Wissenschaft und Spiritualität – von Unterschieden und Gemeinsamkeiten

Geht es um tieferes Wissen oder bedeutungsvolle Erkenntnisse, eine erfolgreiche Lebensgestaltung oder gar Weisheit, haben die Naturwissenschaften in der öffentlichen Wahrnehmung heute einen eher schweren Stand. Wer nach Lebensfreude, Gelehrtheit und Einsicht in das Geheimnisvolle der Welt sucht, wird eher in Büchern über östliche Weisheiten stöbern, als sich ein Lehrbuch der Physik oder Biologie zu Gemüte zu führen. Viele lesen dann lieber „Das Tao der Physik“ als „Die Physik“, lieber über quantenphilosophische begründete Spiritualität oder Quantenheilung als über die Aussagen der Quantenphysik selbst. So applaudieren viele Menschen (und das durchaus mit gutem Recht), wenn buddhistische Lehrer formulieren, dass das Ziel eines spirituellen Lebens sei, Leiden zu vermindern, Freude zu finden und die Natur unseres Geistes zu erfassen. Zugleich führt aber die Bemerkung, dass sich die Wissenschaft seit ihrer Begründung genau diese Dinge ebenfalls zum Ziel gemacht hat (und dabei je nach Betrachtungsweise Bedeutenderes erreicht hat), bei den meisten Zeitgenossen bestenfalls zu einem müden Schulterzucken, zumeist jedoch zu heftigem Widerspruch bis hin zur Anschuldigung der Ignoranz in Anbetracht all der globalen Probleme, die doch die Wissenschaft verursacht hat. Oder er oder sie wird gar als ‚schnöder Materialist‘ bezeichnet, der nun auch die Sphäre höchster geistiger Erkenntnisse der Kälte wissenschaftlicher Rationalität aussetzen will.

Tatsächlich hat die Wissenschaft das menschliche Leiden wohl stärker vermindert als kaum eine andere Geistestradition zuvor – auch wenn viele Menschen erst der unerträglichen Schmerzen einer Zahnwurzelinfektion mit der gleichzeitigen Vorstellung, sie lebten in einem Kloster des 13. Jahrhunderts, bedürfen. um dies gänzlich zu erfassen. Stellen wir uns doch nur einmal vor, ein Zeitreisender aus dem Jahr 1916 träfe in unserer heutigen Zeit ein. Er sähe Düsenflugzeuge, Hochgeschwindigkeitszüge, sophistizierte globale Verkehrssysteme, Fernseher, Computer, Mobiltelefon, Transistorradio und andere elektronische Massenkonsumgüter, Kunststoffe, Atomenergie, Laser, das Internet, synthetische Stickstoff-Dünger, Antibiotika, Organtransplantationen, bildgebende Verfahren in der Medizin, Gentechnologie und vieles mehr, was heute längst zum Alltag gehört und unsere modernen Lebensbedingungen bestimmt. Der Zeitreisende hingegen sähe in all diesen Dingen Wunder und Zauberei am Werk.

Zugleich ist die Freude an der Erfassung des Geheimnisvollen und dem Wissen über die Gründe des Weltdaseins wohl kaum irgendwo anders so gross wie in der Naturwissenschaft. Auf zutiefst beglückende Art und Weise befriedigt sie unsere nur allzu menschliche Neugier. Wissenschaftliche Erkenntnisse erlauben uns tiefe (wenn auch nicht endgültige) Einsichten in die Natur der Dinge oder die unseres Geistes und nicht zuletzt in die tiefste aller Fragen, welche der englische Naturalist Henry Huxley bereits 1863 wie folgt formulierte: „Die Frage aller Fragen – das Problem, welches allen übrigen zugrunde liegt und welches tiefer interessiert als irgend ein anderes, ist die Bestimmung der Stellung, welche der Mensch in der Natur einnimmt, und seiner Beziehung zur der Gesamtheit aller Dinge.“

Dennoch scheinen sich Wissenschaft und Spiritualität heute als Gegenpole unversöhnlich gegenüber zu stehen. Die Auflösung traditioneller Denk-, Lebens- und Glaubensformen führt zu einer zunehmenden Verunsicherung und Orientierungslosigkeit in einer modernen Gesellschaft, welche einerseits den Individualismus predigt, andererseits ohne das Gemeinschaftliche ihren Halt verliert. Und durch zunehmende und sich in den nächsten Jahren wohl noch weiter verstärkende Digitalisierung, Nano- und Quantentechnologisierung, Neurologisierung, Biologisierung und anderen ‚-sierungen‘ mitsamt ihren technologischen Möglichkeiten erleben wir einen historischen Umbruch, der unser Menschenbild, sowie unser Sinn- und Daseinsverständnis massiv verändern könnte. Dies betrifft natürlich auch unser spirituelles Selbstverständnis. Zugleich öffnet die moderne Wissenschaft neue Problemfelder. Spätestens mit der Atombombe verlor die Physik ihre ethische Unschuld, was der Chemie mit der Entwicklung von Giftgaswaffen bereits dreissig Jahre zuvor im Ersten Weltkrieg widerfahren war. Und geht es um Fragen der Genmanipulation, Stammzellenforschung, künstlichen Intelligenz oder der Herstellung synthetischen Lebens, sehen heute auch viele nicht-religiöse Menschen in der modernen Biologie und Informationswissenschaften moderne Varianten des Goethe’schen Zauberlehrlings am Werk. So nehmen wir die Herausforderungen unserer modernen Welt immer mehr als Krisen wahr und fragen desperat nach kohärenten globalen ethischen Reaktionen auf Dinge wie Umweltzerstörung, Klimaveränderung, Überbevölkerung, Nahrungsengpässe, Wirtschaftskrisen und nukleare Bedrohung, allesamt Probleme, die kaum ausschließlich in einem wissenschaftlichem Diskursrahmen behandelt werden können, sondern größerer, auch spiritueller Bezüge bedürfen.

In einem gerade erschienen Buch (Lars Jaeger, Wissenschaft und Spiritualität, Universum, Leben, Geist – Zwei Wege zu den großen Geheimnissen, Springer-Spektrum Verlag, 2017) beleuchte ich verschiedene Dimensionen des Verhältnisses von Wissenschaft und Spiritualität. Ich will sie absichtlich verkürzt mit „Sinn“, „Geschichte“ und „Gestaltung“ bezeichnen. Die Sinn-Dimension bezieht sich auf die großen existentiellen Fragen unseres Lebens, die Geheimnisse, zu denen es sowohl spirituelle als auch wissenschaftliche Zugänge gibt. Dabei zeigt sich dem Betrachter schnell, dass die Beziehung von wissenschaftlichem und spirituellem Denken viele gemeinsame geschichtliche Bezugsfelder besitzt, was dazu führt, dass ein historisches Erfassen dieses Verhältnisses einen geradezu natürlichen und verständlichen Zugang darstellt. Die Bedeutung spiritueller Dimensionen in unserer mehr und mehr durch Wissenschaften geprägten Welt führt uns, so ist zu hoffen, zu einem modernen Spiritualitätsverständnisses, das „nicht klebrig oder kitschig ist und bei der man seine Würde als kritisches, vernünftiges Subjekt nicht verliert“ (Thomas Metzinger). Dieses soll uns zuletzt auch zu einigen wertvollen Schlussfolgerungen bzgl. eines möglichen Gestaltungsrahmens für zukünftige Technologien  kommen lassen.

Eine These des Buches ist, dass mit der weiteren zukünftigen wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen Spiritualität gerade in ethischer Hinsicht grosse Bedeutung zukommen wird, wenn wir uns als gesellschaftliches Kollektiv an den mit diesen Entwicklungen verbundenen geistigen und intellektuellen Herausforderungen nicht scheitern sehen wollen. Deshalb erwarten nicht wenige Menschen, dass bei der Beantwortung wichtiger Zukunftsfragen und der Diskussion um die Gestaltung kommender Technologien spirituelles Denken eine bedeutende Rolle spielen muss, im Sinne einer Verantwortung für intellektuelle und ethische Integrität.

Denn die Anfänge eines historischen Umbruchs, im Verlaufe dessen wir nicht nur neue mächtige und atemberaubende Technologien erleben werden, sondern auch den Menschen selbst, seine Biologie, seine Identität und sein Bewusstsein grundlegend verändern könnten, geben sich schon heute zu erkennen. In Anbetracht dessen wird es vermutlich bereits in nicht allzu ferner Zukunft einen Moment geben, in dem sich die Spielregeln des menschlichen Lebens und Zusammenlebens fundamental verändern könnten. Sind wir darauf vorbereitet?

Bei der Diskussion um die Wechselwirkung von Wissenschaft und Spiritualität muss es darum gehen, die Bedeutung beider sowie ihrer Gegenseitigkeit für den Nutzen unseres menschlichen Daseins zu erfassen und mit ihrer Hilfe die Wesenszüge eines humanen und ethisch kohärenten Weltbildes aufzuzeigen. Dabei geht es um zweierlei, spirituelle Motivation (innere Klarheit in der ethischen Ausrichtung und Streben nach Wahrheit) und rationales (wissenschaftliches) Denken. Entgegen weitläufiger Vorstellungen, die Spiritualität mit Obskurantismus in Verbindung bringen, befähigt uns eine Spiritualität wie hier beschrieben zu einer besseren Rationalität und Redlichkeit in unserem Denken und Handeln. Sie wird zu etwas wie einem inneren Kompass, der unserem Geist eine innere Ordnung und Orientierung verleiht, die uns zu einer Autonomie führen, mit der wir uns auf das Essentielle fokussieren können. In der ethischen Erfassung wissenschaftlichen Schaffens und spirituellen Denkens begegnen wir, wie wir es auch immer wenden, einer ihnen beiden gemeinsamen Dimensionen, die für unsere Zukunft von enormer Bedeutung sind. Denn noch einmal: Die zukünftigen technologischen Fortschritt könnten den Menschen und die menschliche Zivilisation in heute noch unvorstellbarer Weise transformieren. Welches sind auf diesem Weg mögliche Leitposten für uns? Auf sie könnte es ankommen.

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www.larsjaeger.ch

Jahrgang 1969 habe ich in den 1990er Jahren Physik und Philosophie an der Universität Bonn und der École Polytechnique in Paris studiert, bevor ich am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme in Dresden im Bereich theoretischer Physik promoviert und dort auch im Rahmen von Post-Doc-Studien weiter auf dem Gebiet der nichtlinearen Dynamik geforscht habe. Vorher hatte ich auch auf dem Gebiet der Quantenfeldtheorien und Teilchenphysik gearbeitet. Unterdessen lebe ich seit nahezu 20 Jahren in der Schweiz. Seit zahlreichen Jahren beschäftigte ich mich mit Grenzfragen der modernen (sowie historischen) Wissenschaften. In meinen Büchern, Blogs und Artikeln konzentriere ich mich auf die Themen Naturwissenschaft, Philosophie und Spiritualität, insbesondere auf die Geschichte der Naturwissenschaft, ihrem Verhältnis zu spirituellen Traditionen und ihrem Einfluss auf die moderne Gesellschaft. In der Vergangenheit habe ich zudem zu Investment-Themen (Alternative Investments) geschrieben. Meine beiden Bücher „Naturwissenschaft: Eine Biographie“ und „Wissenschaft und Spiritualität“ erschienen im Springer Spektrum Verlag 2015 und 2016. Meinen Blog führe ich seit 2014 auch unter www.larsjaeger.ch.

23 Kommentare

  1. Die Bereitschaft und der Wille Technologien für sein Leben und Überleben zu erlernen und zu entwickeln macht den Menschen überhaupt erst zum Menschen.

    Technologien gibt es auch bereits vor und gibt es auch ohne Wissenschaft. Die Beherrschung des Feuers, das Handwerk des Hütten- und Hausbaus, die Entwicklung und stetige Verfeinerung von Waffen für die Jagd und den Krieg – damit hat das Menschsein überhaupt erst begonnen. Und all dies sind Technologien.

    Wenn wir heute vom Zeitalter der Wissenschaft und Technologie sprechen, dann meinen wir damit nicht, dass vor kurzem (vor einigen hundert Jahren) Technologie und Wissenschaft entdeckt wurden, sondern vielmehr, dass nun die (Natur-)Wissenschaften und die darauf basierenden Technologien die Basis von fast allem sind, was unser Leben heute ausmacht.

    Doch viele, ja die meisten Menschen, haben diese Wende vom Zeitalter der einfachen, selbst gebauten Technologien zum Zeitalter der von einer Kaste von Wissenschaftlern und Technikern, von Experten, beherrschten Welt, innerlich noch nicht vollzogen oder sie schotten sich sogar gegen die damit verbundene Erkenntnis ab. Denn diese Erkenntnis beinhaltet auch paradoxe Tatsachen. So hat uns zunehmendes Wissen, zunehmender Wohlstand und die politische und soziale Emanzipierung vom Althergebrachten Individualismus und den Zerfall aller nicht auf Wissen beruhenden Autoritäten gebracht. Aber zugleich zeigt diese Erkenntnis auch die Fragilität des Individuums in der heutigen Gesellschaft auf. Denn nicht das Individuum schafft die Welt in der es lebt sondern die Industrie- und Wissensgesellschaft mit ihrer extremen Arbeitsteilung.
    Viele Individuen sperren sich innerlich gegen diese Abhängigkeit ihrer Existenz von einer weit fortgeschrittenen, in Ihrer Gesamtheit kaum noch verstandenen technisch/wissenschaftlichen Zivilisation. Dabei gibt es kein Zurück mehr, denn ein Zurück würde Milliarden von Menschen die Lebensgrundlagen entziehen. Ohne die Explosion an Wissen und darauf basierenden Technologien wäre nämlich die Tragkraft unseres Planeten bereits erschöpft. Ja, Technologie und Wissenschaft mag sehr viel Probleme unserer Zeit erst geschaffen haben. Doch ohne sie gäbe es unsere Gesellschaft in dieser Form gar nicht. Und noch viel dramatischer: Ohne Fortschritte in Wissenschaft und Technologie wäre sogar die Zukunft der Menschheit in Gefahr. Die Bedürfnisse der aufstrebenden Länder könnten nicht erfüllt, der Wohlstand der bereits “Angekommenen” nicht nachhaltig verteidigt werden. Wer meint wir könnten – unter dem Stichwort Bio – zurück zu den Agrartechnologien unserer Vorfahren, der lebt in der Verblendung. Nicht wenige tun das.

    Es bedarf also eines zu erweckenden Bewusstseins, wie wichtig und unverzichtbar Wissenschaft und Technologie heute sind. Und zugleich stellt sich auch die Sinnfrage. Was überhaupt wollen wir mit der Wissenschaft und der Technologie. Ist Wissenschaft für Wissenschaftler und Technologie für eine von Produktion und Konsumation bestimmte Welt? Oder dient Wissenschaft und Technologie mehr als dem nur physischen Weiterkommen der Menschheit? Wir können uns nur schrittweise der Wahrheit annähern. Beispielsweise über die Erkenntnis, dass gerade die relativ neuen Informations- und Kommunikationstechnologien eine Vielzahl von Gadgets und Medien hervorgebracht haben, dass aber nur wenige davon sich durchgesetzt und verbreitet haben. Es sind die Technologien, die auf ein menschliches Bedürfnis zugeschnitten sind. Technologie evolviert also auf den Menschen zu. Damit sind wir noch nicht bei der Spiritualität angelangt. Aber wir haben uns immerhin darauf zubewegt. Denn wenn Technologie sich auf den Menschen zubewegt und ihn ermächtigt Dinge zu tun die er gerne tut, dann wird Technologie und Wissenschaft in Zukunft auch immer mehr das Ziel haben, das menschliche Leben zu bereichern, denn ein in jeder Hinsicht reicheres Leben wünschen sich die meisten Menschen und wo ein Wunsch ist da ist doch irgendwann auch die Technologie, die diesen Wunsch erfüllt oder mindestens näher bringt.

    • @ Herr Holzherr :

      Technologie evolviert also auf den Menschen zu.

      Der Mensch evolviert sozusagen, oder direkt, die Evolution meint das Ausrollen oder Auspacken, auf die Fähigkeitslehre (“Technologie”) zu – dies klingt vielleicht eine Spur cooler als den Menschen als einen Unterworfenen zu betrachten.

      Hier spielt natürlich das Spirituelle (“Geistige” [1]) eine besondere Rolle, auch das allgemein Sittliche.
      Klar, Einzelne, Individuen, fühlen sich hier womöglich zumindest nicht umfänglich mitgenommen, aber so ist halt das Wesen der wissenschaftlichen Veranstaltung.
      Es handelt sich um eine Veranstaltung, sie ist exoterisch, jeder kann sozusagen mitmachen (vs. Esoterik, die besonders Eingeweihte meint, auch i.p. Empirie dünn dasteht), und eigentlich geht es nicht um Wissen, sondern um Erkennen, ‘Scientia’ klingt einigen besser in den Ohren als das d-sprachige Wissen.

      MFG
      Dr. Webbaer

      [1]
      Die Geisteswissenschaften gibt es nicht ohne Grund, erkennende Subjekte schaffen sozusagen ihre eigenen Welten, um mit der Naturwelt, der Welt, also mit dem, was ist oder waltet, klarzukommen.
      Übrigens bereits intrinsisch spirituell dieses Vorhaben…

    • “Die Bereitschaft und der Wille Technologien für sein Leben und Überleben zu erlernen und zu entwickeln macht den Menschen überhaupt erst zum Menschen. ”

      Sind nicht die Technologien die Folge einer viel grundlegenderen Fähigkeit, nämlich die Sinn- und Funktionszusammenhänge in der umgebenden Natur zu erkennen und zu nutzen? Das Hebelprinzip hat erstmal nicht viel mit Leben und Überleben zu tun, aber das Verständnis von Hebelarm und Kraft erweist sich als ganz praktisch nützlich. Und das “Aha” dieser Nützlichkeit beruht m.M.n. auf etwas, das uns noch viel tiefer charakterisiert als der Wille zum Überleben : das ist unsere Fähigkeit uns selbst (in Kontakt und Interaktion mit unserer Umwelt) zu beobachten und zu erkennen. Die Intensität und Entwicklungshöhe dieser Fähigkeit macht uns überhaupt erst zum Menschen.

      Diese andere Formulierung der Definition ist aus meiner Sicht durchaus nicht kleinklein rechthaberisch und überflüssig, sondern hat sehr weitgehende Implikationen. Unter anderem verschiebt sich so die Priorität von der Frage nach dem bloßen Überleben zur Frage “wer bin ich?” Das schließt dann auch den Sterbeprozess und den Tod mit ein (statt aus). Beide Begriffe bzw. Prozesse charakterisieren uns extrem stark – erstens weil sich ihnen offensichtlich letztlich kein Mensch entziehen kann und zweitens weil die geistige Auseinandersetzung mit dieser Herausforderung die größten Kulturleistungen überhaupt hervorgebracht hat.

  2. Die moderne aufklärerische Naturwissenschaft, die der Scientific Method folgt, aus irgendwelchen dem Schreiber dieser Zeilen unbekannten Gründen gibt es in der bekannten Online-Enzyklopädie hierzu keinen deutschsprachigen Eintrag, folgt oder ist eine Methode und unterliegt, zumindest i.p. Annahme, einem Glaubensentscheid.

    Es ginge eben auch anders, wenn, dann wohl nicht der Empirie folgend, also resultativ nicht messbar, aber es ginge auch anders und es ging auch lange Zeit anders.


    Insofern ist die o.g. Wissenschaftlichkeit spirituell, also geistig, also erkennenden Subjekten und deren Entscheidung geschuldet und leidet hier im Spirituellen keinen Mangel, den es irgendwie besonders auszufüllen gilt.
    Außer eben durch den Zweifel, der aber in der Scientific Method bereits angelegt ist, auch irgendwie schön ist, wie einige finden, bspw. sogenannte Skeptiker.
    Einstein war insofern, sicherlich auch mit einem zwinkernden Auge spirituell und / oder religiös (eine besondere Rückbindung ist hier gemeint, ganz ähnlich einer “klassischen” Religion, aber eben die Empirie einschließend, ganz besonders einschließend sozusagen), vgl. mit:
    -> https://de.wikipedia.org/wiki/Pantheismus#Pantheismus_in_der_Gegenwart (Einstein war sozusagen kosmisch-religiös, es gibt hier einige E-Zitate, die vielleicht beachtenswert sind)

    MFG
    Dr. Webbaer

    • Dr. Webbaer schrieb (10. October 2016 @ 20:37):
      > [Die] Scientific Method […] ist eine Methode und unterliegt, zumindest i.p. Annahme, einem Glaubensentscheid.

      Sofern tatsächlich verschiedene Methoden zur Wahl stehen, lassen sich wohl auch rationale (nachvollziehbare) Gründe für die Entscheidung in Betracht ziehen, ob und welche zuerst und ggf. auch wiederholt einzusetzen.

      > Es ginge eben auch anders,

      Anders als im verlinkten Wikipedia-Artikel beschrieben und ensprechend skizziert — sicher ginge das.

      Es erscheint (gerade anhand der verlinkten Skizze) eher sehr fraglich, wie diese (skizzierte Art der) Scientific Method überhaupt in Gang gesetzt werden könnte.

      > wenn, dann wohl nicht der Empirie folgend, also resultativ nicht messbar […]

      Das wäre eine besonders radikale, aber gewiss nicht die einzige mögliche Abwandlung der gezeigten Skizze. In Frage kommt stattdessen insbesondere auch:

      – die Entkopplung der Theorie-Entwicklung (also der Auswahl von Begriffen und Konstruktion von Definitionen, insbesondere von Messgrößen) von Erwartungen hinsichtlich Messwerten; also konkret das Entfernen des roten/linken Pfeils der Skizze;

      und (damit verbunden)

      – Systematische Nutzung des “Modell”-Begriffs um die in der Skizze und im Artkel benutzten diversen Begriffewie “experiences”, “pattern”, “cause”, “predictions”, “expect[ations]” zusammenzufassen;
      und dadurch konkret benennen zu können, was verworfen werden kann und muss, falls die bestimmte Hypothese, dass ein bestimmtes Modell in einem bestimmten Versuch der Realität entsprach, durch ermittelte Messwerte widerlegt würde.

      > […] gibt es in der bekannten Online-Enzyklopädie hierzu keinen deutschsprachigen Eintrag

      Die Fragmentierung der Wikipedia, die ja sogar über reine Sprach-Segregierung hinausgeht, erscheint (mir) jedenfalls schrecklich unenzyklopädisch.
      (Und den Typo, den ich im Text der oben verlinkten Skizze finde, behalt ich vorerst für mich. Wäre der Text der Wikipedia, und insbesondere der Text in dieser Skizze, konsequent verwikilinkt, dann wäre dieser Typo wohl kaum aufgetreten. …)

      • @ Herr Dr. Wappler :

        Esoterischer Exkurs geht immer, das (für einige) Faszinierende bleibt, nämlich, dass exoterische (natur-)wissenschaftliche Theoretisierung i.p. Beschreibung, Erklärung und vor allem i.p. Prädiktion Anwendungen erlaubt, die sich eben in praxi bewähren. [1]

        Besondere Ratio ergibt sich sozusagen im post festum oder ex post.

        Nichts Schlechtes daran, auch den Veranstaltungcharakter meinend, es muss halt “funzen”.

        Dass Sie hier, als Sparflamme [2] sozusagen, auftauchen und zu stören wissen, ist OK, schöne Woche noch,
        Dr. Webbaer (der Sie ja schon lange kennt)

        [1]
        Theorien (“Sichten” (auf (erfasste) Daten)) sind das Instrument, das bestimmter Methode folgt.

        [2]
        War jetzt ein wenig bös, in dieser Fußnote ergänzt, womöglich, Sie bleiben aber dringend eingeladen Ihre Sichten webzuverweisen, so dass sich Ihr Kommentatorenfreund – wie auch andere, ein näheres, ein genaues Bild über Ihren Nachrichtenverbund verschaffen können.
        Ansonsten bitte nicht punktuell stören, danke!

        • Dr. Webbaer schrieb (11. October 2016 @ 00:44):
          > […] es muss halt “funzen”.

          Soll das Ausdruck eines (oben auffallig so bezeichneten) „Glaubensentscheids“ sein?
          Insbesondere in Anlehnung an den obigen SciLog-Artikel?
          Oder eher gerade das Gegenteil? …
          (Jedenfalls hoffe ich, dass mein Stören zumindest in dieser Hinsicht nicht ganz unwillkommen wirkt.)

          > (“Sichten” (auf (erfasste) Daten))

          Der Einschub ist neu und interessant; erlaubt er doch, in Abgrenzung dazu auf
          „Planungen/Aussichten betreffend Daten, die noch nicht erfasst wurden“
          Hinzuweisen.

          (Ein Beispiel aus der Spreadsheet-Welt:
          Es lassen sich Formeln und Formatierungen in Tabellenfeldern vorbereiten, auch ohne dass schon konkrete Werte sichtbar in den Feldern stehen.
          Falls später Daten in die dafür vorgesehenen Felder eingefügt werden, und besonders, falls dann „unterm Strich“ eine rote Zahl erscheinen sollte – dann sind die genannten Vorbereitungen doch nicht etwa hinfällig, oder?)

          > Beschreibung, Erklärung

          Die (doch besonders für’s „Funzen“) relevante Kategorie heißt aber: „Messung“.
          Und die besteht bekanntlich aus mehreren Teilen
          (schematisch im Idealfall:
          Â ψ_k = a_k ψ_k,
          lies:
          „Messoperator angewandt auf geeignete Beobachtungsdaten ergibt einen bestimmten, wahren, zuverlässigen Messwert“
          ),
          denen Begriffe wie „ Beschreibung, Erklärung “ kaum gerecht werden.

          p.s.
          > als Sparflamme [2]

          Solche allein durch ihre Kürze für Missverständnisse anfällige, aber doch offensichtlich vor Harmlosigkeit triefenden Ausdrücke von Gedankenblitzen können die (wohlmeinenden) Leser sicherlich nicht mehr amüsieren als den (wohlmeinenden) Urheber. Und ob Fußnoten das retten, bleibt fraglich.
          Aber sowas unterläuft mir selbst (bestimmt) auch viel zu oft, als dass ich darüber böse sein sollte. (Und Fußnoten beabsichtige ich hier nicht eher einzusetzen, als uns eine Vorschau auf die Formatierung gegönnt würde.)

          > ein näheres, ein genaues Bild über Ihren Nachrichtenverbund

          Das dürften erfahrene Nutzer von SciLogs (u. dgl.) im Wesentlichen haben.
          Dass ich mich mit einigen fachlich ausgeprägteren Themen öffentlich auch als „user12262“ beschäftige (was seinen Ursprung in einem Versehen meinerseits hatte, sich aber mittlerweile verselbständigt und verfestigt hat), habe ich solchen Nutzern gegenüber gelegentlich schon erwähnt.

          • @ Herr Dr. Wappler :

            ein näheres, ein genaues Bild über Ihren Nachrichtenverbund [RR: Dr. Webbaer, der hier angefragt hat, ob Sie eine im Web verfügbare Inhaltseinheit vorweisen können, in der Sie Ihre Sichten konzentriert vorstellen]

            Das dürften erfahrene Nutzer von SciLogs (u. dgl.) im Wesentlichen haben.
            Dass ich mich mit einigen fachlich ausgeprägteren Themen öffentlich auch als „user12262“ beschäftige (was seinen Ursprung in einem Versehen meinerseits hatte, sich aber mittlerweile verselbständigt und verfestigt hat), habe ich solchen Nutzern gegenüber gelegentlich schon erwähnt.

            Um es mal so zu versuchen:
            Lassen Sie das Gequatsche mit dem ‘user12262’ einfach mal sein und versuchen sich derart auszudrücken, so dass Sie verstanden werden können – ohne dass vorab eine anscheinend Ihnen gewohnte Begrifflichkeit / Sprachlichkeit angenommen werden muss.
            Gehen Sie freundlicherweise und versuchsweise (einfach mal) davon aus, dass im Web -Ihr Kommentatorenkollege kennt Sie schon länger- nie jemand verstanden hat, was Sie meinen.


            Ansonsten dürfen Sie sich gerne alternativ in die Sapienz verabschieden, wie es bspw. Ronald Reagan getan hat, Moment! – der hat sich mit einem Brief in die Demenz verabschiedet, um genau zu sein, korrekt.

            Sich in die Sapienz -wie alt sind Sie, 50?- hätte schon was.

            Finden’S nett? – Ansonsten gerne möglichst allgemein verständlich vortragen, Sir Karl Popper hat sich bspw. immer um diese bemüht, und sich beömmelt bis verdammt, wenn dies nicht geschehen konnte, andere Philosophen meinend, bspw. Heidegger, hier womöglich nur folgerichtig eine soziale Schutzfunktion oder gar Entertainment gewittert hat.

            Also, gerne mal versuchen, stellen Sie sich Dr. W und andere gerne als Dummies vor,
            MFG + schöne Woche noch,
            Dr. Webbaer

          • *
            Sich in die Sapienz -wie alt sind Sie, 50?- [zu verabschieden] hätte schon was.


            Ansonsten gehen verschachtelte Zitationen hier bei den Scilogs.de wohl nicht [mehr].
            Gerne lesend berücksichtigen, wie verschachtelt zitiert hätte sein können, danke.

        • Dr. Webbaer schrieb (12. October 2016 @ 18:33):
          > ob Sie eine im Web verfügbare Inhaltseinheit vorweisen können, in der Sie Ihre Sichten konzentriert vorstellen

          (Man hätte vielleicht gleich wissen können, dass meine obigen direkten thematischen Bemerkungen und Fragen doch nur zu einer derartigen Rückmeldung führen. Die entsprechende intellektuelle Schwäche kann man mir gelegentlich gern anmerken.)

          Wenn Dr. Webbaer meine Beiträge hier (und nebenan, und drumherum) im Sinne der zitierten Fragestellung nicht in Betracht zieht, dann reduziert sich meine Antwort eben kurz und bündig auf:
          Nein, sowas hab ich leider nicht vorzuweisen.
          (Du etwa ??.)

          p.s.
          Dr. Webbaer schrieb (12. October 2016 @ 19:46):
          > ‘Beweise’ gibt es im Naturwissenschaftlichen, vielleicht seit 100 Jahren, nicht mehr

          Gegenbeispiel: der Beweis der Renormierbarkeit von Yang-Mills-Theorien mit spontanem Symmetriebruch, den [Gerardus ’t Hooft] zusammen mit seinem Lehrer Martinus Veltman 1971 erbrachte; und damit zusammenhängend der Nobelpreis für Physik 1999.

  3. Beim zumindest genaueren Betrachten der Menschheitsgeschichte scheint es mir so zu sein dass das einzige Problem das die Menschheit hat und jemals hatte “charakterliche Defizite” sind.

    Wenn man jemandem mit solchen Problemen (sind leider völlig normal!!) mehr Wissen gibt kann er auch mehr Schaden anrichten (mal gucken was sie zB mit Crispr-Cas9 machen werden, alles was gemacht werden kann wird gemacht, bitte keine diesbezüglichen Illusionen haben…).

    1983 zB hat ein reiner Zufall! (Petrow kannte rein zufällig zu diesem Zeitpunkt! die wirkliche Natoerstschlagsstrategie noch! nicht die dem Fehlalarm geglichen hätte und hat nur so richtig entschieden, bei Bedarf Quellenangabe, gab im selben Jahr! daneben noch einen “Zweitbeinaheevent” -> Able Archer ´83) einen Atomkrieg (vermutlich beim Ersteinsatz 5000 A-Sprengköpfe, von vorhandenen damals 60.000) verhindert, und aktuell macht der technische Fortschritt, Folge einer leider eher rein materiellen Wissenschaft, die Erde fortschreitend unbewohnbar.

    Problem: zB Habgier, Machtstreben, Dummheit etc etc.

    Wie will die leider eher rein materielle Wissenschaft dieses absolut fundamentale Problem lösen?

    Der Mensch ist nun mal nicht primär rational gesteuert.
    Was ihn ja auch zum Unmenschen, quasi zur Maschine, machen würde.
    Daneben ist der reine Verstand unzuverlässig weil wir das weitaus meiste bisher schlicht nicht wissen, reine Ratio bisher -> “glauben und raten”. Beweis: die Fragen werden immer noch stark mehr als weniger.

  4. Ein wesentliches Element der Spiritualität ist der intuitive Glaube an etwas, was man nicht beweisen kann.
    Dies ist einer der Gründe warum Kulte/Religionen entstanden – wo man an Übersinnliches, Geister bzw. Götter glaubt. Und auf Grundlage dieses Glaubens moralisches Verhalten begründet/rechtfertigt.

    In der modernen wissenschaftlichen Diskussion spielt Spiritualität eine große Rolle. Speziell in der Physik diskutiert man z.B. Paralleluniversen, Multiversen, Zeitreisen oder glaubt an die Existenz von Leben auf anderen Planeten. Diese Glaubensvorstellungen werden zwar mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen begründet – aber Beweise gibt es nicht.
    Dagegen ist nichts einzwenden – weil solch ein Glaube niemand schadet.

    • @KRichard, Zitat:

      Ein wesentliches Element der Spiritualität ist der intuitive Glaube an etwas, was man nicht beweisen kann.

      Das meiste lässt sich nich beweisen, Naturwissenschaft hin oder her. Glauben an überempirische Wesen oder der Glaube an ein Durchdrungensein des Universums von einem göttlichen Geist geht meist auf das Bedürfnis nach einem allumfassen Sinn zurück. Dieser allumfassende Sinn kann die Wissenschaft bis jetzt – und wahrscheinlich für immer – nicht bieten.
      Die Frage ist ob (Zitat)

      Paralleluniversen, Multiversen, Zeitreisen oder glaubt an die Existenz von Leben auf anderen Planeten

      einen Ersatz für den religiösen bieten können, ob solche Dinge wie Multiversen und extraterrestrisches Leben sinnstiftend sind. Ich denke, diese naturwissenschaftlich fundierten Hoffnungen und Visionen können das menschliche Bedürfnis nach Sinn nur teilweise befriedigen. Schaut man genauer hin, findet man nämlich, dass die überemprischen Wesen der Religionen immer auf den Menschen zugeschnitten sind. Götter und Gott sind gewissermassen Übermenschen. Deshalb sind diese Religionen auch meist (oder immer) mit einer Ethik verbunden – mit dem Glauben es gebe eine richtige Art zu leben.
      Wissenschaft und Technik können uns allenfalls über die Soziologie und Psychologie – und heute über die Neuropsychologie – Auskunft darüber geben welche Verhaltensgrundsätze in einer menschlichen Gesellschaft zu gelten haben.

    • @ Herr Kinseher, Richard :

      Wichtich (mittelniederdeutsch – auch irgendwie lustig, oder?) ist halt zu verstehen, dass die Scientific Method (und nur diese) ergebnis-orientiert ist oder anders formuliert: der Empirie folgt, insofern auch Anwendungen erlaubt.

      Insbesondere der letzte Absatz Ihrer Nachricht kam hier noch nicht so super-gut an.
      Vertrauen Sie gerne dem o.g. Konzept und derart beschäftigten Wissenschaftlern (Ihr Kommentatorenfreund hat es hier eher mit der Scientia, dem Erkennen, korrekt).

      ‘Beweise’ gibt es im Naturwissenschaftlichen, vielleicht seit 100 Jahren, nicht mehr, es wird bevorzugt falsifiziert, was auch cool ist, vielleicht noch wesentlich cooler als als Welt-Teilnehmer oder erkennendes Subjekt die Verifikation zu suchen.


      ‘Beweise’ gibt es ansonsten in der Tautologie, bspw. in der Kunst des Lernens (“Mathematik”) oder -abgehoben- in der Philosophie.

      HTH (“Hope this helps”)
      Dr. Webbaer

  5. Bevor man über die Verträglichkeit von Spiritualität und naturwissenschaftlichem Weltbild nachdenken kann, muss man zuerst das Dilemma der zwei Kulturen, das C. P. Snow bereits 1959 beschrieben hat, angehen. Menschen, die der STEM (Science, Techn, Eng., Math) / MINT (Mathe,Informatik,Naturwiss.,Tech) Kultur angehören, leben oft in einer völlig anderen Welt als diejenigen, die sich selbst zu den Gebildeten zählen. Wie Dietrich Schwanitz in seinem Buch “Bildung: Alles was man wissen muss” dargelegt hat, gehört zur Bildung allerhand Geschichts- und Kulturkram (und beim Namedropping dürfen die Philosophen bis und mit Kant, die europäischen Kriege, Könige und Welteroberer nicht fehlen), aber naturwissenschaftliche Kenntnisse gehören nicht dazu. Beim gehobenen Apero und Smalltalk kann man die Stimmung verderben, wenn man nicht über Elfen, Harry Potter oder die Leistungen der alten Griechen spricht, sonderrn statt dessen den Unterschied zwischen Newtons- und Einsteins Gravitationstheorie thematisieren will. Kommt man gar auf ein aktuelles Thema wie die Neuroforschung mit ihrer Suche nach den neuronalen Grundlagen von Bewusstsein und freiem Willen zu sprechen, so besteht die Gefahr, dass man als Reduktionist diffamiert wird, der mit seinen Bemühungen die Welt in den seelenlosen Abgrund (den Abyss ) stürzen will.
    Auch hier auf scilogs findet man mindestens 4 Autoren, die sich vehement gegen die Vereinnahmung durch die MINT-Liga wehren, die alle Bordkanonen hochfahren, wenn sie den Verdacht hegen, da wolle jemand sein naturwissenschafltich/szientistisches/reduktionistisches Weltbild allen anderen auf die Stirn und ins Hirn drücken.

    Wie kann man das ändern. Zuerst einmal muss man anerkennen, dass die MINT-Leute nicht zuerst nach dem Guten,Schönen und Wahren suchen, sondern nach den Gesetzen und Phänomen, die unsere Welt am Laufen halten. Doch deswegen gehören die MINT-ler noch lange nicht zum Hauspersonal der Geistes- und Kulturmenschen. Es ist mitnichten die einzige und vornehmste Aufgabe der MINT-ler, die gute Stube derjenigen, die nach dem Wahren,Schönen und Guten streben, warm zu halten. Nein, auch die MINT-ler streben nach Höherem. Zuerst einmal dürfen die MINT-ler aber ruhig Brecht in Anspruch nehmen:

    Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral

    oder etwas edler formuliert: Zuerst müssen wir AIDS, Hunger, Malaria und Energiearmut bekämpfen ehe wir den selbsternannten Philosophen und Geistesmenschen das Leben in ihrem Elfenbeinturm angenehm gestalten. Und vielleicht kommen die MINT-ler sogar zum Schluss, dass das Hauspersonal, das sie angeblich sind, ganz gut ohne die sich edel fühlenden Gutsherrren auskommen kann.

    • “Zuerst einmal muss man anerkennen, dass die MINT-Leute nicht zuerst nach dem Guten,Schönen und Wahren suchen, sondern nach den Gesetzen und Phänomen, die unsere Welt am Laufen halten. Doch deswegen gehören die MINT-ler noch lange nicht zum Hauspersonal der Geistes- und Kulturmenschen.”

      Diese Unterscheidung in Geistes- und MINT-Menschen halte ich nicht nur für unglücklich sondern für komplett kontraproduktiv. Alle sind einfach Menschen und sollten deshalb auch gegenseitige Achtung und Freundlichkeit erwarten können. Unterscheiden sollte man aber bei den Haltungen.
      Tatsache ist doch, dass naturwissenschaftliche Erkenntnis und der daraus folgende Werkzeuggebrauch auf den verschiedenen Ebenen der Komplexität uns zwar in der Beherrschung der Natur weit gebracht, aber auch eine entsprechende Verantwortung aufgebürdet hat. Das selbe Messer kann man eben zum Gurkenschälen und zur Ermordung eines unliebsamen Nachbarn oder Zeugen bei einer Straftat verwenden. Deshalb geht es ganz grundlegend nicht nur um das Wissen, wie man ein Messer herstellt und scharf schleift (wie das viele MINTler in ihrer Begeisterung für die neuen Möglichkeiten reduktionistisch propagieren) sondern auch MINDESTENS EBENSO darum, eine allgemein verbindliche und auch tatsächlich praktizierte Haltung zu entwickeln, die den (z.B. militärischen) Mißbrauch neuer Erkenntnisse, Entdeckungen und Erfindungen ausschließt.
      Niemand mit einem Funken Vernunft wird in den MINTlern Hauspersonal sehen, aber so lange diese sehr hohe Priorität in der MINT-Gemeinde nicht allgemein akzeptiert ist, muss sie damit leben, dass die Ethiker unter den “Geistesmenschen” von ziemlich kindlichen Begeisterungs-Haltungen bei ihren MINT-Mitmenschen ausgehen.

  6. Die Gesamtheit der Welt bietet eine Fülle an wahrnehmbaren, erfahrbaren und erlebbaren Erscheinungen, die der Erforschung, dem Erkennen und der Beschreibung als Natur in faszinierender Weise zugänglich sind. Dem gegenüber ist die Naturwissenschaft in Wirklichkeit eine Isolierung, Idealisierung, Objektivierung, Rationalisierung, Modellierung, Formalisierung, Mathematisierung, Simulierung der Naturphänomene und infolge dessen für das praktische Leben als Naturwissen nur bedingt geeignet.

    Das Wissen über die Welt hat Bedeutung als Instrument für die Beschaffung und Bewirtschaftung der Nahrungs- und Lebensgrundlagen, für die Erleichterung des Lebens durch Werkzeuge und Maschinen, für die medizinische Versorgung und Therapie, für vielfältige Gestaltung und Verschönerung des Lebens durch Mobilität und Kommunikation, durch Musik und Spiel. Darüber hinaus ermöglicht das Wissen die Erfüllung zusätzlicher Ansprüche hinsichtlich Komfort und Ästhetik als Architektur oder Kunst.

    Die häufig gestellte Frage ist jedoch, was das Wissen über den Urknall, das Higgsboson oder über schwarze Löcher dem Menschen außerdem nützt. Welche Bedeutung und welchen Wert hat das Wissen für die Menschen über die praktische Nützlichkeit hinaus? Dabei wird allerdings übersehen, dass Wissen erst am Ende der Naturforschung steht und nicht vorhersehbar ist. Übersehen wird dabei auch, dass das Wissen die willkürlichen Spekulationen und Weltanschauungen der Vergangenheit ersetzt und Irrtümer und falsche Lehren abgelöst hat, bspw. Menschenopfer für die Götter. Es wäre fatal, das Wissen retrospektiv auf seine Nützlichkeiten und Zwecke zu reduzieren. Erkenntnis und Wissen über die Natur und den Menschen selbst ist ein Wert an sich zur bewussten Anschauung der Lebenswelt, es ist konstitutiver Bestandteil des kollektiven und des individuellen Bewusstseins und Menschseins im Sinne der Phänomenologie, es ist Grundlage für mitmenschliche Kommunikation und Sozialverhalten, für Empathie und Solidarität, für Wünsche, für Erwartungen, für die Deutung und das Verstehen des Ich und Selbst.

    Mit dem Wissen wächst auch die Verantwortlichkeit für das eigene Handeln. Aber Wissen ist keine Garantie für eine humanere Welt, denn Wissen ist nicht dasselbe wie Vernunft und kann genauso für Zerstörung und Vernichtung instrumentalisiert werden. Das Wissen soll der Vernunft dienlich sein, die als Bewertungskategorie und Entscheidungsprinzip für das Handeln und Verhalten zu deuten ist. Unter der Vernünftigkeit als Merkmal von Willen und Handeln ist subjektive Zweckmäßigkeit, Nützlichkeit, Vorteilhaftigkeit, manchmal als Zweckrationalität oder instrumentelle Vernunft bezeichnet, aber auch objektive Nachhaltigkeit bezüglich der Lebensgrundlagen, Menschlichkeit vor dem Hintergrund von Moral und Sitte, Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft und der Wille zum Leben an sich zu subsumieren. Es ist evident, dass objektive Urteile nur auf objektivem Weltwissen und auf Kulturwissen mit der Kenntnis der Handlungsmöglichkeiten gründen können, dass die vorgelagerte Rationalität und Durchsetzbarkeit des Willens eine allgemeine Voraussetzung für vernünftige Entscheidungen ist. Trotz aller Vernünftigkeit im Vorfeld von Handlungen gibt es keine Garantie für die tatsächliche Vernünftigkeit, weil das Weltgeschehen nie mit absoluter Sicherheit vorhersehbar ist und weil Fehleinschätzungen der Möglichkeiten und Bedingungen nicht ausgeschlossen werden können. Weil das Leben endlich ist und keine äußeren Zwecke und Zwänge, wohl aber innere Bedürfnisse kennt, kann auch scheinbare Unvernunft vorübergehend vernünftig sein. Die Vernunft ist ihr eigener Gesetzgeber und Richter zugleich. Das Gesetz ist der unbestimmte Sinn des Seins, des Lebens, des Tuns, des Nichttuns.

    Der Begriff der Spiritualität ist stark vorbelastet und hat kaum einen objektiven Inhalt. Kritik, Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten sind dadurch vorprogrammiert. Die Spiritualität artikuliert sich in der Sprache und die Sprache bestimmt wiederum die Spiritualität. Die Sprache in ihrer Unvollkommenheit und Lückenhaftigkeit kann nur ein skelettartiges Bild der Welt widergeben, andererseits kann sie durch die Unendlichkeit in ihren Wort- und Satzbildungen die empirischen Vorstellungen des Bewusstseins zu beliebigen nichtempirischen, unüberprüfbaren Vorstellungen kombinieren.

    Eine dritte Sphäre darf nicht vergessen werden: die Emotionalität oder Gefühlswelt des Menschen. Sie unterliegt weder der Rationalität noch der Spiritualität und ist allgegenwärtig. Ein großer Teil des Menschseins und dessen Problematik ist ihr geschuldet, sei es bewusst oder unbewusst. Viele menschliche und gesellschaftliche Phänomene der Gegenwart sind in einer gestörten, vernachlässigten oder gegenseitig unverstandenen Gefühlslage begründet.

    • @ Herr Anton Reutlinger (sofern Sie wirklich so heißen; im Web gilt es als OK sogenannte RL-Names zu verwenden, auch “Fantasie-Namen”, “Aliases”, sofern sie nicht mit RL-Namen zu verwechseln sind) :

      Dem gegenüber ist die Naturwissenschaft in Wirklichkeit eine Isolierung, Idealisierung, Objektivierung, Rationalisierung, Modellierung, Formalisierung, Mathematisierung, Simulierung der Naturphänomene und infolge dessen für das praktische Leben als Naturwissen nur bedingt geeignet.

      Die Naturwissenschaften meinen näherungsweise, ausschnittsartige und an Interessen (!) gebundene Erfassung von Datenlagen, von weltlichen Datenlagen, die in der Folge -quelle surprise!- näherungsweise, ausschnittsartig und an Interessen (!) gebunden theoretisiert [1] werden.

      In gewissem Sinne ist die moderne aufklärerische Wissenschaftlichkeit höchst spirituell, falls Sie dies nicht glauben, gerne nachfragen.

      Das ‘praktische Leben’ könnte sich hier inspiriert bis angeleitet fühlen.

      Oder, um mal ganz irdisch, eine erkennbar intellektuell-kognitív minderbemittelte bundesdeutsche Kraft, die zwar sprechen, abär nicht reden kann, zu zitieren:
      Falsikatorisch-skeptizistisches Vorgehen ist im Naturwissenschaftlichen alternativlos.

      MFG
      Dr. Webbaer

      [1]
      Die Sichtenbildung bleibt gemeint, die θεωρία theoría meint die Scientia, die (auch gemeinsam) begangene Sicht auf Daten oder Erfasstes.

  7. @Dr.Webbaer;

    In gewissem Sinne ist die moderne aufklärerische Wissenschaftlichkeit höchst spirituell, falls Sie dies nicht glauben, gerne nachfragen.

    Da kann ich durchaus zustimmen. Letztlich ist alles spirituell, was der Mensch denkt und tut. W.v.O. Quine schrieb “Wissenschaft ist der Königsweg zur Wahrheit”. Das Bestreben der Spiritualität ist Wahrheit, in welcher Form auch immer. Dass es viele unterschiedliche Formen von Spiritualität gibt, oder Wege zur Wahrheit, die zu unterscheiden wären, habe ich mit dem Hinweis auf die historische Vorbelastetheit schon erwähnt.

    Wenn die Wissenschaft zum Szientismus neigt, indem die wissenschaftliche Methode oder naturwissenschaftliche Erkenntnis überhöht wird, indem sie absolute Wahrheitsansprüche erhebt, dann wird auch sie spiritualistisch und kritikwürdig. Zur wissenschaftlichen Rationalität und Erkenntnis gehören mindestens die Objektivität und die Fallibilität. Andererseits muss jede Form von Spiritualität auf den Prüfstand der Wissenschaft, z.B. zur kritisch-logischen Analyse ihrer Begriffe. In der Regel beschränkt sich Spiritualität auf die Alltagssprache als kommunikative Ausdrucksform.

  8. Extrem schlechter Text – geballte Inhaltsleere in kaskadierenden Worthülsen und abgedroschenen Phrasen, unangenehm berührend bis zum Fremdschämen, weil der Autor sich dabei auch noch im Kosmos sinnstiftender Geistesgymnastik wähnt. Peinlich.

    Tip: einfach nur möglichst knapp den Inhalt des rezensierten Werkes wiedergeben, möglichst ohne seinen eigenen Senf oben drauf zu kleistern – das ist das, was ich von einer Rezension erwarte.

    Nebenbei: das Formular zum Absenden ist kaputt – im Jahre 2021 auf einer deutschen Wissenschaftswebsite. Unglaublich, aber kennzeichnend für das typisch teutonisch Rückständige.

  9. Mit dem Wissen wächst auch die Verantwortlichkeit für das eigene Handeln. Aber Wissen ist keine Garantie für eine humanere Welt, denn Wissen ist nicht dasselbe wie Vernunft und kann genauso für Zerstörung und Vernichtung instrumentalisiert werden. Das Wissen soll der Vernunft dienlich sein, die als Bewertungskategorie und Entscheidungsprinzip für das Handeln und Verhalten zu deuten ist. Unter der Vernünftigkeit als Merkmal von Willen und Handeln ist subjektive Zweckmäßigkeit, Nützlichkeit, Vorteilhaftigkeit, manchmal als Zweckrationalität oder instrumentelle Vernunft bezeichnet, aber auch objektive Nachhaltigkeit bezüglich der Lebensgrundlagen, Menschlichkeit vor dem Hintergrund von Moral und Sitte, Gesetzlichkeit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft und der Wille zum Leben an sich zu subsumieren. Es ist evident, dass objektive Urteile nur auf objektivem Weltwissen und auf Kulturwissen mit der Kenntnis der Handlungsmöglichkeiten gründen können, dass die vorgelagerte Rationalität und Durchsetzbarkeit des Willens eine allgemeine Voraussetzung für vernünftige Entscheidungen ist. Trotz aller Vernünftigkeit im Vorfeld von Handlungen gibt es keine Garantie für die tatsächliche Vernünftigkeit, weil das Weltgeschehen nie mit absoluter Sicherheit vorhersehbar ist und weil Fehleinschätzungen der Möglichkeiten und Bedingungen nicht ausgeschlossen werden können. Weil das Leben endlich ist und keine äußeren Zwecke und Zwänge, wohl aber innere Bedürfnisse kennt, kann auch scheinbare Unvernunft vorübergehend vernünftig sein. Die Vernunft ist ihr eigener Gesetzgeber und Richter zugleich. Das Gesetz ist der unbestimmte Sinn des Seins, des Lebens, des Tuns, des Nichttuns.

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