Date-Rape – Mit welchem Trick Motten ihre Weibchen rumkriegen

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Sexuelle Selektion im Tierreich ist ein spannendes Feld und das bekannteste Beispiel, was schon Darwin ins Feld geführt hat, dürfte das Rad der männlichen Pfaue sein. Denn die Dinger erfüllen nur einen einzigen Zweck: Die Weibchen davon zu überzeugen, dass man sich ganz hervorragend dafür eignet Nachwuchs zu produzieren. Und auch unter den Singvögeln finden sich natürlich Beispiele, bei denen der Gesang dazu genutzt wird um die weiblichen Artgenossen von den eigenen Vorzügen zu überzeugen. Damit die entsprechenden Mechanismen funktionieren muss allerdings sichergestellt werden, dass diese sexuelle Kommunikation nicht nur ausgesendet, sondern auch empfangen werden kann. Denn das schönste Federrad bringt nichts, wenn Frau Pfau blind ist. Eine Theorie, das Receiver Bias Model, zur Evolution dieser Form von sexueller Kommunikation ist, dass dabei eine bereits vorhandene Sensorik der Weibchen ausgenutzt wird.

Spodoptera litura

In Matts Blog bin ich über 2 Paper gestolpert die sich mit genau dieser Form von sexueller Kommunikation in Motten beschäftigen. In vielen Mottenarten kommt es vor, dass die Männchen über Ultraschall Signale an die Weibchen aussenden um sie zur Paarung zu überreden. Nach dem Receiver Bias Model könnte diese Fähigkeit daher rühren, dass die natürlichen Fressfeinde der Motten, Fledermäuse, zur Orientierung ihr Sonar im Ultraschallbereich nutzen. Es gibt also einen Selektionsdruck für Motten, der dazu führt, dass Motten Ultraschall wahrnehmen können, um ihren Fressfeinden zu entkommen. Wenn diese Sensorik erst einmal vorhanden ist, dann könnten die Motten-Männchen diese Sensorik dazu nutzen, um Weibchen zu beeindrucken.

In 2 Papern, die von einem Team um Ryo Nakano geschrieben wurden, hat man sich diese Theorie jetzt genauer angeschaut. Zum einen haben sie dabei die Mottenart Ostrinia furnacalis beobachtet. Man weiss, dass die Männchen dieser Art bei der Paarung Signale im Ultraschallbereich, knapp über der Hörgrenze der Art, aussenden. Bislang war dabei aber noch nicht so richtig klar, wofür diese Signale benutzt werden, denn die Weibchen akzeptieren zur Paarung auch stumme Männchen. In einem Versuch haben sie daher 3 verschiedene Kombinationen von Motten getestet: Sendende Männchen mit hörenden Weibchen, künstlich stumm gemachte Männchen mit hörenden Weibchen und sendende Männchen mit künstlich tauben Weibchen. Dazu haben sie die Männchen und Weibchen zur OP betäubt und entweder das Trommelfell der Weibchen durchstochen, oder die Schuppen der Männchen, die für die Geräuschproduktion zuständig sind, entfernt (Gratulation zu der Arbeit, ich kann mir vorstellen, dass es bei der Größe der Tierchen nicht gerade einfach ist).

Bei den gesunden Paaren schafften es fast alle Männchen zur Paarung zu kommen, auch wenn den meisten es nicht im ersten Anlauf gelang. Bei der Kombination stummes Männchen/hörendes Weibchen änderte sich die Anzahl der nötigen Versuche nicht signifikant, allerdings kamen hier nur noch 62 % der Männchen überhaupt zur Paarung. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den tauben Weibchen. Jene Weibchen, die den Signalen der Männchen ausgesetzt sind fliehen also weniger häufig vor den Paarungsversuchen der Männchen. In der Grafik sieht man sowohl die Anzahl der nötigen Versuche als auch die Verhältnisse von akzeptierter Paarung zu abgelehnter Paarung für die drei Gruppen aufgetragen.

Darüber hinaus wurde auch für die nötige Lautstärke getestet: Taubstumme Männchen wurden mit hörenden Weibchen zusammengebracht. Den Weibchen wurde dann aus einem Lautsprecher vorher aufgezeichnete Paarungslaute, in verschiedener Lautstärke, vorgespielt. Wenig überraschend gibt es keinen Unterschied zwischen “gar keine Geräusche” und “Geräusche unterhalb der Hörgrenze”. Allerdings gibt es dann ab einer Gewissen Lautstärke auch keinen Unterschied mehr. Von einem evolutionären Standpunkt aus scheint es mir da auch logisch, dass die Männchen sich auf eine möglichst geringe Lautstärke spezialisiert haben, immerhin dürfte es Energie verbrauchen, wenn man besonders laut sein will. Gleichzeitig fällt dadurch aber auch eine andere Erklärung für das Verhalten der Weibchen aus: Die Theorie, dass Weibchen lautere Männchen bevorzugen, weil diese größer und kräftiger sind. Denn den Weibchen ist es ab einer gewissen Lautstärke einfach egal, wie laut das Männchen noch Geräusche produzieren könnte.

Stattdessen haben Nakano und sein Team eine andere Erklärung vorgeschlagen: Während man Frauen empfiehlt ihre potentiellen Partner zu erschrecken um bei ihnen zu landen, könnten die Motten es genau andersherum versuchen. Die Motten-Männchen produzieren einfach Geräusche in der Art wie sie die Fledermäuse auch einsetzen um die Weibchen zu paralysieren. Denn wenn man hört, dass sich Fledermäuse im Anflug befinden, dann kann es für Motten eine geschickter Zug sein sich einfach tot zu stellen. Um so von dem Sonar der Fledermäuse zu verschwinden und nicht gefressen zu werden. Motten-Männchen könnten ähnliche Geräusche also einsetzen um dafür zu sorgen, dass die Weibchen aus Angst einfach sitzenbleiben und sich so einfacher begatten lassen.

Diese Möglichkeit hat das Team dann an einer anderen Motten-Art, Spodoptera litura, getestet. Hier wurden taubstumme Männchen zusammen mit hörenden Weibchen zusammengebracht und es wurde nicht nur die Signale der Männchen aus einem Lautsprecher vorgespielt sondern versuchsweise auch die Geräusche, die von Fledermäusen stammen. Und dabei zeigte sich nicht nur, dass die Weibchen in beiden Fällen gleich reagieren (nämlich mit einfachem stillhalten) sondern auch, dass der Paarungserfolg für die Männchen bei den Fledermaus-Geräuschen genauso hoch ist wie bei dem eigenen Gesang. Damit kann man relativ sicher davon ausgehen, dass die Weibchen die verschiedenen Geräusche nicht wirklich auseinanderhalten können.

061111 台北 景美 仙跡岩 斜紋夜蛾 Spodoptera litura (Fabricius, 1775) Female

Gleichzeitig hat man damit einen ziemlich guten Hinweis, dass das Receiver Bias Model für diese Art stimmt. Die Männchen nutzen hier eine Sensorik aus, die evolutionär dazu angelegt wurde um Fressfeinde zu vermeiden und tricksen die Weibchen so einfach aus. Damit scheint diese Art der sexuellen Kommunikation evolutionär noch in den Kinderschuhen zu stecken, denn hier haben die Weibchen noch nicht die Möglichkeit der aktiven Selektion, während Männchen die entsprechende Tricks entwickelt haben einen klaren Vorteil haben, da sie öfter zur Paarung kommen. Spannend wäre es also zu schauen in wie weit sich bei den Weibchen anderer, vergleichbarer Mottenarten entsprechende Mechanismen entwickelt haben, die den Weibchen erlauben die Laute zu unterscheiden und ob sie so zu einer aktiven Wahl befähigt werden. Genauso spannend dürfte sein in wie weit die Emission der Laute den Männchen sogar einen doppelten Selektionsvorteil erlauben.

Ich weiss nicht wie dicht gedrängt diese Mottenarten leben, aber wenn die Männchen ihre eigenen Laute ebenfalls nicht von den Lauten der Fledermäuse unterscheiden können, dann müsste es doch eigentlich dazu führen, dass ein Motten-Männchen mit seinem Paarungsruf andere Motten-Männchen ebenfalls in die Schreckstarre verfallen lässt? Damit könnten die Männchen sich die Konkurrenz unter Umständen vom Leib halten. Allerdings kann es auch hier sein, dass andere Faktoren als Selektionsdruck dagegen wirken: Ein andauerndes Rufen könnte nicht nur Energie verbrauchen, sondern vielleicht auch Fressfeinde anlocken?

Grafik: Aus der Publikation
Fotos: Donald Hobern, CC-BY und Shipher Wu, CC-BY-SA-NC

Nakano, R., Takanashi, T., Skals, N., Surlykke, A., & Ishikawa, Y. (2010). To females of a noctuid moth, male courtship songs are nothing more than bat echolocation calls Biology Letters, 6 (5), 582-584 DOI: 10.1098/rsbl.2010.0058

NAKANO, R., TAKANASHI, T., SKALS, N., SURLYKKE, A., & ISHIKAWA, Y. (2010). Ultrasonic courtship songs of male Asian corn borer moths assist copulation attempts by making the females motionless Physiological Entomology, 35 (1), 76-81 DOI: 10.1111/j.1365-3032.2009.00712.x
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Veröffentlicht von

Bastian hat seinen Bachelor in Biologie in nur 8 statt 6 Semestern abgeschlossen. Nach einem kurzen Informatik-Studiums-Intermezzo an der TU Dortmund hat es ihn eigentlich nur für ein Stipendium nach Frankfurt am Main verschlagen. Dort gestrandet studiert er dort nun im Master-Programm Ökologie und Evolution. Zumindest wenn er nicht gerade in die Lebensweise der Hessen eingeführt wird. Neben seinen Studiengebieten bloggt er über die Themen, die gerade in Paperform hochgespült werden und spannend klingen.

4 Kommentare

  1. Immer wieder faszinierend was durch die Evolution so alles entstanden ist.
    Dass die Männchen die Weibchen tatsächlich paralysieren hat mich doch am Ende ziemlich überrascht.

  2. Paarung und Jagd

    Ein sehr interessanter Artikel! Ich frage mich auch ob der Paarungsruf der Männchen Fledermäuse eher anlockt nach dem Motto hier gibt’s was zu fressen (was ich für sehr wahrscheinlich halte) oder eher fernhält weil die Fledermaus denkt, da sind schon so viele andere Artgenossen ich suche mir woanders was. Ich sehe auch die Gefahr, dass Männchen und Weibchen bei der Paarung von der Fledermaus gefressen werden.

  3. @Largos: Ja, das ist ein ziemlich schönes Beispiel dafür, wie Evolution auf bereits Vorhandenem aufsetzt und durch neue Einsatzzwecke anreichert.

    @Joe: Naja, im Endeffekt scheinen die Rufe ja schon einen Fitness-Vorteil zu bringen, ich kann mir nicht vorstellen wie so eine Verhaltensweise zu Stande kommen sollte, wenn die Tiere ausgerechnet jedes mal bei der Paarung von Fledermäusen verspeist wurden.

    Da brauch man nicht groß die Statistik bemühen um zu merken, dass das nicht sonderlich clever sein kann 😉

    In einem der Paper wird auch argumentiert, dass andere Mottenarten die Ultraschallrufe selbst nutzen um sich die Fledermäuse vom Hals zu halten. Anstatt sie anzulocken “jammen” sie damit einfach das Fledermaus-Sonar, so das die sich nicht mehr richtig orientieren können.

  4. Frauen mit Ultraschall rumkriegen?

    Wahnsinn, Frauen mit Ultraschall rumkriegen ist ne feine Sache, das wäre ja so als wenn meine Frau auf ne Hundepfeife hört 🙂 Leider tut sies nicht, alles schon probiert!

    Aber Spaß bei Seite, ich bin immer wieder überrascht davon was die Natur alles zustande bekommt!

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