Powered Flight

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Powered Flight! Diesen Film hier muss man gesehen haben. Am 29. April hat SpaceShipTwo (SS2) den wahrscheinlich wichtigsten Einzel-Testpunkt in seiner Flugerprobung erfolgreich absolviert. Erstmals haben alle Komponenten des Systems zusammen gewirkt. Das Trägerflugzeug WhiteKnightTwo (WK2) und das Raketenflugzeug mit seinem Antrieb. Das bedeutet den Start in die entscheidende Phase des Testprogramms dieses weltweit ersten kommerziellen suborbitalen Raumfahrzeugs. In wenigen Monaten soll – nach weiteren Testflügen mit stetig zunehmender Brenndauer des Raketenmotors – die von der „Fédération Aéronautique Internationale (FAI)“ als „Grenze“ zum Weltraum festgelegte 100-Kilometer Höhenmarke, auch als „Karman-Linie“ bezeichnet, überschritten werden.

SpaceShipTwo – sieht nicht nur “spacig” aus, ist es auch. Credit: Virgin Galactic

Noch gibt es keine offiziellen Resultate von Virgin Galactic und Scaled Composites über den Verlauf des Testfluges heute früh über Mojave. Aber von unten sah alles prima aus, Geldgeber Richard Branson war jedenfalls begeistert.  

Die bisher bekannten Fakten sind folgende: Der Raketenmotor von SS2 war nach dem Absetzen vom Trägerflugzeug WhiteKnightTwo (WK2) für etwa 15 Sekunden in Betrieb. In dieser kurzen Zeit beschleunigte das Vehikel von etwa Mach 0,45 – der Geschwindigkeit der Kombination aus WK2 und SS2 im Moment des Abwurfs – auf Mach 1,2 und stieg dabei in flachem Steigflug von der Absetzhöhe in 14.500 Metern auf eine Höhe von etwa 17.000 Metern. Insgesamt war es der 115. Flug von WK2 und der 26. von SS2. Alle vorherigen Flüge von SS2 waren Gleitflüge gewesen. Die beiden Piloten an Bord von SS2 waren Mark Stucky und Mike Alsbury.

Dieses Bild stammt von einer Kamera im linken Seitenleitwerk Credit: Virgin Galactic

Die Spannung hatte sich bereits seit einer Weile aufgebaut. Obwohl es keine offiziellen Verlautbarungen gab, begannen sich in den letzten beiden Wochen die inoffiziellen Hinweise zu verdichten. Insbesondere die Tweets der Anwohner von Mojave – „Plane Crazy“ allesamt – die zum großen Teil bei den am Flughafen ansässigen Unternehmen wie Scaled Composites, Virgin Galactic, XCOR oder Stratolaunch arbeiten, meldeten zunehmenden Aktivitäten vor Ort. Spekulationen über das Missionsprofil und die Zusammenstellung der Besatzungen von Trägerflugzeug und SS2 machten in den Fachforen die Runde.

Lang hat es gedauert. Im April 2010, anlässlich des ersten „mated“-Fluges, also dem ersten Flug, bei dem WK2 und SS2 gemeinsam starteten, berichtete ich an dieser Stelle über das Vorhaben. Zu diesem Zeitpunkt war der Erstflug des WK2-Trägerflugzeugs schon 15 Monate lang Geschichte, denn der hatte bereits am 21. Dezember 2008 stattgefunden. Den ersten Solo-Gleitflug von SS2 gab es am 10. Oktober 2010.  Das Ziel der Durchführung raketenbetriebener Flüge musste aber aufgrund technischer Probleme immer weiter hinausgeschoben werden.

Immerhin wurden auch in der Zeit der Gleitflugversuche weitere wichtige Testpunkte abgearbeitet. Am 4. Mai 2011 wurde erstmals der patentierte Mechanismus erprobt, mit dem während des Fluges die Außenflügel nach oben geklappt werden können, wodurch man den Schwerpunkt des Vehikels nach unten verlagern und einen stabilen (aber dennoch ziemlich schaukeligen) Eintritt in die dichteren Luftschichten durchführen kann, ohne dass man Raketentriebwerke für die Lageregelung braucht.

Mit hochgeklappten Flügeln tritt SpaceShipTwo wieder in die Atmosphäre ein Credit: Virgin Galactic

Vor wenigen Wochen kündigte sich schließlich an, dass die raketenbetriebenen Flüge unmittelbar bevorstehen. An diesem Tag wurde ein Cold-Flow Test während des Fluges durchgeführt. Das sah bereits recht spektakulär aus, wenngleich bei diesem Vorgang praktisch kein Schub erzeugt wird. Dabei wurde das Ventil- und Leitungssystem mit „richtigem“ Oxidator erprobt. Im Falle von SS2 ist das Distickstoffmonoxid, besser bekannt als Lachgas. Die Sache ist durchaus kitzlig, wenn man sich vor Augen hält, dass es bei einem ähnlichen Versuch  – am Boden – am 26. Juli 2007 der bislang schwerste Unfall in der Geschichte der privaten Raumfahrt ereignete.  Dabei kam es zu einer Explosion, bei der drei Techniker von Scaled Composites getötet und drei weitere schwer verletzt wurden.

In den kommenden Monaten steht jetzt die Erweiterung des „Fligh Envelope“ an, was relativ schnell gehen könnte, verglichen mit den Zeiträumen, die bisher verstrichen sind. Auch sollte diese Phase nur vergleichsweise wenige Flüge umfassen, vielleicht acht bis zehn. Dann dürfte SS2 in seiner „Zielhöhe“ von etwa 120 Kilometern erreicht haben. Um sich an diese Höhe heranzutasten wird die Brenndauer des Raketenmotors von Flug zu Flug in Inkrementen von etwa 5 – 10 Sekunden verlängert.

Rückkehr nach dem Flug Credit: Virgin Galactic

Wesentlich mehr Flüge werden danach notwendig sein, um die Zertifizierung für den Personentransport zu erreichen. Für dieses Programm darf man wohl etwa 30-40 weitere Flüge ansetzen. Die daran anschließenden ersten  Passagierflüge stellen zunächst noch eine Erweiterung der Testphase dar, eine Art Vor-Indienststellungsphase.  Alle Flugteilnehmer müssen übrigens einen Liability Cross-Waiver von Virgin Galactic unterzeichnen: Einen gegenseitigen Verzicht auf Schadenersatz für den Fall, dass irgendetwas passiert.

Richard Branson hat schon anklingen lassen, dass er beim ersten dieser Flüge, und das könnte in etwa 15 Monaten soweit sein, persönlich mit dabei sein will. Die ersten Einsätze sind die Flüge mit den so genannten „Foundern“. Das sind die Passagiere, die von Anfang an das Konzept geglaubt und sich schon früh zu diesem Abenteuer entschlossen haben. Und, das sollte man auch nicht übersehen, die auch bereit sind, das bei diesen ersten Einsätzen mit den „Spaceflight Participants“ erhöhte Risiko zu tragen.

Bei einer dieser allerersten Flüge wird auch Sonja Rohde sein (im vorletzten Bild dieses Beitrags) und damit zur ersten deutschen Frau im Weltraum werden.

Von links: Cheryl Stucky, die Frau des Testpiloten Mark Stucky (zweiter von links), Richard Branson und Virgin Galactic Präsident George Whitesides Credit: Mark Greenberg

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

8 Kommentare

  1. Erstaunlicher Aufwand für so Wenig

    Fast so gewissenhaft wie bei der Zivilluftfahrt scheint es hier bei Virgin Galactic’s zukünftiger Suborbitalsparte zuzugehen. Es braucht schon eine gehörige Portion Enthusiasmus und Optimismus ein solch langwieriges Prozedere zu durchlaufen nur um am Schluss in der Lage zu sein, für ein paar Minuten die Atmosphäre verlassen und auf 100 km Höhe die gute Aussicht geniessen zu können.

  2. Suborbitalflüge vs reusable rockets

    Elegant und kompliziert mutet der Aufstieg von Space ship 2 an: Zuerst der Transport auf große Höhe, dann das Ausklinken und Aufsteigen, schliesslich sogar noch schwenkbare Flügel. Doch mehr als zu Subrbitalflügen reicht das nicht. Mit der jetzt von SpaceX verfolgten Wiederverwendarkeit von Raketenstufen wie sie im Grasshopperprogramm erprobt wird öffnen sich sehr viel mehr Möglichkeiten und das bei einer insgesamt sicheren, erprobten Technologie, der Technologie der mehrstufigen Rakete. Funktioniert es, könnte man in Zukunft sogar zivile Interkontinentalflüge damit absolvieren und zwar mit einer 2-stufigen Konfiguration in der bereits die zweite Stufe die Passagiere aufnimmt und wo diese 2. Stufe nach dem Wiedereintritt mittels Hitzeschild mit dem Resttreibstoff die Triebwerke zündet um sicher und sanft am Zielort zu landen.. Auch die erste Stufe würde auf diese Art zurückkommen (allerdings ohne Hitzeschild). Bei 100 Passagieren könnte ein Flug London- Sidney damit weniger als 5000 Euro kosten und weniger als 2 Stunden dauern.
    Fazit: Das scheinbar zu einfache bietet oft mehr als das Ambitioniete und Komplizierte.

  3. Also da würde mich doch mal interessieren, was Herr Khan dazu zu sagen hat?
    Ich selber bin mir nicht so sicher, ob das so der Hit ist.

  4. Falcon als Personentransportrakete?

    Ich denke nicht, dass es sinnvoll bzw. bezahlbar ist, mit der Falcon 9 eine große Anzahl Menschen zu transportieren. Wenn man den von Martin Holzherr projektierten Kosten geht, so würde die gesamte Mission 500 000€ kosten. Die Falcon 9 kostet mittlerweile alleine! etwa 50 mio. €. Selbst wenn die Stufen wiederverwendbar sind, was mit großen Nutzlasteinbußen verbunden sein wird, kann man die Kosten nicht so weit senken. Außerdem soll ein Triebwerk bereits bei einem Flug durch “zu viel Testen” ausgefallen sein, was auf eine kurze Lebensdauer hindeutet und Wiederverwendung ohne vorherige Modifikationen ausschließt. Außerdem habe ich meine Zweifel, ob die Falcon 9 wirklich eine Kapsel mit 100 Personen in die Nähe der Kreisbahngeschwindigkeit beschleunigen kann, zumal SpaceX in der Vergangenheit seine sehr optimistischen Nutzlastangaben nicht halten konnte. Zudem ist ein leistungsfähiges Startrettungssystem notwendig, abgesehen von der Bodeninfrastruktur. Ich denke, man würde hier eher bei 10-20 Personen pro Flug und 100 mio.€ + x Kosten pro Flug landen.

  5. @Niels Harksen:Raketenflügebleiben teuer

    Ich stimme ihnen zu, dass es noch viele Jahre dauern wird bis die Kosten eines Transports in den Orbit in den Bereich von 100 bis 200 Dollar pro Kilogramm fallen. Die Falcon 9 wird zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr aktuell sein. Doch das langfristige Ziel von SpaceX ist die Wiederverwendbarkeit aller Stufen inklusive der Raketentriebwerke. Dazu müssen in der Tat alle Komponenten inklusive der Triebwerke mehrfach (100 Mal oder mehr) wiederverwendbar sein und für diese Wiederverwenbarkeit auch designt werden. SpaceX will ihre Raketen “schnell” wiederverwenbar machen, so dass sie ohne lange Wiederinstandstellung nach der Landungung wieder starten können. Insoweit eine ähnliche Zielsetzung wie die von Reaction Engines, die ihren Single Stage to Orbit

  6. @Niels Harksen: Raketen bleiben teuer

    Ich stimme ihnen zu, dass es noch viele Jahre dauern wird bis die Kosten eines Transports in den Orbit in den Bereich von 100 bis 200 Dollar pro Kilogramm fallen. Die Falcon 9 wird zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr aktuell sein. Doch das langfristige Ziel von SpaceX ist die Wiederverwendbarkeit aller Stufen inklusive der Raketentriebwerke. Dazu müssen in der Tat alle Komponenten inklusive der Triebwerke mehrfach (100 Mal oder mehr) wiederverwendbar sein und für diese Wiederverwenbarkeit auch designt werden. SpaceX will ihre Raketen “schnell” wiederverwenbar machen, so dass sie ohne lange Wiederinstandstellung nach der Landungung wieder starten können. Insoweit eine ähnliche Zielsetzung wie die von Reaction Engines, die ihren Single Stage to Orbit Flugkörper Skylon ebenfalls viele Male und ohne Überholung wie bei den Space Shuttles nötig einsetzen will.
    Elon Musk hat angekündigt, dass alle kommenden SpaceX-Raketen, also auch die Falcon Heavy und die Falcon XX, welche  200 Tonnen Nutzlast in den Orbit transportieren soll und mit Methan als Treibstoff arbeitet, wiederverwendbar sein werden.
    Musk kann sich einen Preis von 200 Dollar pro Kilogramm (Zitat)”Musk tells us that with daily flights, the cost will run about $100 per pound. For the average male, that means about 20,000 bucks. Start saving your money. ”  vorstellen, wenn das System genügend reif ist. Für die nähere Zukunft rechnet er aber mit Preisen von 1000 Dollar pro Kilogramm Nutzlast, was immer noch deutlich weniger ist als heute üblich ist.

  7. @Martin Holzherr “Raketen bleiben teuer”

    Zum Thema SpaceX: Die Falcon 9 sollte laut SpaceX auch unschlagbar billig sein, und mittlerweile liegt man bei 50 mio pro Start. Wenn Musk sich niedrige Startpreise vorstellt, heißt das noch lange nicht das es auch so kommt, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Auch die Nutzlast konnte Space X offensichtlich nicht genau berechnen, wieso sollte es dann bei den Kosten klappen?
    Zum Thema Skylon: Das Konzept ist ziemlich futuristisch. SSTO-Raketen sind immer ziemlich anfällig gegenüber ansteigenden Leermassen, was der Venture Star gezeigt hat. Damit es sich wirklich lohnt, muss ein wiederverwendbarer Raumtransporter auch Nutztlasten in den GTO bzw. andere höhere Bahnen befördern. Dazu wird eine im Idealfall hochenergetische weitere Stufe benötigt, die dann kaum Platz in der kleinen Nutzlastbucht lässt. Das zu Beginn luftatmende Triebwerk mag vielleicht funktionieren, wird aber zwangsläufig recht komplex. Dazu kommt, dass man für Wiederverwendung an vielen Punkten ans technische Limit gehen muss, was die Lebensdauer der Teile einschränkt. Durch große Investitionen in Forschung und Entwicklung lassen sich einige der Probleme sicher lösen, doch hat die dadurch mögliche Reduzierung der Kosten Grenzen. Man darf nicht vergessen, dass auch Wartung kostet, wofür das Space Shuttle ein Negativbeispiel ist.

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