Die Gen-Angst mit Cocktailparties bekämpfen

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Die Chemiker können ja immer nur den Kopf schütteln, wenn sie Produkte zum Verkauf geboten sehen, deren Verpackung und/oder Bewerbung die Beschreibung „ohne chemische Zusätze“, oder im Englischen auch „chemical free“ enthält. Auch wenn sich das in den letzten Jahren zumindest gefühlt verbessert hat. Denn mittlerweile schreibt man stattdessen beispielsweise lieber „ohne künstliche Geschmacksverstärker“ auf die Verpackung (was an künstlichem, chemisch identischem Geschmacksverstärker jetzt schlechter ist als an einem genauso in der Natur vorkommenden ist noch mal ein ganz anderer Fall). Die Biologen haben allerdings mittlerweile ihr eigenes Produkt-Marketing-Buzzword, das sie auf die Palme treibt.

Die Rede ist natürlich von „Genfrei“. Was fast so bescheuert ist, wie „Chemiefrei“. Genauso wie es selbst Pflanzen über die Photosynthese nicht schaffen, sich chemiefrei zu ernähren (brauchen sie doch immer noch Kohlenstoffdioxid und Wasser für die chemischen Abläufe) genauso wenig können wir uns Genfrei ernähren. Steckt die, von der Öko-Müsli-Sandalenträger-Fraktion verteufelte, DNA als Träger der Gene doch in fast jedem Lebensmittel bzw. in fast jedem Produzenten von den Lebensmitteln, die wir täglich zu uns nehmen. Getreide-Produkte, Obst, Gemüse, tierische Produkte wie Fleisch oder auch alle Milchprodukte (bei denen man dann gleich noch Bakterien mit zu sich nimmt, EHEC-Panik ahoi!), so ziemlich alle enthalten noch Teile der DNA, aus denen sie produziert wurden. Würde man all diese Dinge von dem Speiseplan streichen, dann blieben nicht Brot & Wasser, sondern vor allem Wasser.

Ein hübsches Experiment um die allgegenwärtigen Gene zu verdeutlichen, ist es, die DNA einfach einmal aus Lebensmitteln herauszulösen. Und dafür benötigt man auch kein riesiges Labor mit teuren Chemikalien. Sondern einfach nur eine handelsübliche Küche, in der man meistens auch schon alle dafür nötigen Dinge vorrätig hat. Denn neben Küchenwaage, Herd und Eisfach benötigt ihr nur Salz, Spülmittel und hochprozentigen Alkohol. 80 prozentiger Strohrum sollte zum Beispiel funktionieren, dann kann man danach sogar den Rest noch trinken, genauso wie Brennspiritus hervorragend funktioniert (hier sollte man den Rest aber lieber nicht trinken, das führt sonst nur zum Erbrechen).

Als erstes stellt man sich jetzt den Alkohol kalt, am besten ins Einsfach (nein, nicht damit ihr nach erfolgreicher Arbeit schneller ans trinken kommt). Danach stellt man eine konzentrierte Salz-Spülmittelmischung her: Vermischt 6 Gramm Salz mit gut 10 ml Spülmittel und füllt das ganze auf 100 ml mit Wasser auf. In diese Mischung könnt ihr nun eure schon kleingeschnittenen Versuchsnahrungsmittel geben. Als Schulversuch macht man so etwas gerne mit Obst und Gemüse, aber eurer Kreativität sind dabei eigentlich keine Grenzen gesetzt. Wenn es euch nicht zu sehr das Herz bluten lässt, dann kann man es auch mit dem frischen Stück Fleisch probieren. Nach 5 Minuten Einwirkzeit könnt ihr das Ganze auch noch kurz mit dem Stabmixer bearbeiten und dann für 15 Minuten bei 60 Grad Celsius im Wasserbad schwimmen lassen. Falls ihr so einen Wärmer für Babynahrung habt, ist so ein Ding ideal dafür, sonst tut es auch die Herdplatte auf kleiner Flamme, oder je nach Wassertemperatur auch das gut gefüllte Spülbecken.

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In diesem Schritt macht man sich ganz einfach zu nutze, dass sich im Spülmittel Tenside befinden, die zur Fettlösung gebraucht werden. Damit bekommt man nicht nur das Geschirr wieder sauber, sondern kann auch die Zellen, deren Membranen auch aus Fetten bestehen, öffnen, um so an die DNA zu kommen. Und je kleiner man das ganze vorher geschnippelt hat, desto mehr Angriffsoberfläche bietet man auch dem Spülmittel (aber seid vorsichtig mit dem Stabmixer, sonst macht ihr auch die DNA zu Matsche). Falls ihr die Reinheit eurer DNA erhöhen wollt, dann könnt ihr auch schauen, dass ihr Waschmittel bekommt, in denen auch Proteasen zugesetzt sind. Das sind Enzyme, die auch die Proteine zerstören, die in der Mischung vorhanden sind.

Nachdem ihr das Ganze habt köcheln lassen, kommt die ganze Mischung in den Kühlschrank, damit sie abkühlen kann. Sobald sie nicht mehr zu heiss ist, könnt ihr gesamte Brühe filtern. Dazu kann man am einfachsten den hoffentlich heimischen Kaffeefilter verwenden. Falls ihr Teetrinker seid, dann dürften diese Filter aber genauso funktionieren. Passt aber auf, dass ihr nicht zu ungeduldig seid, und auf dem Filter rumdrückt, damit es schneller durchläuft. Denn sonst reisst der Filter, und ihr könnt von vorne anfangen. Ich spreche da aus Erfahrung.

Jetzt könnt ihr den Alkohol auch wieder aus dem Gefrierfach holen, falls es kein Brennspiritus ist auch einen Schluck trinken, und die gefilterte Nahrungsmittel-Salz-Spülmittelmischung 1:1 mit dem Alkohol vermischen. Falls ihr nicht zu viel Schnaps verschenken wollt: 5 ml pro Zutat reichen gut aus, damit man trotzdem noch Ergebnisse sehen kann. Und dann heisst es Geduld haben, denn es kann etwas dauern, bis die DNA jetzt sichtbar wird. Die meisten Protokolle schlagen so 15-20 Minuten Zeit für das Ausfällen vor, wenn der Alkohol aus dem Gefrierfach kommt, und ihr die DNA-Alkohol-Salz-Mischung auch wieder im Kühlschrank oder Gefrierfach lagert, dann kann es aber auch schneller gehen. Was dann passiert ist, dass man die DNA aus der Lösung aussalzt. In der Lösung kann sich die DNA nur halten, wenn sie von einer Wasserhülle umgeben ist. Durch die Zugabe von Salz und Alkohol kann man diese Wasserhülle um die DNA allerdings aus dem Gleichgewicht bringen, und die DNA fällt aus der Lösung aus, und sammelt sich so am Boden eures Glasgefässes.

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Und wenn alles geklappt hat, dann solltet ihr nach einiger Zeit die DNA in eurem Versuchsbehälter auch mit bloßem Auge sehen können. In dem Glas oben ist das der weisse Schmier, der sich am unteren Glasboden abzeichnet. Mit einem Zahnstocher aus Holz könnt ihr den DNA-Schmier dann sogar auf den Zahnstocher aufwickeln, und mal schauen, wie viel DNA ihr aus eurem Nahrungsmittel gewinnen konntet.

Das Protokoll könnt ihr in Kurzform auch noch mal von der Universität des Saarlandes bekommen. Falls ihr also euren Freunden mal DNA so ganz in echt, zur Angstbewältigung zeigen wollt. Oder euch auf der nächsten Cocktail-Party bei Hochprozentigem und Früchten langweilig sein sollte (oder ihr einfach nur mit coolen Tricks angeben wollt): Das ist euer Versuch!


Veröffentlicht von

Bastian hat seinen Bachelor in Biologie in nur 8 statt 6 Semestern abgeschlossen. Nach einem kurzen Informatik-Studiums-Intermezzo an der TU Dortmund hat es ihn eigentlich nur für ein Stipendium nach Frankfurt am Main verschlagen. Dort gestrandet studiert er dort nun im Master-Programm Ökologie und Evolution. Zumindest wenn er nicht gerade in die Lebensweise der Hessen eingeführt wird. Neben seinen Studiengebieten bloggt er über die Themen, die gerade in Paperform hochgespült werden und spannend klingen.

3 Kommentare

  1. Super Blogeintrag 🙂
    Wir haben dieses Experiment mit Tomaten in der Schule durchgeführt und es ist schön, das ganze mal wieder aufgefrischt zu haben.

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