefunden in den 90ern, und zwar in Großbritannien. Natürlich ist es wahrscheinlich, das die Rekombination, die zum heutigen Erreger führte in Mexiko stattgefunden hat. Bei der Verbreitung der "Einzelteile" wie oben beschrieben hätte das jedoch auch überall sonst passieren können. So hilft die Beschreibung "Mexikanische Grippe" nur, Vorurteile über Mexiko zu verstärken oder Gründe zu finden, die Grenzen zu Mexiko zu schließen. Ich möchte heute nicht entwarnen; noch hat sich das Virus als relativ harmlos herausgestellt, mit 56 bestätigten Toten weltweit seit Ausbruch. Ein wenig Selektion, und das Virus kann sich noch stärker auf die Menschheit auswirken, indem es sich z.B. leichter verbreiten lässt, oder tödlicher für den Erkrankten wird. Noch ist das allerdings nicht passiert, und diese neue Grippe so aus den Proportionen zu blasen lenkt die Öffentlichkeit von viel wichtigeren Dingen ab. 2007 alleine sind 2 Millionen Menschen weltweit an HIV gestorben (Quelle), im gleichen Jahr sind ~1.7 Millionen an Tuberkulose gestorben (Quelle). Noch mehr Leute sterben am Rauchen! 4.9 Millionen Menschen sterben pro Jahr an den Folgen des Tabakkonsums (Quelle). H1N1 ist jetzt ungefähr seit einem Monat großes Thema in den Medien, seitdem sind daran ca. 60 Menschen gestorben, und es gibt ca. 5000-6000 bestätigte Erkrankte. In einem Monat. Man kann jetzt noch nicht abschätzen, wieviele noch sterben werden, aber bis jetzt sind die "alten" Pandemien wie HIV, TB, etc. wesentlich gefährlicher. Der Artikel ist Open Access, also lest ihn, es lohnt sich! Hier noch ein Zitat, wie man die Schweinegrippe benutzen kann, um seine Vorurteile zu verbreiten: Sheik Alih Osman hat am 10. Mai eine Fatwa ausgesprochen, die es erlaubt, alle Schweine in Ägypten umzubringen, denn: "Due to their Jewish roots, Sheikh Osman says, it is permissible to slaughter all the pigs. The religious scholar was quoted as saying by a Jordanian newspaper that he personally believes the source of the pigs is Jews and thus the consumption of pork meat is banned in Islam." – Quelle. Ich wüsste jetzt nicht, was Schweine mit Juden am Hut haben, vielleicht ihr? Gallaher, W. (2009). Towards a sane and rational approach to management of Influenza H1N1 2009 Virology Journal, 6 (1) DOI: 10.1186/1743-422X-6-51

Veröffentlicht von

Bastian hat seinen Bachelor in Biologie in nur 8 statt 6 Semestern abgeschlossen. Nach einem kurzen Informatik-Studiums-Intermezzo an der TU Dortmund hat es ihn eigentlich nur für ein Stipendium nach Frankfurt am Main verschlagen. Dort gestrandet studiert er dort nun im Master-Programm Ökologie und Evolution. Zumindest wenn er nicht gerade in die Lebensweise der Hessen eingeführt wird. Neben seinen Studiengebieten bloggt er über die Themen, die gerade in Paperform hochgespült werden und spannend klingen.

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