Noch mehr Mittel gegen HIV

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Im letzten HIV-Post ging es um die Möglichkeit HIV mit Chimären aus RNA-Interferenz und sogenannten Aptameren zu behandeln. Mit dieser Methode kann man die Krankheit zwar auch nicht heilen, aber zumindest kann man, wenn die Methode hält was sie verspricht, die Ausbreitung im Körper nebenwirkungsfrei unter Kontrolle halten. Ich bin über einen anderen Weg, die Infektion zu bekämpfen, gestolpert, den haben Forscher Ende letzten Jahres vorgestellt.

Wie vermutlich vielen von euch bekannt ist greifen die HI-Viren im Organismus die T-Helferzellen an. Die sind eine Untergruppe von weißen Blutkörperchen und spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung des Immunsystems. Wenn die Anzahl der T-Helferzellen durch die Infektion sinken, wird das Immunsystem geschwächt. Und die Folge, AIDS, ist wohlbekannt. Allerdings befällt HIV auch andere weiße Blutkörperchen, nämlich die Makrophagen – auch als Fresszellen bekannt. Im Foto unten sieht man eine Makrophage, die grünen Punkte sind HIV-Partikel.

Makrophagen sind die mobile Eingreiftruppe des Immunsystems und futtern Mikroorganismen ganz einfach auf. Für HIV stellen die Makrophagen allerdings ein Problem dar, denn sie sind ausdifferenziert und teilen sich als Zelle nicht weiter, dementsprechend findet man nur extrem geringe Mengen an Desoxyribonukleosidtriphosphaten (dNTPs) in diesen Makrophagen. Und die dNTPs werden bei der Replikation von DNA als Grundbausteine verwendet. Da HIV ein Retrovirus ist, also sein eigenes RNA-Genom in der Wirtszelle in DNA zu kopieren, ist es eigentlich auf dNTPs im Wirt angewiesen.

In der Veröffentlichung aus dem letzten Jahr wurde aber gut nachgewiesen, dass die Reverse Transkriptase, das Enzym was HIV verwendet um aus seinem RNA-Genom DNA zu machen, ersatzweise auch mit Ribonukleosidtriphosphaten (rNTPs) als Substrat arbeiten kann. Und solche rNTPs findet HIV auch in den Makrophagen, denn auch die Makrophagen müssen selbst noch mRNA produzieren können. Außerdem haben sie gezeigt, dass man die Reverse Transkriptase blockieren kann, in dem man ihr modifizierte rNTPs gibt. Diese modifizierten rNTPs führen dann zu einem Kettenabbruch bei der Synthese der DNA, ganz ähnlich zu den ddNTPs die man beim traditionellen Sanger-Sequencing verwendet.

Das klingt erst einmal ganz toll, und die Forscher schlagen auch vor, dass man solche Kettenabbruch-rNTPs dafür nutzen könnte die Ausbreitung von HIV in Makrophagen zu unterbinden. Aber entweder habe ich da einen Denkfehler (Ich bin ja weder HIV- noch Biochemie-Experte) oder diese Methode scheint mir absolut unpraktisch zu sein. Wenn solche rNTPs zum Kettenabbruch führen, dann sollten sie auch bei einer normalen RNA-Polymerase zum Kettenabbruch führen.

Und das bedeutet nichts anderes als das man die gesamte Protein-Biosynthese lahmlegt, immerhin erzeugen unsere Zellen ständig mRNA. Und selbst wenn man die modifizierten rNTPs irgendwie nur in die Makrophagen bringen könnte: Auch die sind auf funktionierende mRNA angewiesen. Vielleicht hat ja einer der Leser eine Idee wo ich meinen Denkfehler habe.

Bild: Wikimedia, CC-BY

Kennedy, E., Gavegnano, C., Nguyen, L., Slater, R., Lucas, A., Fromentin, E., Schinazi, R., & Kim, B. (2010). Ribonucleoside Triphosphates as Substrate of Human Immunodeficiency Virus Type 1 Reverse Transcriptase in Human Macrophages Journal of Biological Chemistry, 285 (50), 39380-39391 DOI: 10.1074/jbc.M110.178582

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Veröffentlicht von

Bastian hat seinen Bachelor in Biologie in nur 8 statt 6 Semestern abgeschlossen. Nach einem kurzen Informatik-Studiums-Intermezzo an der TU Dortmund hat es ihn eigentlich nur für ein Stipendium nach Frankfurt am Main verschlagen. Dort gestrandet studiert er dort nun im Master-Programm Ökologie und Evolution. Zumindest wenn er nicht gerade in die Lebensweise der Hessen eingeführt wird. Neben seinen Studiengebieten bloggt er über die Themen, die gerade in Paperform hochgespült werden und spannend klingen.

4 Kommentare

  1. Das ist ja auch eines der Probleme vieler heutiger Medikamente. Man könnte es mit einer Chemotherapie bei Krebs vergleichen bei der häufig die Mitose von Krebszellen gehemmt werden soll, als Nebenwirkung aber eben auch die Mitosen aller anderen Teilungsfähigen Zellen gehemmt werden.
    Man könnte mit modifizierten rNTPs womöglich den HI-Virus ausbremsen, aber die Nebenwirkungen wären vermutlich auch hier beträchtlich.
    Als Medikament wären sie demnach vermutlich nur für bereits an Aids erkrankte Patienten sinnvoll, deren Immunsystem bereits erheblichen Schaden genommen hat.

  2. Als Laie vermute ich, dass es noch einfacher ist Krebszellen klar zu identifizieren und “auszulöschen”.

    Zum einen dürften sich die Krebszellen durch Metabolite, Antikörper etc. doch ganz gut erkennen lassen (immerhin machen sie ja charakteristisches “Fehlverhalten”, sonst wären sie ja kein Krebs ;)).

    Und zum anderen hat man hier eine Zellgruppe die ihre Auffälligkeit damit gekoppelt hat, dass sie ihrer eigentlichen Bestimmung ja nicht mehr nachkommen, also relativ “gefahrlos” abgetötet werden können.

    Abgesehen davon hat man in Tumoren ja lokal relativ begrenzte Patches die man mit den Medikamenten angreifen will.

    Ich weiss nicht, ob die HIV+ Makrophagen auch Signale zeigen, die sie von gesunden Makrophagen unterscheiden, sonst kann man nämlich nur ganz generell alle Makrophagen attackieren, mit den Nebenwirkungen wie du sie beschreibst. Und gleichzeitig sind die ja nicht räumlich eingeschränkt.

    Aber mal sehen, vielleicht finden klügere Leute bzw. welche mit mehr Ahnung von allen Details da ja einen Weg. 🙂

  3. Bei dieser Frage wäre es interessant, ob die Autoren mal überprüft haben, ob die menschlichen RNA-Polymerasen eine niedrigere oder gar eine höhere Affinität zu den modifizierten rNTPs haben als die viralen Reverse Transkriptase. Wenn ich mich recht erinnere, beruht eine Resistenz gegen antiretrovirale Medikamte wie AZT (?) teilweise auf einer geringeren Affinität der mutanten RT zu Kettenabbruch-Nukleotiden im Vergleich zur “WT”-RT. Es ist also durchaus denkbar, dass verschiedene Polymerasen unterschiedliche Affinitäten besitzen.

    Haben die eigenen Polymerasen ne niedrigere Affinität, wär’s ja schon mal nicht schlecht. Hat aber zum Beispiel die RNA-Polymerase I ne höhere Affinität, ist’s wohl Essig…dann hätten die betroffenen Zellen massive Probleme, noch komplette rRNA und damit funktionsfähige Ribosomen herzustellen.

    Gruß Stefan

  4. rNTPs und Kettenabbruch

    Die zelluläre RNA-Polymerase lässt die rNTPs sozusagen links liegen.Die zelluläre RNA-Polymerase kann die rNTPs nicht im aktiven Zentrum des Enzyms binden (sterische Hinderung), deshalb können sie gar nicht eingebaut werden und zum Kettenabbruch führen. So steht es jedenfalls in der Diskussion des Papers.

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