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Washington, we have a problem.

Die letzten Worte die Mike Griffin als NASA-Administrator an seine Mitarbeiter richtete lauteten: "As required, I have previously submitted my resignation as NASA Administrator, effective 1200 EST 20 January 2009. Having heard nothing to the contrary, I conclude that it has been accepted by President Obama".

Mit diesen galligen Worten verabschiedete sich Griffin von seinen Mitarbeitern, bevor er in einen längeren Ski-Urlaub verschwand. Der volle (aber trotzdem recht kurze) Text steht hier. Mike Griffin wäre gerne noch länger NASA-Administrator geblieben.  Sein Ziel: Amerikanische Astronauten zurück zum Mond und danach zum Mars zu bringen. Viele sind der Meinung, dass er der beste NASA-Administrator seit James Webb war. Zuletzt gab es sogar noch eine Internet-Kampagne mit dem viel sagenden Titel "Keep Mike", organisiert vom ehemaligen Astronauten Scott "Doc" Horowitz.

Doch es half nichts. Barak Obama verlängerte Mike Griffins Vertrag nicht.

 

Seit dem 19. Januar ist der Job des NASA-Administrators somit unbesetzt und das Personalkarussel rotiert.

Eigentlich war bereits im November vergangenen Jahres die Klärung der Nachfolge Griffins erwartet worden. Doch seitdem vergeht Woche um Woche, ohne dass sich etwas in dieser Richtung tut. Dafür tauchen in immer kürzeren Zeitabständen neue Namen auf nur um alsbald wieder in der Versenkung zu verschwinden.

Was geht uns das an, könnte man sich fragen. Aber ob es uns gefällt oder nicht: Die Wahl des NASA-Administrators hat Auswirkungen auf die Raumfahrtagenturen weltweit. Dort wo die NASA hingeht, gehen alle hin. Offiziell vertritt und realisiert der NASA-Administrator zwar nur den Willen und die Pläne der US-Regierung, faktisch aber liegt die Planungshoheit der Raumfahrtstrategie bei ihm. Wo sonst, als bei der Führung der NASA sollte eine US-Regierung sich eine Meinung zu Plänen und Visionen über die nächsten Ziele im Weltraum abholen. Das amerikanische Orion-Programm beispielsweise, so wie es jetzt dasteht, ist Mike Griffins Werk.

Die Kandidaten, die derzeit kommen und gehen fallen allesamt weder durch besonderen Esprit, durch Genialität oder auch nur durch besonders breit gestreutes Wissen auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrt auf. Es sind auch keine schillernden, publikumswirksamen Persönlichkeiten darunter. Allesamt sind sie brave Beamte, Militärs und Wissenschaftler, die bislang eher in der dritten oder vierten Reihe der Regierungsadministration zu sehen waren.

Als erster Kandidat war noch vor dem Jahreswechsel General Charles Bolden genannt, ein ehemaliger Shuttle-Pilot mit vier Missionen auf seinem Konto. Dass ein guter Astronaut und hochrangiger Militär nicht automatisch auch ein guter NASA-Administrator ist, kennen die Insider noch aus der Zeit von Richard "Dick" Truly. Unter dessen Leitung erlebte die amerikanische Raumfahrtbehörde ihre tiefste Phase der Agonie und Stagnation.

Nachdem Bolden wieder in der Versenkung verschwunden war, kam ein weiterer Militär in die Diskussion: Generalmajor Scott Gration. Ein hoch dekorierter Pilot (274 Kampfeinsätze im ersten Golfkrieg), der in seinen letzten Dienstjahren als politischer Berater tätig war. Seine einzige größere Leistung auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrt war ein einjähriger Job als Verbindungsmann zum Weißen Haus im Jahre 1982 für den damaligen stellvertretenden NASA-Administrator Hans Mark und die Mitarbeit an einem siebenseitigen Positionspapier zur Luft- und Raumfahrtpolitik, mit der Obama während des Wahlkampfs gefüttert worden war. Gration wurde bis vor wenigen Tagen für diesen Job gehandelt. So lange bis überraschend bekannt wurde, dass Obama ihn zum Gesandten für den Sudan berufen hatte.

Kandidat Nummer drei war wieder ein General, diesmal einer mit gleich vier Sternen, nämlich Lester Lyles. Er hat seine ganze Karriere hindurch Stabs- und Verwaltungsdienst gemacht was ihn zur Führung einer größeren Institution befähigen mag. Von ihm hatte man allerdings nur für einige Wochen gehört, danach war er aus dem Rampenlicht heraus.

Nun wurde zur Abwechslung ein Zivilist ausgeguckt: Steven Isakowitz. Der hat immerhin, obwohl auch eher ein Mann aus der vierten als aus der dritten Reihe, einige Raumfahrt-Erfahrung. In der Szene ist er bekannt als einer der drei Autoren des "International Reference Guide to Space Launch Systems", der internationalen Trägerraketen-Bibel. Momentan ist Isakowitz als CFO im Energieministerium tätig, also als kaufmännischer Leiter einer Institution, die in ihrer Größe durchaus mit der NASA vergleichbar ist. Und: Isakowitz hat einen soliden Namen in der Raumfahrtgemeinde, er ist Pragmatiker und der privaten Raumfahrt zugetan.

Doch gerade als sich die Raumfahrtgemeinde mit Isakowitz anfreundete, tauchte schon wieder ein neuer Name auf: Die Ex-Astronautin Mae Jamison. Ihre intellektuelle Befähigung ist unbestritten. Ihre Erfahrung mit der Leitung einer Institution über Abteilungsgröße hinaus aber schlichtweg nicht vorhanden. Ihr Name wurde im Zusammenhang mit Valerie Jarrett genannt, mit der sie zur Schule gegangen ist, und die jetzt als Beraterin für Obama arbeitet.

Inzwischen ist auch sie wieder von der Bühne abgetreten. Ebenso wie übrigens Isakowitz. Präsident Obama gab letzten Freitag bekannt, dass Steve Isakowitz CFO der Energiebehörde bleiben werde.

Mehr als zwei Monate sind jetzt seit Obamas Amtsantritt vergangen und weit und breit ist kein neuer NASA-Administrator in Sicht. Warten wir also auf Kandidaten Nummer sechs. Zwischendurch hörte man übrigens wieder von den Generälen Bolden und Lyles. Lester Lyles winkte inzwischen aber ab, und ließ verlauten, dass er an dem Job schon aus finanziellen Gründen nicht interessiert sei. Und für Charles Bolden kann sich niemand erwärmen, die Truly-Erfahrung sitzt noch tief.

Mehr als zwei Monate nach Obamas Amtsantritt ist die bedeutendste Raumfahrtbehörde auf diesem Planeten weiterhin ohne Chef. Und eben blubbert der nächste Name hoch: Chris Scolese. Das war der dritte Mann hinter Griffin und derjenige, der die NASA seit Januar als Interims-Administrator führt und sich dabei unauffällig verhält bis zur Selbstaufgabe. Er könnte also vielleicht NASA-Chef werden, nachdem er Tag für Tag mehr Übung in der Führung der Behörde bekommt. Wenn er nur nicht so farblos wäre.

Aber die Amerikaner und die Raumfahrtwelt brauchen sich wohl nicht auf ihn einstellen. Der nächste Bewerber um die Hand der Braut namens NASA ist nämlich schon im Anmarsch.  Pete Worden heißt der Kandidat der Woche. Zur Abwechslung mal wieder ein General. Aber mal einer, der schon bei der NASA ist, als Direktor der Ames Laboratories der NASA. Und jetzt ohne Häme: der hat wirklich Ahnung von Raumfahrt. So wie die Sache läuft, dürfte das allerdings schon fast eine Garantie dafür sein, dass er den Job nicht bekommt.

Somit gilt für die NASA weiterhin: Washington, we have a problem.

 

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

2 Kommentare

  1. Warum wurde denn nicht der Vertrag von Griffin verlängert? Dafür muß es doch auch irgendwelche Gründe gegeben haben oder wurde das einfach verschlafen?

    Man sollte erwarten können, daß Regierungswechsel und die anschließende Verteilung von Ämtern reibungsloser funktionieren …

  2. Liebe Petra,

    na ja, so ist es halt Brauch bei der Amtseinführung eines neuen US-Präsidenten. Kommt er aus dem anderen politischen Lager als sein Vorgänger, dann wird er meist die wichtigen Positionen in der Administration mit seinen eigenen Leuten besetzen. Die Leute des Vorgängers können dann ihre Sachen packen. Von dieser Regel gibt es aber auch Ausnahmen. Es gab durchaus schon NASA-Administratoren, die auch einen kombinierten Präsidenten- und Parteiwechsel in ihrem Amt überstanden haben. Griffin hat sich aber wohl durch seine unverblümte Art, die Dinge darzustellen, bei vielen nicht gerade beliebt gemacht. Er ist ein Freund klarer Worte und nicht des politisch korrekten, geschmeidigen „Schönsprechs“. Das mögen viele in Washington nicht. Die haben gerne jemanden, der berechenbar ist und loyal. Keinen Paradiesvogel und keine „loose cannon“ die der eigenen Karrieren möglicherweise schaden kann.

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