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24 Stunden zuvor hatte es einen etwas kryptischen Tweet von Elon Musk gegeben: “SpaceX announcement tomorrow at 1pm PST”. Tags darauf, am 27. Februar gab Musk dann in einer gerade einmal fünf Minuten dauernden Videokonferenz (bei welcher der Videoteil nie funktionierte) bekannt, dass SpaceX von zwei Personen mit dem Wunsch nach einer privaten zirkumlunaren Mission kontaktiert worden sei. Der echte Hammer an dieser Ankündigung war neben dem Ziel vor allem der Termin: Ende 2018.

Ein Crew-Dragon der US-Raumfahrtfirma SpaceX soll Ende 2018 zum Mond. Credit: Space.com

Die Meldung war ein Schock für die NASA. Denn die plant ein ähnliches Vorhaben, allerdings um Größenordnungen aufwendiger und teurer. Übrigens war nicht nur die NASA überrascht, sondern auch die SpaceX-Mitarbeiter. Die hatten von dem Projekt zuvor auch noch nichts gehört.

Die Namen der beiden potentiellen Mondflugkunden gab Musk nicht bekannt. Er erklärte lediglich, dass “sich die beiden Personen gegenseitig kennen” dass sie keine “Hollywood-Celebrities” seien, und dass sie für das Vorhaben bereits eine signifikante Vorauszahlung geleistet hätten.

Musk meinte weiter, die Kosten der Mission lägen – auf einer “pro Person-Basis” berechnet – geringfügig über dem, was die NASA pro Sojus-Sitz an Roskosmos bezahlt. Dieser Betrag liegt zurzeit bei 80 Millionen Dollar. Man kann also davon ausgehen, dass Musk seinen Kunden die zirkumlunare Mission für insgesamt etwa 200 Millionen Dollar angeboten hat.

Die beiden Passagiere sollen mit der neuen SpaceX-Großträgerrakete Falcon 9 Heavy in Richtung Mond geschickt werden. Als Raumschiff wird die ebenfalls neue Dragon V2-Kapsel eingesetzt, inzwischen besser bekannt unter der Bezeichnung “Crew-Dragon”. Sie ist, zusammen mit der Falcon 9 (in ihrer Normalversion), eines der Systemelemente der beiden zukünftigen bemannten Raumtransportsysteme der USA (das andere ist die Atlas 5/Starliner-Kombination) für Flüge zur Internationalen Raumstation.

Der Crew-Dragon müsste, so Elon Musk, für den Mondflug nur geringfügig modifiziert werden. Es gälte lediglich das Kommunikationssystem zu verstärken, um die Funkverbindung mit dem Raumfahrzeug aus dem tieferen Weltraum zu ermöglichen. Das Lebenserhaltungssystem könne dagegen unverändert bleiben. Im Übrigen wäre der Crew-Dragon von vorneherein strukturell und von der Beschaffenheit des Hitzeschildes für einen Eintritt in die Erdatmosphäre mit annähernd 40.000 Kilometer pro Stunde ausgelegt.

Wie kann das Vorhaben ablaufen?

So sensationell sich der Plan anhört, von einem rein astronautischen Standpunkt her ist das Vorhaben nicht übermäßig anspruchsvoll. Im Gegensatz zum Verständnis vieler Menschen handelt es sich bei einem zirkumlunaren Flug um nichts anderes als den Einschuss in eine hoch elliptische Erdumlaufbahn mit einem Apogäum in einem Erdabstand von etwa 400.000 Kilometern. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem im Scheitelpunkt der Bahnellipse gerade der Mond vorbeikommt. Es gibt für einen solchen Flug eine Reihe von Bahnvarianten, unter anderem auch die seinerzeit für Apollo 13 gewählte “slingshot”-Bahn, bei der die Schwerkraft des Mondes ausgenutzt wird, um eine Schleifenbahn in der Form einer Acht in geringem Abstand vom Mond herum zu beschreiben und dessen Schwerkraft auszunutzen, um eine präzise Rückkehrbahn zur Erde zur erzielen.

So sah die zirkumlunare Flugbahn von Apollo 13 im Jahre 1970 aus. Credit: NASA

SpaceX wird also nicht, wie in manchen Mainstream-Medien behauptet wurde, eine Mondumlaufbahn ansteuern (und wäre dazu mit der “Wurfleistung” einer einzelnen Falcon 9 “Heavy” Trägerrakete auch nicht in der Lage). Und schon gar nicht wird SpaceX eine Landung durchführen.

Beim SpaceX-Flug wird dagegen vermutlich eine Bahn angestrebt, wie sie im sowjetischen Zond-Programm in den sechziger Jahren mehrfach abgeflogen wurde. Erde und Mond werden dabei auf einer einfachen elliptischen Bahn quasi außen umkreist. Sie wäre flugtechnisch einfacher zu handhaben als die Apollo 13 – Variante und ist wohl auch im Interesse der beiden Passagiere, die offensichtlich neben dem Mondvorbeiflug gleich auch noch den Entfernungsrekord zur Erde brechen wollen. Musk sprach nämlich in seiner Ankündigung von 400.000 Meilen, was 640.000 Kilometer wären, also mehr als 200.000 Kilometer über die Mondbahn hinaus in den translunaren Raum. Nicht ganz zu dieser Distanz passt lediglich, dass Musk von einer Gesamtflugdauer von einer Woche gesprochen hat. Möglicherweise ist ihm hier ein Fehler unterlaufen, und er meinte 400.000 KILOMETER und nicht Meilen. Die offizielle SpaceX-Verlautbarung, die der Telekonferenz nachgeschoben wurde, nimmt zur Entfernung keine Stellung.

Egal wie weit es am Ende tatsächlich hinausgeht, der Missionsablauf wäre in etwa wie folgt:

  • Eine Falcon 9 “Heavy” startet mit einer Crew Dragon von der Startrampe 39A des Kennedy Space Center zunächst in eine niedrige Erdumlaufbahn.
  • Von dort erfolgt nach Erreichen des Einschussfensters eine zweite Zündung der Falcon 9-Oberstufe, welche die Crew Dragon auf die gewünschte hochelliptische Erdumlaufbahn bringt.
  • Etwa am dritten Flugtag umfliegt die Kapsel den Mond (oder fliegt daran vorbei, weiter in Richtung translunarer Raum)
  • Die Landung erfolgt, bei einer etwa 400.000 Kilometer langen Ellipse etwa am sechsten oder siebten Flugtag. Bei 640.000 Kilometern erst nach einer deutlich längeren Zeit.
  • Der gesamte Flug verläuft vollständig automatisch. Außer den beiden “Passagieren” befindet sich niemand an Bord, auch kein Crew-Mitglied von SpaceX.

Inspirational Mission und die NASA

Die Nachricht kam weniger als zwei Wochen nach der Ankündigung der NASA, dass sie eine Studie in Auftrag gegeben habe, um zu prüfen, ob der erste Testflug einer Orion auf der neuen SLS-Rakete mit einer Crew an Bord geflogen werden könnte. Bisher war stets eine unbemannte Mission vorgesehen gewesen, und zwar ebenfalls für Ende 2018. Auch diese Mission hätte eine freie Rückkehrbahn in Richtung Mond beinhaltet (Nebenbei: Im Dezember 2018 ist der 50. Jahrestag der Mission von Apollo 8, die in eine Mondumlaufbahn führte und den Erdtrabanten dabei 10mal umkreiste, also wesentlich anspruchsvoller war, als das was Elon Musk und die NASA planen).

Musk gab nicht bekannt, ob seine Ankündigung durch die Meldung der NASA beeinflusst wurde. Er meinte allerdings, dass die NASA stets Priorität vor Privatkunden bekäme.

Elon Musk bezeichnete den Flug als “Inspirational Mission”. Und das wäre es wohl. Seit dem Dezember 1972 ist kein Mensch mehr weiter als 650 Kilometer in den Weltraum vorgestoßen. Das entspricht noch nicht einmal der Entfernung von München nach Hannover. Da kann man schwerlich von “Deep Space” sprechen.

Die NASA selbst gab sich recht schmallippig, ob dieser Ankündigung. Es war spürbar, dass der Vorstoß von Elon Musk nicht so recht ins NASA-Kalkül passt. In einem Statement der Raumfahrtagentur hieß es, dass es die NASA generell begrüße, wenn Unternehmen wie SpaceX solche Missionen vorschlügen. Gleich im zweiten Satz gibt es aber einen deutlichen Hinweis in eine andere Richtung, wo es wörtlich heißt “We will work closely with SpaceX to ensure it safely meets the contractual obligations to return the launch of astronauts to U.S. soil and continue to successfully deliver supplies to the International Space Station.” Der Seitenhieb ist deutlich: Kommt erst einmal euren vertraglichen Verpflichtungen nach, bevor ihr euren privaten Weltraumabenteuern durchführt.

Sollte es SpaceX tatsächlich gelingen, einen bemannten Mondflug für lediglich 200 Millionen Dollar durchzuführen (das ist weniger als ein Hundertstel der Summe, welches die NASA bislang für das Orion/SL-Programm ausgegeben hat) dann stände die US-Raumfahrtbehörde ziemlich beschädigt da, auch wenn es beileibe nicht ihre Schuld ist, dass sie das gigantische Orion-Programm durchführen muss.

Meine Einschätzung

Nun zu den harten Fakten: Weder die Falcon 9 “Heavy” noch die Crew Dragon sind bisher geflogen. Der Erstflug der Heavy ist, nach vielen Verzögerungen,  für den Herbst  angesetzt. Die Crew-Dragon soll im November dieses Jahres einen unbemannten Erstflug durchführen, und im Mai 2018 erstmals mit Besatzung eingesetzt werden. Diese Flüge erfolgen auf der Block 5 Version der Standard-Falcon 9 (die im Übrigen auch noch nicht geflogen ist), und sie gehen nur in einen niedrigen Erdorbit (zur ISS) und nicht in Richtung Mond. Die translunare Bahn erfordert eine zusätzliche Geschwindigkeit gegenüber einer Erdorbit-Mission von mehr als 10.000 Kilometern pro Stunde.

Für einen Flugtermin Ende 2018 befinden sich beide Missionskomponenten somit in einem sehr frühen Stadium ihres Lebenszyklus. Zu diesem Zeitpunkt wird die Falcon 9 Heavy kaum mehr als etwa drei bis vier Missionen absolviert haben. Der Crew-Dragon könnte dann ebenfalls gerade mal seinen dritten Flug hinter sich haben.

Wenn es bei SpaceX zu keinen größeren negativen Ereignissen kommt (damit meine ich vor allem detonierende Raketen) dann halte ich es für möglich, dass Elon Musk gegen Ende 2019 oder Anfang 2020 diese Mission tatsächlich durchführen könnte. Vernünftigerweise nicht vor dem vierten oder fünften bemannten Flug eines Crew-Dragon zur ISS und dem siebten oder achten Einsatz einer Falcon 9 “Heavy”. Aber auch dann findet die Sache mit Sicherheit noch vor dem ersten bemannten Flug des Space Launch System der NASA statt.

Abschließend: SpaceX hat ein Grundproblem, das gleichzeitig das Faszinosums dieses Unternehmens ausmacht: In vielen Bereichen ihrer Raumfahrtentwicklungen sind sie dem Feld ihrer Verfolger weit voraus. Sie tun Dinge, die noch niemand zuvor getan hat. Und das bedeutet, sie werden Fehler machen. Einfach deshalb, weil sie nicht auf die Erfahrungen anderer zurückgreifen können. Deswegen dürfte es auch in Zukunft immer wieder mal zu empfindlichen Rückschlägen kommen.

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Ich bin Raumfahrt-Fan seit frühester Kindheit. Mein Schlüsselerlebnis ereignete sich 1963. Ich lag mit Masern im Bett. Und im Fernsehen kam eine Sendung über Scott Carpenters Mercury-Raumflug. Dazu der Kommentar von Wolf Mittler, dem Stammvater der TV-Raumfahrt-Berichterstattung. Heute bin ich im "Brotberuf" bei Airbus Safran Launchers in München im Bereich Träger- und Satellitenantriebe an einer Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Technik tätig. Daneben schreibe ich für Print- und Onlinemedien und vor allem für mein eigenes Portal, "Der Orion", das ich zusammen mit meinen Freundinnen Maria Pflug-Hofmayr und Monika Fischer betreibe. Ich trete in Rundfunk und Fernsehen auf, bin Verfasser und Mitherausgeber des seit 2003 erscheinenden Raumfahrt-Jahrbuches des Vereins zur Förderung der Raumfahrt (VFR). Aktuell erschien in diesen Tagen beim Motorbuch-Verlag "Interkontinentalraketen". Bei diesem Verlag sind in der Zwischenzeit insgesamt 16 Bücher von mir erschienen, drei davon werden inzwischen auch in den USA verlegt. Daneben halte ich etwa 15-20 mal im Jahr Vorträge bei den verschiedensten Institutionen im In- und Ausland. Mein Leitmotiv stammt von Antoine de Saint Exupery: Wenn du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Menschen zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge zu verteilen und Arbeit zu vergeben, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem weiten unendlichen Meer. In diesem Sinne: Ad Astra

6 Kommentare

  1. “Die Meldung war ein Schock für die NASA. Denn die plant ein ähnliches Vorhaben, allerdings um Größenordnungen aufwendiger und teurer.”

    Möchte nicht auch die ESA gemeinsam mit den Russen zum Mond? Laut SPON drängt Präsident Trump die NASA zu einem früheren Termin und SpaceX möchte vermutlich nicht ins Hintertreffen geraten. Findet da jetzt eine Art Wettbewerb statt?
    http://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/nasa-donald-trump-will-astronauten-schnell-ins-all-schicken-a-1136371.html

    • Die Russen kann man wohl abschreiben. Russland bringt raumfahrttechnisch nur dann noch was auf die Reihe, wenn es aus dem Westen bezahlt wird: Beispiel: das RD-180 Triebwerk für die Atlas 5, Komponenten und Triebwerke für die Antares 2 von Orbital Sciences und ähnliches. Den Mond haben die Russen seit 1976 nicht mehr erreicht. Russland hat lange aus der Substanz der in der Sowjetunion gemachten Entwicklungen gelebt. Aber das hält jetzt nicht mehr vor. Als Raumfahrtmacht ist Russland inzwischen auf den dritten Platz hinter den USA und China abgerutscht. Substanzielle europäische Plane mit den Russen zum Mond zu fliegen sind mir nicht bekannt. Bekannt ist vor allem das Vorhaben ExoMars 2020, für das Russland den Lander zur Verfügung stellen soll.

      Was aber tatsächlich läuft, ist in den USA eine Attacke der Privaten Raumfahrtunternehmen auf das Orion-Programm der NASA. SpaceX und Blue Origin machen der Raumfahrtbehörde eindeutig Konkurrenz. Hier herrscht eine fruchtbare und kreative Konkurrenzsituation, die nach Jahrzehnten der Stagnation endlich wieder Forschritte im Raumtransport bringt.

  2. Wenn Elon Musk sagt, Ende 2018, dann kann es nicht vor 2019 sein. Denn praktisch alle seine Terminankündigungen wurden nicht eingehalten, sondern später realisiert.
    Bezüglich NASA gilt: SpaceX ist auf die NASA angewiesen. Sie ist einer der wichtigsten Kunden von SpaceX. Wenn die NASA SpaceX ausbremsen will, dann dürfte ihr das gelingen.

  3. Ich frage mich ab und zu, ob es eigentlich Kalkül ist, dass die NASA immer wieder Projekte wie das Space Launch System anschiebt, die zum Scheitern verurteilt sind. Ein einziger Start eines Space Launch Systems soll bereits mehr als eine Milliarde Dollar kosten, so dass die NASA beim heutigen Budget weniger als einmal pro Jahr starten kann.

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