Yuris Night 2015 in Wien – eine Retrospektive

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Yuris Night in Wien Bild: Carola Riegler

Am 12. April 1961 fand der erste Raumflug in der Geschichte der Menschheit statt. An diesem Tag umrundete der sowjetische Kosmonaut Yuri Gagarin innerhalb von 90 Minuten einmal die Erde. Seine Tat läutete das Zeitalter der bemannten Raumfahrt ein. Seit einer Reihe von Jahren finden zur Erinnerung an dieses Ereignis weltweit unter dem Motto „Yuris Night“ Gedenkveranstaltungen statt, deren Aktionsrahmen sich, je nach Intention und Laune der Veranstalter, zwischen Party, Filmfestival, Space-up, öffentlichen Vorträgen und klassischer Konferenz bewegen. Sehr häufig ist es eine Mischung mehrerer derzeit gängiger Formen der Wissenschaftskommunikation. Heuer fiel der 12. April auf einen Sonntag, veranstaltungstechnisch ein eher undankbarer Termin.

Ausrichter der Yuris Night in Wien war – wie in den Vorjahren – die Astronomie- und Raumfahrtplattform „Der Orion“, deren Mitgründer ich bin. Die Veranstaltung wurde von meinen beiden geschätzten Mitstreiterinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer organisiert.

Viele Veranstalter stellen an besuchstechnisch ungünstig gelegenen Wochentagen den Aspekt „Party“ in den Vordergrund, um möglichst viele Besucher anzulocken. Das sollte aber nicht der Standard für die Veranstaltung in Wien sein, obwohl die „Yuris Night“ nicht nur den „Sonntagsnachteil“ hatte, sondern auch noch mit einem absoluten Großereignis konkurrieren musste: dem Wiener Stadtmarathon.

Was an diesem Tag in der Sternwarte der Wiener Urania den gut 150 Besuchern geboten wurde, zeigt der nachfolgende offizielle Bericht, wie er für Publikationen und Sponsoren erstellt wurde.

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Monika Fischer und Eugen Reichl (Astra)

Der anfänglich recht bewölkte Himmel machte die Sache spannend, denn die Wiener Ausgabe von Yuri‘s Night stand unter dem Motto: „Internationales Jahr des Lichts“, das die Vereinten Nationen in diesem Jahr begehen. Dieses „Licht“ sollte möglichst nicht nur von der Großstadt zu Füßen der Sternwarte kommen, sondern vor allem auch vom Universum darüber. So beschäftigte die Raumfahrt-Fans und die Sternenfreunde im Dachsaal der Wiener Urania die Frage, ob man wohl später am Abend mit dem großen Teleskop der Einrichtung Planeten und Sterne beobachten könnte. Zur Unterstützung des Urania-Teleskops hatte auch die Wiener Arbeitsgemeinschaft für Astronomie Teleskope aufgebaut, um möglichst vielen Besucher einen Blick in den Himmel zu ermöglichen.

Die Veranstaltung begann um 18:00 Uhr. Da war es bis zum Sonnenuntergang, und damit bis zur Nagelprobe für diese Frage, noch eine ganze Weile hin. Gastgeberin der folgenden Stunden war Monika Fischer vom „Verein Förderkreis Astronomie und Raumfahrt – Der Orion‘“. Sie konnte die gut 150 Gäste zur bereits siebten Yuris Night in Wien begrüßen. Die „Yuris Night“ wird weltweit begangen. Insgesamt gab es an diesem Tag – verstreut über den ganzen Planeten – mehr als 150 Veranstaltungen im Gedenken an den historischen ersten Orbitalflug von Juri Gagarin am 12. April 1961.

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Maria Pflug-Hofmayr von “Der Orion’

Die offiziellen Begrüßungsworte sprach Dr. Günther Sidl, der Hausherr der Wiener Urania. Danach stimmte Maria Pflug-Hofmayr in einem Bilderstreifzug durch die Geschichte der Himmelsabbildung die Gäste auf den Abend ein. Quelle vieler dieser Bilder war der Bildblog „APOD“, das„ Astronomy Picture of the Day“, der seit zwei Jahrzehnten existiert. Dieses legendäre Internet-Sammelwerk bringt täglich ein spektakuläres Foto aus Raumfahrt oder Astronomie, begleitet von der Erläuterung eines Fachmannes. Pflug-Hofmayr, Mithgründerin der Astronomie- und Raumfahrtplattform www.der-orion.com, übersetzt diesen Erläuterungstext täglich vom Englischen ins Deutsche und veröffentlicht ihn zusammen mit dem jeweiligen Bild. Sie spannte dabei den Bogen von den frühen astronomischen Wandmalereien unserer steinzeitlichen Vorfahren, über die schon legendären Aufnahmen des Hubble Weltraum-Teleskopes, das in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag feiert, bis hin zu den neuesten Bildern der derzeit im Sonnensystem aktiven Raumsonden.

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Dr. Carsten Wiedemann von der Universität Braunschweig (Bild: Carola Riegler)

Ein ganz anderes Bild des Weltalls – zumindest des sehr erdnahen Raumes – zeichnete anschließend Dr. Carsten Wiedemann vom Institut für Luft-und Raumfahrtsysteme der TU Braunschweig. Wiedemann beschäftigt sich mit Weltraummüll, etwas wissenschaftlicher auch als „Space Debris“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um ausgediente Satelliten, Raketenendstufen, Bruchstücke fester Treibstoffe, Farbpartikel und Trümmerteile, die in wachsender Zahl über unseren Köpfen kreisen und zunehmend ein Problem für die erdnahe Raumfahrt darstellen. Problematisch ist hier, dass sich diese unerwünschten Teile gerade auf den für wissenschaftliche und wirtschaftliche Zwecke beliebtesten Orbitalbahnen häufen. Die oft nur millimetergroßen Fragmente verfügen teilweise über eine enorme kinetische Energie, da sie potentiell mit Relativgeschwindigkeiten von 10 Kilometern pro Sekunde und mehr aufeinander prallen können und bei solchen Zusammenstößen neue Partikel freisetzen. Carsten Wiedemann berichtete auch von Plänen, diesen „Weltraummüll“ wieder aus der Erdumlaufbahn zu räumen, plädierte aber vor allem für die generelle Vermeidung von Space Debris. So sollen zukünftig alle Satelliten auf niedrigen Erdumlaufbahnen dafür ausgerüstet sein, zum Ende ihrer Einsatzlebens gezielt zum Absturz in die Erdatmosphäre gebracht werden zu können. Dann würden sie harmlos in der oberen Atmosphäre verglühen und keine dauerhafte Gefahr für andere Satelliten darstellen.

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Eugen Reichl im Gespräch mit Simonetta di Pippo (Bild: Carola Riegler)
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Simonetta di Pippo würzte ihre Ausführungen mit vielen Anekdoten (Bild: Carola Riegler)

Dass der Weltraum ein Ort der Kooperation und internationalen Zusammenarbeit ist, erörterte anschließend der Raumfahrtjournalist und Orion-Mitgründer Eugen Reichl in einem Podiumsgespräch mit Dr. Simonetta Di Pippo. Die ehemalige ESA-Chefin für bemannte Raumfahrt ist seit März letzten Jahres Direktorin des United Nations Office for Outer Space Affairs (UNOOSA). Bei der lebhaften Diskussion spannte sich der Themenbogen von ihren aktuellen Aufgaben bei der UN, über ihre Arbeit im Rahmen der Organisation „Women in Aerospace Europe“ bis hin zur privaten Raumfahrt, die sie sehr befürwortet, und in der sie eine große Chance für die Zukunft sieht. Di Pippo betonte dabei vor allem die Innovationsmöglichkeiten und die schnellen Entwicklungszyklen, die der privatwirtschaftliche Wettbewerb möglich macht. Auf die Frage von Eugen Reichl, ob sie denn bereit wäre, zum Mars zu fliegen, wenn sich die Chance ergäbe, zeigte sich die Astrophysikerin nicht abgeneigt. Sie räumte allerdings augenzwinkernd ein, dass sie als Fachfrau, die selber lange in der Entwicklung von Raumfahrzeugen beschäftigt war, vor allem die Flugsysteme zuvor einer sehr kritischen Kontrolle unterziehen würde.

Nach diesem angeregten und mit vielen amüsanten Anekdoten gewürzten Gespräch folgte eine kurze Pause für Erfrischungen. Eugen Reichl hatte seine neuesten Werke mitgebracht. Wer wollte konnte sich ein Buch kaufen, und es sich auch gleich signieren lassen. Gegen Ende der Pause war es zunächst nicht ganz einfach, die auf der Dachterrasse verstreuten Gäste wieder in den Dachsaal zu komplimentieren, denn draußen, hoch über der Donau, lockte inzwischen der erhoffte sternenklare Himmel und zusätzlich ein prachtvoller Blick über das nächtliche Wien.

Das nächste Thema war aber dann doch Anreiz genug, wieder in den Vortragsraum zurückzukehren. Dr. Konstanze Zwintz von der Universität Innsbruck machte nämlich die Sterne für die Weltraumfans hörbar. Sie berichtete anschaulich und mit verblüffend prägnanten Demonstrationen von ihren Forschungsarbeit, bei der sie durch die Untersuchung der Schwingungen der Sterne eine genaue Altersklassifizierung durchführen kann.

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Wien bei Nacht (Bild: Carola Riegler)

Wie jedes Jahr verlieh auch heuer gegen Ende der Veranstaltung das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) den Polarsternpreis des Jahres 2015. Geehrt wurde Dr. Christian Brünner von der Universität Graz für seine Verdienste um die Etablierung des Weltraumrechtes als eigenständiges juristisches Fach in Österreich und sein Engagement in der Nachwuchsförderung.

Zum Ausklang des gelungenen Abends waren die Besucher dann nicht mehr zu halten und „stürmten“ die Terrasse des Urania-Dachsaals, um mit den Teleskopen der Wiener Astronomischen Arbeitsgemeinschaft (WAA), vor allem aber mit dem Großen Teleskop der Urania-Sternwarte die Planeten Venus und Jupiter und andere bekannte Himmelsobjekte zu beobachten. Gegen 23:00 Uhr wurden dann die letzten Gäste hinauskomplimentiert, um das Personal der Wiener Volkshochschulen, das für Yuris Night eine Sonntags-Sonderschicht eingelegt hatte, in den wohlverdienten Feierabend zu entlassen.

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Wien bei Nacht vom Dach der Urania-Sternwarte unweit des Schwedenplatzes (Bild: Carola Riegler)

Nachdem der letzte Gast gegangen war, alles wieder an seinem ursprünglichen Platz stand und alle Lichter gelöscht waren, führten die drei Orioniden, Maria Pflug-Hofmayr, Monika Fischer und Eugen Reichl gegen Mitternacht noch eine Nachbesprechung an einer typischen Einrichtung der Wiener Großstadtkultur durch: am „Würschtelstand“. In diesem Fall am Stand des nahe gelegenen Schwedenplatzes. Bei Käsekrainern, Burenwurst, Bier und Limo wurden dann schon einmal die ersten Pläne für Yuris Night 2016 geschmiedet, denn auch im kommenden Jahr lädt der „Förderkreis Astronomie und Raumfahrt „Der Orion“ alle Raumfahrtfans und Sternenfreunde am 12. April 2016 wieder zu Yuris Night ein. Das Programm und der Veranstaltungsort werden rechtzeitig auf www.der-orion.com bekannt gegeben.

Das deutsche APOD kann über die Plattform-Seite http://www.der-orion.com angesteuert werden. Er hat aber auch eine eigene URL über die er – versuchen Sie es ruhig mal – als Startbildschirm eingestellt werden kann. Die Adresse lautet dann: http://www.starobserver.org/

Diesen Bericht mit anderen Bildern und dem Medienecho zur Veranstaltung finden Sie auch hier

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

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