Über Rassismus in Australien

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Ich lebe jetzt seit fast 6 Monaten in Australien. Ich habe keinen einzigen deutschsprachigen Freund, die Menschen mit denen ich Zeit verbringe sind zu 90% Australier, der Rest meine Programmier-Schüler aus Saudi-Arabien. Meine australischen Freunde sind größtenteils Elektriker und Bauarbeiter (weiß auch nicht, wie ich als Biologe/Informatiker das geschafft hab…). Mit Rassismus in den Köpfen hab ich oft zu tun, wenn der eine oder andere Bekannte ein bisschen mehr getrunken hat kommen die Meinungen raus: Am besten alle Ausländer raus, zuerst Muslime.

Ich diskutier dann gerne mit den Männern, als Weißer mit leichtem Akzent werd ich trotz “Ausländer raus”-Mentalität sofort akzeptiert, besonders nachdem ich bewiesen hab das ich “am Glas” was kann. Männlichkeitsrituale sind einfach gestrickt! Jedoch verliere ich meistens die Diskussionen, sei es weil die Gegenseite stärker vertreten ist, oder oft wird einfach abgebrochen, weil nichts voran kommt. Aus solchen Begegnungen und Diskussionen habe ich gelernt, wie weit verbreitet Rassismus in Australien ist. Ereignisse wie z.B. die Cronulla Riots unterstützen mich in meiner Ansicht.

Die negative Einstellung scheint m.E. besonders gegenüber Muslimen vorhanden zu sein, wahrscheinlich aufgrund der sehr jungen Geschichte Australiens:Anscheinend waren Muslime seit Beginn der Nation Außenseitergruppen, zusammen mit chinesischen Einwanderern und insbesondere Aborigines. Auf Rassismus gegenüber Aborigines möchte ich hier nicht eingehen – das Problem ist wesentlich spezieller als der generelle Rassismus, und persönlich habe ich noch keine Erfahrungen damit gemacht.

no lebs Cronulla Riots

Ein Schnappschuss von den Cronulla Riots, “No Lebs” bedeutet “Keine Libanesen”. Quelle: Wikipedia.

Auch die Wissenschaft hat sich mit dem Problem beschäftigt: Exemplarisch stelle ich hier eine Studie vor, mit dem Titel “Racism in Australia: findings of a survey on racist attitudes and experiences of racism” von Kevin Dunn aus dem Jahre 2003. Darin geht es um die Auswertung einer Telefonumfrage in den beiden meistbewohnten Bundesstaaten New South Wales und Queensland, bei der um die 5000 Menschen befragt wurden. Vorab: Telefonumfragen werden zu Recht kritisiert, sie sind nie wirklich repräsentativ; wer hat schon Zeit und Lust da mitzumachen?

Von den Teilnehmern meinten 635, Muslime würden nicht in die australische Gesellschaft passen, 641 erwähnten Menschen aus dem mittleren Osten. Ob sich die beiden Gruppen überschneiden kann ich aus der Veröffentlichung nicht auslesen. 746 Menschen waren der Meinung, Asiaten würden nicht passen. Das sind immerhin mehr als 10% der Befragten!

54% der Befragten hätten Probleme, wenn ein Verwandter einen Muslim oder eine Muslimin heiratet, hier waren Frauen stärker vertreten, was wahrscheinlich an bescheuert übertriebenen Medienberichten über das Joch der Frau in der muslimischen Ehe lag. Die muslimischen Paare, mit denen ich zu tun hab, gehören zu den liebevollsten, die mir je begegnet sind.

Von den Befragten gab mehr als die Hälfte (52.9%) an, dass Rassismus in Australien existiere, und 31.2% waren der Meinung, dass “British Australians” (also Weiße, die seit mehreren Generationen in Australien leben) eine priviligierte Position hätten. Logischerweise war der Anteil, der von Rassismus wusste, unter Aborigines größer (nur 4.8% gaben an, es gäbe keinen Rassismus). 9.4% der Befragten gaben an, Vorurteile gegenüber anderen Bevölkerungsgruppen zu haben, 2.6% meinten, sie hätten überhaupt keine (bewussten!) Vorurteile.

Interessanterweise konnten in der Studie kein Zusammenhang zwischen Ort und Rassismus festgestellt werden – man könnte ja auf die Idee kommen, Menschen die im Busch leben und deswegen kaum Kontakt zu Ausländern haben würden eher Vorurteile entwickeln. Im Gegenteil: die rassistischsten (was ein Wort) Einstellungen kamen aus Sydney und Brisbane, beides Metropolen! Hier fehlen lokale Kampagnen, um die Menschen über Rassismus aufzuklären und ihre Einstellungen zu ändern.

Ich finde die Daten erschreckend, allerdings decken sie sich mit meinen persönlichen Erfahrungen. Ich denke nicht dass sich seit Erscheinen der Studie irgendetwas an der Situation geändert hat. Als Biologe bin ich der schlechtest-mögliche Rassist, hab ich doch täglich mit Genetik zu tun. Das Konzept von “Rassen” hat absolut keine Grundlage, und bei Befragungen konnte ich aus keinem eine Definition von “Rasse” rauskitzeln. Eine sexuelle Inkompabilität zwischen z.B. Chinesen und Indern ist nicht vorhanden, und nach genug Generationen ist die Grenze zwischen beiden sowieso Populationen verwischt.

Durch den Anstieg der Internationalisierung, Globalisierung und generellen “Vermischung” der Lokalpopulationen (früher hieß das “Völker”) wird es meines Erachtens irgendwann keinen Rassismus mehr geben können, da die Unterschiede zwischen den Menschen verschwinden werden. Und wer auch nur einen Grund dagegen hat, soll ihn mir bitte zukommen lassen – es fällt mir keiner ein.

Kevin M. Dunn (2003). Racism in Australia: findings of a survey on racist attitudes and experiences of racism The Challenges of Immigration and Integration in the European Union and Australia

Veröffentlicht von

Philipp hat einen Bachelor in Biologie, ein Graduate Certificate in IT und studiert momentan für seinen Master in IT in einem übertrieben großen Land voller Spinnen und Schafe. Für die Bierologie schreibt er zumeist über Biologie, Evolution und allem was an den Rändern der Gebiete noch so angeschwemmt wird.

13 Kommentare

  1. Und wer auch nur einen Grund dagegen hat, soll ihn mir bitte zukommen lassen – es fällt mir keiner ein.

    Um ehrlich zu sein, ich fände den Verlust der Vielfalt schade, ähnlich wie einen Verlust der Artenvielfalt der Tier- und Pflanzenwelt, auch wenn er keine direkten negativen Auswirkungen auf die Menschen hätte. Heute gibt es Haut-, Haar-, Augenfarben in allen möglichen Schattierungen, und mir gefällt diese “bunte” Menschheit.

    Wenn man den Gedanken, dass die zunehmende Gleichheit dem Rassismus die Grundlage entzieht, zu Ende denkt, dann müssten konsequenterweise alle Menschen geschlechtslose Klone werden. Denn selbst wenn irgendwann niemand auf der Welt mehr schwarz oder weiß ist, wird es immer Unterschiede geben, aufgrund derer diskriminiert werden kann – wenn nicht die Gene, dann eben Geschlecht, Kultur, was auch immer. Mir ist die Vielfalt auch mit ihren negativen Seiten lieber als eintönige Gleichheit.

    Und, um auch ein biologisches Argument zu bringen, genetische Homogenität einer Population ist ja auch nicht wirklich von Vorteil 😉

  2. Ich glaube nicht, dass sich die Menschheit zur Geschlechtslosigkeit entwickelt – Sex ist zu wichtig für die Rekombination.
    Auch kulturell werden wir uns (hoffe ich!) nicht in einen grauen Blob verwandeln – man sieht ja heute schon, wie sich Elemente aus anderen Kulturen in unsere integrieren (vor allem beim Essen leicht zu sehen! Spaghetti oder Sushi z.B.).

    Und genetisch betrachtet – Verlust von Vielfalt kann schlecht ausgehen, aber da die Menschheit groß genug ist bleibt auch der Genpool groß genug – und trotz eventuell ähnlicher aussehenden Menschen sollten unsere zukünftigen Gene dem meisten gegenüber gewappnet sein.

  3. Rassismus begriff mal googeln

    Bis auf die falsche Darstellung des Rassismusbegriffs sehr lesenwert.
    Rassismus bezieht sich nicht auf Rassen sondern auf Gruppen und das kann man sehr leicht auf Muslime/Weiße/etc.. übertragen…

  4. @Sebastian R.: Danke für den Link, da muss ich doch glatt Klamotten wegschmeißen damit ich Platz für das T-Shirt hab 🙂

    @Klugscheißer: Stimmt, der Rassismus-Begriff ist weiter gefasst als ich dachte; lässt sich hier allerdings schwer festlegen. Ich denk im Moment mehr in Englisch, und das zitierte Paper hab ich auch aus dem Englischen, wo der Begriff racism enger definiert zu sein scheint. Interessant!

  5. Der Punkt den ich meine ist, dass die Ursache für Rassismus nicht das Vorhandensein mehr oder weniger klar abgrenzbarer ethnischer Gruppen ist – es handelt sich um eine notwendige, aber nicht um eine hinreichende Bedingung. Meines Erachtens überwiegen die mit dem Verlust dieser Vielfalt verbundenen Nachteile die Vorteile, und sie zum Überwinden des Rassismus aufzugeben hieße, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

    Auch würde das Problem damit wohl nur verlagert, denn Menschen unterteilen die Welt eben gern in die beiden Gruppen “wir” und “die anderen”, und daran würde sich nichts ändern.

  6. @Aquifex: Da geb ich dir recht, Menschen werden immer andere Menschen in Gruppen unterteilen. Gehen die morphologischen Eigenschaften verloren, wird halt nach Reichtum oder “genetischer Reinheit” (ähnlich wie beim Film GATTACA) unterteilt.

    Da kann man nur mit Aufklärung & Intelligenz gegenarbeiten.

    Ich glaube aber nicht, dass die Vielfalt freiwillig aufgegeben wird – vielmehr wird sich aufgrund der gegebenen internationalen Vermischung automatisch eine Homogenisierung einstellen.

  7. @Klugscheißer
    Den eindeutig und zu Recht negativ besetzten Begriff Rassismus auf die Ächtung bestimmter Weltanschauungen wie Islam oder Islamismus auszudehnen sehe ich ehrlich gesagt recht kritisch. Sicherlich gibt es hier bei vielen Anhängern der rechtpopulistischen, “islamkritischen” Gruppierungen Überschneidungen, doch man läuft Gefahr, dass ein wichtiger Begriff an sprachlicher Schärfe verliert.

  8. Widerspruch

    Erstmal eine Frage: Ich dachte eigentlich, dass verschiedene Arten (und nicht Rassen) sich nicht miteinander fortpflanzen können?
    Zweitens glaube ich leider nicht, dass Rassismus je verschwinden wird. Menschen neigen dazu sich zu Gruppen zu formieren mit bestimmten Ritualen. Die Muslimin wird nicht aufgrund ihres (biologisch bedingten) Aussehens als anders gesehen, sondern aufgrund ihres Kopftuches, ihrer Religion, ihrer Essgewohnheiten und anderer Rituale. Und so wird es in einer freien Gesellschaft immer viele verschiedene Gruppen geben, die auch versuchen werden sich (sichtbar) voneinander abzugrenzen und auch ihre jeweiligen Feindbilder entwickeln werden. Das können biologisch wie auch kulturell (Religion, Sprache, Ideologie, usw.) begründete sein.

  9. @Mark: Den Begriff “Rasse” gibt’s unter Biologen nicht (mehr), deswegen hab ich an den nächstgelegenen Begriff “Art” gedacht. Eventuell Rasse=Unterart? Dann gäbs auch keine sexuelle Trennung.

    Beim zweiten Punkt geb ich dir Recht, Menschen werden sich immer gegenseitig in Gruppen unterteilen.

  10. Rassismus ohne “Rassen”

    Die “Rassen” von denen ein Rassist redet, sind kein biologischer Begriff (etwa im Sinne von “Unterart”), sondern (ziemlich willkürlich) konstruiert.Die “Rasse” ist ein soziales Konzept, kein wissenschaftliches. Die Abstammung bestimmt im Weltbild des Rassisten den Platz im Leben, den ein Mensch einnimmt – endgültig und “naturgegeben”. Das bedeutet jedoch, dass der (pseudo-biologische) Rassenbegriff, im simpelsten Fall die Unterscheidung nach Hautfarbe, durch “kulturelle” Begriffe ersetzt werden kann, ohne das sich an den Denkweise des Rassisten etwas ändert. Der Anti-Islamische Quasi-Rassismus / Kulturalismus in Australien ist ein gutes Beispiel: einen Moslem erkannt man nicht an der Hautfarbe oder dem Gesichtsschnitt.

    Es gibt einen Rassismus ohne Rassen, etwa in der Form des “Ethnopluralismus”.

    Ein “Volk” bzw. eine “ethnisch-kulturelle Gruppe” wird von Ethnopluralisten wie ein Individuum betrachtet: als eine einzigartige, in sich selbst ruhende organische Einheit. Ein Volk gründet sich, glaubt man den Ethnopluralisten, auf einer kollektiven Identität. Rassistisch ist daran, dass sie jeden Menschen, ob er will oder nicht, untrennbar mit “seiner”, ihm “arteigenen” kulturellen Identität verknüpft. Das Sein des Menschen wird von seinen “kulturellen Genen” – diese Metapher nehmen einige “nicht-rassistische Rassisten” glatt wörtlich – bestimmt.
    Da ethnische und kulturelle Gruppenzugehörigkeiten jederzeit konstruiert werden können, ist die Vorstellung, das Ende des Rassenbegriffs oder auch das Ende am Aussehen erkennbaren Populationszugehörigkeiten,
    wäre das Ende des Rassismus (auch dessen in der engeren englischen Definition, die die Kulturassismus außen vor lässt), ist meines Erachtens naiv.

  11. @Martin Marheinecke: Danke für die genauere Definition des Begriffes.

    Vor diesem Hintergrund ist ein Ende des Rassismus sehr unwahrscheinlich, wenn sich die Morphologie ändert wird halt woanders weiter gehasst. Da gab ich dir recht – aber ich bin jung und darf noch träumen 🙂

  12. Rassismus

    Hallo, komme gerade aus Western Australien und kann das nur bestätigen!Nette,vordergründig unverdächtige Personen schockten mich mit ihren rassistischen Kommentaren, wenn die Sprache auf Aboriginies oder Ausländer kam!Als Deutsche bin ich da besonders hellhörig!

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