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researchblogging Philipp sagt Philipp sagt:
Moin! Wir von W&W entschuldigen uns bei unseren Lesern für die längere Pause, aber das reale Leben hat uns beide in letzter Zeit ziemlich auf Trab gehalten. Glücklicherweise hab wenigstens ich jetzt mehr Zeit – Bachelorarbeit ist endlich abgegeben und ich kann seit dieser Woche den lieben langen Tag im Bett lesen und mir den Rücken wund liegen. Endlich Druckstellen!

Also zurück zum normalen Blog-Alltag. Heute gehts um “Functional Characterization of the Antibiotic Resistance Reservoir in the Human Microflora” von Sommer at al., erschienen in der letzten Science. Antibiotika-Resistenzen werden für den Menschen immer mehr zum Problem – vor allem für kranke oder alte Menschen können resistente Keime wie MRSA (=Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) schnell zum gesundheitlichen Risiko werden.

(Kleine Anmerkung aus meiner Zivizeit im Krankenhaus: Eine Infektion mit einem multi-resistenten Keim kann auch zum geistigen Risiko werden. Einzel-Isolation aufgrund einer solchen Infektion zum Schutze anderer, noch nicht infizierter Patienten birgt auch seine Gefahren – ältere Menschen, die den ganzen Tag alleine auf ihrem Zimmer in ungewohnter Umgebung rumsitzen, verlieren meiner Erfahrung nach schnell jeglichen Bezug zur Realität.)

In ihrer Studie haben die Autoren die Mikrofauna im Darm und im Mund zweier Menschen untersucht. Hintergrund war die Möglichkeit, dass Antibiotika-Resistenzen von für den Menschen positiv arbeitenden Bakterien auf weniger positiv wirkende Bakterien übertragen werden können.
Dies kann bei Bakterien wesentlich einfacher passieren als bei uns Menschen – viele Bakterien tragen ringförmige, selbstständig replizierende DNA-Moleküle (sog. Plasmide) mit sich, auf denen Resistenzen gegen verschiedene Gifte oder Antibiotika codiert sein können. Diese Plasmide können auf verschiedene Arten und Weisen von Zelle zu Zelle übertragen werden – manche Bakterien haben sogenannte F- oder Sex-Pili, mit denen sie Plasmid-Kopien von sich auf andere Bakterien übertragen können, andere Bakterien nehmen einfach die übrig gebliebenen Plasmide von toten Bakterien auf.

Die Forscher testeten die Bakterien mit 13 unterschiedlichen Typen von Antibiotika, indem sie DNA-Schnipsel in “leere” Plasmide einbrachten (als sog. Inserts) und diese in E. coli-Stämme einbrachten. Inserts, die gegen alle 13 Typen immun waren, wurden sequenziert und auf Ähnlichkeiten zu bekannten Resistenz-Genen untersucht (das kann man leicht am PC machen mit Algorithmen wie z.B. BLAST).

Die meisten der untersuchten Resistenz-Genen waren nur entfernt zu bekannten Resistenz-Genen verwandt, mit einem Durchschnitts-Wert von 69,5% auf dem Nukleotid-Level. Insgesamt wurden 78 Gene mit niedriger Übereinstimmung mit bekannten Resistenz-Genen gefunden. Dies könnte verschiedenes bedeuten – eigentlich müssten sie in Pathogenen schonmal aufgetaucht sein, da sie ja auch offensichtlich in einer entfernteren Art wie E. coli funktionieren (sonst wären sie ja nicht aufgetaucht). Also wurden sie noch nicht in Pathogenen entdeckt, sind dort aber vorhanden, oder ein Übertragungsmechanismus für diese Gene ist nicht vorhanden.

Im zweiten Schritt haben die Forscher aerobe, also Luft benötigende Bakterien, untersucht, indem sie Stuhlproben von zwei Individuen (vielleicht die gleichen wie weiter oben?) auf Resistenz-Gene überprüften. Interessanterweise sind von den in diesem Schritt 115 gefundenen Resistenz-Genen 95 % der Gene mindestens 90% mit bekannten Resistenz-Genen ähnlich, was auf eine enge Verwandtschaft zwischen den untersuchten Bakterien und pathogenen Bakterien schließen lässt.

Diese Studie ist nur ein erster Schritt in die richtige Richtung – mit mehr Daten aus größeren Studien lässt sich so ein Katalog der im Menschen potentiell vorhandenen bakteriellen Resistenz-Genen erstellen. So lassen sich zukünftig in pathogenen Bakterien auftauchende Resistenzen zum Teil leichter voraussagen, da in diesen Fällen die Resistenzen von “den guten” Bakterien auf “die bösen” Bakterien übertragen worden sind.

Für von pathogenen Bakterien selbst entwickelte Resistenzen ist dieser Ansatz aber auch keine Lösung.
Stattdessen gibts für den Moment nur Schadensbegrenzung – Antibiotika nur verabreichen, wenn sie wirklich nötig sind, und dann auch die richtigen und in einer richtigen Dosis, damit überlebende Bakterien keine Resistenzen entwickeln können.


Sommer, M., Dantas, G., & Church, G. (2009). Functional Characterization of the Antibiotic Resistance Reservoir in the Human Microflora Science, 325 (5944), 1128-1131 DOI: 10.1126/science.1176950

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

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