Kult und Aberglaube

BLOG: Archäologische Spatenstiche

Anregungen zur Umwelt der Bibel
Archäologische Spatenstiche

Israel wurde nicht weniger von anderen Kulturen und Religionen beeinflusst als dies bei anderen Staaten dieser Zeit der Fall war. Der Austausch von Religionen, Kulten und vielem mehr wurde vor allem durch die häufigen Kriege begünstigt und den damit wechselnden Oberherrschaften, die natürlich den unterworfenen Völkern und Regionen ihren Stempel mehr oder weniger stark aufdrücken wollten.

Israel stellt insofern eine Ausnahme dar, dass es nur hier das Gebot gab monotheistisch zu leben. Es sollte die heilige Aufgabe sein Gott zu dienen, während die Völker um sie herum bereits einen ausgebildeten Naturkult betrieben. Dies war wohl nicht so einfach, aufgrund der vielen Einflüsse der umliegenden Völker und teilweise der vermuteten Verbote einer Ausübung der eigenen Religion unter der Oberherrschaft der Philister.

So ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass Israel mehrfach von Gott „abfiel“. Jahwe hatte sehr genaue Vorstellungen davon wie man ihm dienen sollte. So gab es natürlich auch viele Dinge, die man in Bezug auf die Anbetung falsch machen konnte. Nur selten vergaßen sie Jahwe völlig, verehrten ihn allerdings auf heidnische Weise (z.B. das Anfertigen von Bildern) oder verehrten nicht ihn allein, sondern neben anderen Göttern. Dies waren Verstöße gegen das erste und das zweite Gebot.

So stellte Jerobeam I Stierfiguren an den Heiligtümern in Betel und Dan auf als Abbilder Jahwes (1. Kö 12,28f; Hos 8,4-6).

Außerdem fürchtete sich das Volk vor verschiedenen Geistern und brachte ihnen Opfer dar. So wurde die Schlange sehr häufig verehrt und man brachte einer ehernen Schlange auf dem Tempelplatz sogar Räucheropfer dar, was erst von Hiskia unterbunden wurde (2. Kö 18,4). Außerdem schien auch der Totenkult, der sich ebenfalls aus dieser Furcht vor Geistern entstanden sein könnte. Man versorgte die Toten mit Nahrung (5.Mo 26,14) und nannte Götterwesen oder Geisterwesen (1.Sam 28,14). Man glaubte darüber hinaus, dass sie über ein höheres Wissen verfügten und sie darüber befragen konnte (5.Mo 18,11). Gott verbot dem Volk ganz ausdrücklich jeglichen Kontakt mit den Toten, wie z.B. Beschwörungen oder jegliche Trauerriten (5.Mo 14,1f; 3.Mo 19,27f).    

Jeremia warf dem Volk des Weiteren vor, dass sie alte Kultstätten, die sie beim Einzug in das Land zerstört hatten, wieder verwendeten um den Naturkult, wie die Anbetung von Bäumen und Steinen, wieder zu praktizieren. Im Zuge dieses Naturkultes sind wohl auch die Menschenopfer an zu siedeln. Diesen schrecklichen Brauch findet man bei vielen Völkern rund um den Globus, sowohl bei hoch entwickelten als auch bei relativ primitiven Kulturen. Einige Staaten, wie Ägypten oder Babylonien, unterdrückten diesen Brauch relativ rasch, was in Israel scheinbar nicht erfolgte, vielleicht aus dem Grund, dass das Staatswesen in Israel noch nicht  so weit entwickelt war wie es das in anderen Regionen der Fall war. Wie schwer dieser Ritus des Menschenopfers wirklich war, zeigt das Verbot des Hadrian. Von Laktantius (Zeitgenosse des Konstantin) hören wir allerdings, dass solche Bräuche bis ins 4. Jahrhundert von den Römern durchgeführt wurden.

Der wohl bekannteste Abfall von Gott ist die Verehrung des Gottes Baal. Baal ist ein allgemeiner Name für „Herr, Gott“. Es ist nicht ganz klar, was mit dem Dienst an diesem Gott Baal gemeint ist. Es scheint viele verschiedene Götter mit diesem Namen in Kanaan gegeben zu haben (z.B. Baal berit: Ri 9,4; Baal von Gad; Baal sebub: 2.Kö 1,2ff). Obwohl die Israeliten die Sieger in Kanaan waren, behielt der Gottesdienst für Baal eine große Bedeutung und allmählich wurde der Unterschied zwischen der Anbetung an Baal und an Jahwe immer kleiner. Dies fand in der Bevölkerung eine große Verbreitung.

Das weibliche Pendant zu Baal stellt die Astarte dar, die ebenso wie er in Israel verehrt wurde. Eine verwandte Gottheit ist die Aschera, die man ursprünglich als gleiche Gottheit sah. Dies stellte sich allerdings aufgrund von Inschriften aus Amarna, Taanak und einer Inschrift Hammurabis als falsch heraus.

Natürlich gab es auch fremdländische Götter, die in Israel Fuß fassten. Dafür gab es verschiedene Gründe: Zum einen wurden z.B. unter Salomo Heiligtümer und Kultstätten verschiedener Götter für fremdländische Mitglieder gebaut, um seine Toleranz zu demonstrieren (1.Kö 11,7f) und um vielleicht den Handel zu fördern. Aber nicht nur vom Staatswesen wurden diese Götter aufgenommen, sondern auch vom Volk selbst. So wurden vor allem die assyrischen Götter vermehrt verehrt, weil man die Macht eines Gottes vor allem an der Macht der Untertanen maß.

Im Zuge der vielen Einflüsse, die man unter „Götzenanbetung“ oder dem Zurückkehren zum Naturkult zuordnen könnte, entwickelten sich auch Bräuche, die nichts direkt mit einem Kult zutun haben. Als Sammelbegriff könnte man hier „Zauberei und Wahrsagung“ nehmen. Aus der Bibel erfahren wir von Leberschauen (4.Mo 23,4; Ez 21,26) der Beobachtung des Spiels im Becher (1.Mo 44,5). Des Weiteren glaubte man, dass sie Unglück über ganze Völker bringen und Regen „zaubern“ konnten (3.Mo 22; 2.Mo 7f). Sie verteilten Amulette und Figuren, die als Schutz für die verschiedensten Dinge gedacht waren, wie Schutz in der Schwangerschaft, für das Vieh oder gegen den bösen Blick. Viele solcher Amulette und Figuren fand bei Ausgrabungen in Gräbern und Häusern.

So kann man abschließend sagen, dass Israel in Bezug auf Polytheismus und Aberglaube kein unbeschriebenes Blatt war. Aber im Gegensatz zu den umliegenden Kulturen, fanden sich in Israel immer wieder Menschen, die dem Volk ins Gewissen redeten und zurück zu Jahwe führten, sodass sich diese Strömungen nie vollständig und endgültig durchsetzen konnten, sondern sich immer mit Phasen abwechselten, wo sich Israel als Volk Jahwes wiederentdeckte und zu diesem Wurzeln zurückkehrte, wenn vielleicht auch nie zu 100 Prozent.

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Erika Gitt studierte an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster in den Fächern: Vorderasiatische Altertumskunde, Koptologie und Früchchristliche Archäologie und promoviert derzeit in Münster im Fachbereich Vorderasiatische Altertumskunde mit dem Thema "Neuassyrische Palastware und deren Imitate in der Levante während der Pax Assyriaca". Seit 2007 ist sie Mitglied der AG für Biblische Archäologie. Erika Gitt hatte bereits in der Kindheit großes Interesse an vorderasiatischer Geschichte und Kultur, speziell für die Levante.

4 Kommentare

  1. Der ewige Streit zwischen Logos : Mythos

    In der gesamten theologischen Wissenschaft kristalliert sich immer mehr heraus, wie die ewige Reise nach Jerusalem (Landnahme) immer mehr darin bestand, mystische Zaubergötter nach menschlicher Machart immer wieder neu zu negieren. Längst fragt die Forschung auch beim Exils- und Exodusgeschehene nicht mehr nach mystischen Erscheinungen, sondern denkt über antike Glaubensausklärungen nach, jeweiligem Wandel vom Myhtos zum Logos.

    Doch ging es dabei nur um einen neuen Gott. War die Unterscheidung Moses nur eine Überhebung des eigenen Mythos-Gottes gegenüber Göttern? (Was wir meist einfach so voraussetzen, weil auch heute so etwas wie ein Mythos den gedachten oder vor-gesetzten Gott begründen muss) Oder war es das “Wort” des selbst Unsagbaren (mit Jahwe nur umschrieben), das die Propheten an Stelle der alten selbstgebastelten mystischen Gottesgestalten rückten?

    Worauf will ich hinaus?

    Müssen die neuen Erkenntnisse über das AT nicht auch das NT (und damit auch den Grund der griechisch-jüdischen Glaubensauflärung, erneuten Wandel vom Mythos zum Logos) in völlig neuem Licht erscheinen lassen: Nach der Logik, kosmisch realen Weisheit fragen lassen, die damals in rationaler griechischer Welterklärung lebendig war, als Messias mit Namen Jesus (der Unsagbare der Väter ist mit uns) verstanden wurde?

    Und was hat die Erkenntnis vom ewigen Kampf zwischen “Kult und Aberglaube” für uns heute zu sagen, wo wir in der Evolutionslehre erneut wieder eine logische Welterklärung in Händen halten, die jetzt echt rund um den Erdball gilt: Als vernüftig optimierender kreativer=schöpferischer Mechanismus gemeinsame Bestimmung, weltvernünftige VerantWORTung geben könnte?

  2. Gott und die Götter

    Zurecht betont Erika Gitt wie stark der Glaube an den “Einen Gott Jahwe” im alten Israel immer wieder von anderen Formen der Religiösität geprägt und auch in Frage gestellt wurde. Kennen wir im Alten Testament (d.h. in der hebräischen Bibel) vorgründig der Glaube an den einzigen wahren Gott Jahwe – d.h. sowie er uns von den Autoren vermittelt wird – so war der Alltag in Israel – sowohl im stattlichen Kult in Jerusalem wie auch im privaten Bereich – ganz und gar durchwachsen von lokalkanaanäischem und ausländischem Gedankengut. Denn vor allem die reiche Ikonographie der privaten Siegel lässt sehen wie viele Menschen auch im alten Israel eng an religiösen Fruchtbarkeitstraditionen des Landes der Baalim und Astarot (vor allem in der früheren Eisenzeit) wie auch später unter Einfluss der assyrischen und babylonischen Grossreiche Bilder anknüpften, die so im “biblischen” Glauben vom frommen Kern der Jahwegläubigen wohl nicht akzeptiert werden konnte (z.B. der Kampf des Baal mit Leviatan, die Formen des Mutterkultes, oder später auch die solare und lunara Verehrung Jahwes in Jerusalem). Auch wenn manche Beschreibungen Jahwes bei den Propheten und Psalmisten bewusst Jahwe oder El Eljon als kosmischer Krieger schildern, so ist dies m. E. eher als eine Herausforderung an die “toten” Götzen der Kanaanäer zu verstehen (etwa wie in der Geschichte von Elia auf dem Karmel – 1. Kön 18), als ein Beweis dafür, dass der biblische Glaube aus “Kanaan” einfach “evoliert” war. Denn – auch wenn dies von vielen Kollegen vermutet worden ist – ist dies noch keineswegs notwendig, denn die biblischen Autoren erwähnen verheimlichen ja nicht dass “das Volk” den Glauben an Jahwe mit “heidnischem” Gedankengut vermischte. Letztendlich war es ja deswegen, dass die Propheten dem Volk mit dem kommenden Gericht Jahwes drohten. Inschriften wie die aus Chirbet Bet Lay – “Jahwe is der Gott der ganzen Erde …” (aus dem frühen 7. Jh. v. Chr.) – zeigen eben sehr wohl, dass der Glaube an den einen höchsten Schöpfergott Jahwe in Israel auch ausserhalb der Bibel existierte. Und warum soll dies in früheren Zeiten (etwa zur Zeit Moses oder Davids) anders gewesen sein. Die Darstellung Gitts stimme ich deshalb wirklich zu.

  3. Seminar Januar 2010 Vorankündigung

    Vielleicht ist es interessant in diesem Kontext schon einmal auf ein von uns mitorganisierten Seminar über Gott und die Götter im alten Israel hinzuweisen. Eine offzielle Ansage wird später dieses Jahr unter archäologischen Spatensticke erfolgen.

    In einem von Professor Wolfgang Zwickel und mir (Uni Mainz) organisierten Seminar soll die religiöse Welt des alten Israel anhand von Vorträgen über Kultplätze, Tempelanlagen und religiösen Ikonographie + einer Ausstellung zu diesem Thema dem Besuch nahe gebracht werden. Das Seminar wird vom 8.-10.1.2010 in der Evang. Tagungsstätte Löwenstein stattfinden. Anmeldungen direkt vor Ort. Weitere Details aber später. Dort soll also die von Erika Gitt beschriebene Welt sehr detailliert behandelt werden.

  4. @ Erika Gitt & Peter van der Veen

    Danke für das schöne Thema und den spannenden Beitrag!

    Inhaltlich kann ich nur zustimmen! Und darauf verweisen, dass mit Detlef Linke ein Neurologe aus seinem Forschungsschwerpunkt (Sprach- und Schriftverarbeitung im Gehirn) eine ganz spannende These zur “Emergenz” dieses bildlosen Eingottglaubens aus den ikonischen und später anikonischen Polytheismen präsentiert hat. In der Religionswissenschaft ist es uns bislang noch nicht gelungen, die “Linkesche These” auch nur mit einem schlagenden Gegenbeispiel zu knacken, stattdessen haben wir viele Bestärkungen gefunden. Mal schauen, was die (interdisziplinäre) Zukunft dazu so bringt! 🙂

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