Kurze Nachlese zum WÖM2-Workshop

Zehn Tage liegt der Workshop zum WÖM2-Projekt mittlerweile zurück, und nachdem der österliche Frieden es zumindest versucht hat, sich auf uns niederzulegen, möchte ich noch einmal aus persönlicher Perspektive auf diesen interessanten Tag in Berlin zurückkommen. Einen Eindruck davon erhält man auch durch die hervorragende Storify-Dokumentation, die die Mitarbeiter der ACATECH von der intensiven Twitter-Kommunikation während der Tagung angefertigt haben, und natürlich von der Video-Dokumentation der gesamten Veranstaltung auf YouTube. Auf Twitter wird die Diskussion unter dem Hashtag “#wöm2” weitergeführt.

Die Diskussionen während des Workshops sowie die davor und danach in den Sozialen Medien zeigen, dass eine große Bandbreite von Meinungen, Positionen und Betrachtungsperspektiven bei der Thematik zu berücksichtigen sind. Die drei KommentatorInnen, die die von mir verfasste Expertise zu der technischen und texttechnologischen  Perspektive vorliegen hatten und sich dankenswerterweise damit auseinandergesetzt haben, haben auf verschiedene interessante Punkte hingewiesen. Katharina Zweig etwa, Professorin für Graphentheorie und Analyse komplexer Systeme, erläuterte, dass neben den von mir betrachteten Erscheinungsformen Sozialer Medien auch der Programmcode als ein solches Medium zu betrachten ist. Die Zeitungsredakteurin Anna Sauerbrey stellte ein Visualisierungstool vor, dass beim “Tagesspiegel” für die Strukturierung der Beiträge in Kontroversen zu wissenschaftlichen Themen eingesetzt wird. Henning Krause, Social Media-Manager der Helmholtz-Gemeinschaft, sprach in seinem Kommentar verschiedene Aspekte an, die aus seiner Sicht ebenfalls in eine solche Expertise gehört hätten. In ausführlicherer Form hat er seine Bemerkungen nach dem Workshop in seinem Blog veröffentlicht. Da er darin einzelne Passagen aus meinem Text zitiert, hat mir die Leitung des Akademien-Projekts erlaubt, meine Expertise zum Abgleich damit ebenfalls ins Netz zu stellen. Vielen Dank dafür! Dadurch wird deutlich, dass meine Themenstellung viele Fragen beinhaltete, die die interne Wissenschaftskommunikation betreffen (was Henning Krause kritisiert), andere Aspekte überhaupt nicht im Fokus meiner Aufgabenstellung lagen (wie zum Beispiel wirtschaftliche oder wissenschaftssoziologische Aspekte, für die die anderen beiden Expertisen zuständig waren). Gleichwohl aber drücken die dargestellten Überlegungen meine Überzeugung aus, dass die Grenze zwischen interner und externer Wissenschaftskommunikation immer schwerer zu ziehen ist, weil sie gerade im Bereich der Sozialen Medien erodiert – und das gerade das Interessante daran ist, Wissenschaftskommunikation in Sozialen Medien, interne wie externe, wissenschaftlich zu betrachten. Zudem konvergieren gerade die technischen Bedingungen in hohem Maße, ob man nun Empfehlungs- und Bewertungsalgorithmen betrachtet, Plattform-Entwicklungen oder sprachbezogene Automatisierungsverfahren, so dass gerade unter diesem Blickwinkel die primäre Differenzierung nach der Kommunikationsfunktion als nicht sinnvoll erscheint.

Vielen Dank also für die vielen Anregungen und Hinweise über die verschiedenen Informationskanäle vor, während und nach dem Workshop, die in das Papier in der zu publizierenden Fassung in gebührender Form einfließen werden!

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www.lobin.de

Henning Lobin ist seit 2018 Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim (Mitglied der gemeinsam vom Bund und allen 16 Bundesländern finanzierten Leibniz-Gemeinschaft) und Professor für Germanistische Linguistik an der dortigen Universität. Zuvor war er ab 1999 Professor für Angewandte Sprachwissenschaft und Computerlinguistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seine Forschungsschwerpunkte bilden die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Sprache, Texttechnologie, Grammatik, Wissenschaftskommunikation und Politolinguistik. Er ist Sprecher der Sektion "Geisteswissenschaften und Bildungsforschung" und Präsidiumsmitglied der Leibniz-Gemeinschaft, Mitglied germanistischer Fachbeiräte von DAAD und Goethe-Institut und des Forschungsbeirats der Stiftung Wissenschaft und Politik. Lobin ist Autor von neun Monografien und hat zahlreiche Sammelbände herausgegeben. Zuletzt erschienen sind Engelbarts Traum (Campus, 2014, polnische Übersetzung 2017, chinesische Übersetzung 2018), Digital und vernetzt. Das neue Bild der Sprache (Metzler, 2018) und Sprachkampf (Duden, 2021). Bei den SciLogs ist Henning Lobin seit 2014 Autor des Blogs "Die Engelbart-Galaxis", nachdem er dort bereits ab 2008 am Gruppenblog "Interactive Science" beteiligt war.

4 Kommentare

  1. Pingback:Bedeutung, Chancen und Risiken der sozialen Medien – ein Kommentar - Augenspiegel

  2. Henning Lobin schrieb (29. März 2016):
    > […] meine Überzeugung […], dass die Grenze zwischen interner und externer Wissenschaftskommunikation immer schwerer zu ziehen ist, weil sie gerade im Bereich der Sozialen Medien erodiert

    > […] Anregungen und Hinweise […], die in das Papier in der zu publizierenden Fassung in gebührender Form einfließen werden

    Schließt die Überzeugung, dass die Grenze zwischen interner und externer Wissenschaftskommunikation immer schwerer zu ziehen ist, die Überzeugung ein, dass die Abgrenzung zwischen einem “Papier in seiner publizierten Fassung” einerseits, und der öffentlichen Nachfrage nach, Abgabe und Kenntnisnahme von, sowie der (eventuellen) Stellungnahme zu Anregungen und Hinweisen andererseits erodiert?

  3. In die Welt der Medien (Das “M” in WÖM) fließt dieser Diskurs überhaupt nicht mehr rüber. Mein Artikel heute in der taz ist einer der wenigen (einzige?) Presseartikel zu der Veranstaltung: http://www.taz.de/!5288535/ – Vielleicht liegt es auch daran, dass ich stark auf den Kontext der Wissenschaftspolitik abgehoben habe. Ohnehin waren diejenigen, die sich für diesen Aspekt interessieren, in der Veranstaltung die kleinste aller Minderheiten. Genau drei Personen: Hüttl, de Ridder, Ronzheimer.

  4. Pingback:Der heiße Sommer der Wissenschaftskommunikation 2014 – ein Rückblick – Wissenschaftskommunikation.de

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